Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Die neue Frau: Wo ist sie?

Stefan G., Sunday, 23.02.2003, 19:48 (vor 7753 Tagen) @ Arne Hoffmann

Als Antwort auf: Re: Die neue Frau: Wo ist sie? von Arne Hoffmann am 23. Februar 2003 13:50:19:

Hallo Arne,

Andererseits gebe ich zu bedenken, dass auch leicht eine schiefe Wahrnehmung entstehen kann, wenn man glaubt, es gäbe die "neuen Frauen" überhaupt nicht. Dieser Eindruck entsteht meines Erachtens dadurch, dass die Jammer-Frauen, eben weil sie ständig am Nörgeln und Nölen sind, überstark wahrgenommen werden und die vernünftigeren, gemäßigteren, auf Ausgleich bedachten Stimmen untergehen, weil sie nicht so einen Radau schlagen.

Allerdings! Wenn es diese neuen Frauen gibt, dann verstecken sie sich wirklich gut.

Vor ein paar Wochen haben wir in einem Filmwissenschaftsseminar den Film "The Story of I" von Jo Ann Kaplan gesehen, einer feministischen Filmemacherin (übrigens "trotzdem" ein sehr guter Film). Unser Dozent fragte in die Runde, wer von den Anwesenden, darunter ca. 20 Frauen, sich denn als Feministin bezeichnen würde. Bemerkenswerterweise hob sich keine einzige Hand. Er fand das sonderbar und fragte nach, woran das denn läge.

Interessante Erfahrung. Gerade an Universitäten sind Feministinnen ja eigentlich noch recht stark vertreten - möchte man meinen. Bei uns gibt es immer noch Frauenräte, Frauenkommissionen und natürlich die obligatorischen Politkommissarinnen (Frauenbeauftragte), mit zum Teil vollkommen absurden Projekten. Was ich bemerkt habe, ist einfach der Umstand, daß feministische Inhalte gewissermaßen in neu aufgekochter Form anders präsentiert werden: bspw. als "Gender Mainstreaming". Insgesamt präsentiert sich mir das Bild auch in einer Form, die ich als "versteckten Feminismus" bezeichnen würde. Ich habe früher mal an anderer Stelle im Forum davon gesprochen. Viele Frauen vertreten feministische Inhalte, sie werden aber nicht mehr explizit als solche benannt. In einer Vorlesung über "Ethik in den Biowissenschaften" habe ich am Ende eine Diskussion über Familienpolitik erlebt, in der eine Studentin sagte: "Da müßte das Kind aber beim Vater aufwachsen, was - wie ich finde - keine gute Lösung ist." Daraufhin wurde darüber diskutiert, ob Väter in der Lage sind, Kinder ebenso gut zu erziehen, wie Mütter das tun. Ich habe vielfach den Eindruck, daß einige Frauen sich nicht unbedingt als Feministin bezeichnen würden, da dieser Begriff, wie Du ja schon erwähnt hast, mittlerweile etwas negativ besetzt ist, aber feministische Vorurteile werden immer noch vertreten. Vor einigen Monaten war bei uns "Physikerinnen-Tagung", eine Konferenz, die Physikerinnen aus ganz Deutschland zu Vorträgen einlädt. Ich habe mich mit einer Freundin beim Mittagessen über diese Konferenz unterhalten und sie sagte, daß sie irgendwie schon der Überzeugung ist, Universitäten seien zum Teil noch frauenfeindlich. Bemerkenswerterweise konnte sie mir nicht genau sagen, worin diese Frauenfeindlichkeit nun eigentlich besteht. Das war alles sehr diffus und unkronkret, also schwammig. Als ich sie fragte, ob sie denn schon in irgendeiner Hinsicht selbst benachteiligt wurde, sagte sie dann..."nein, das nicht, aber eine Bekannte von mir, hatte eine Prüfung bei Prof. blabla und bekam nur eine drei." Was soll ich denn davon halten? Es kam ihr wohl nicht in den Sinn, daß ihre Bekannte einfach für eine eins nicht gut genug war.

Insofern glaube ich, dass vielleicht sogar die Mehrheit der Frauen von heute nicht ständig am "Herumheulen über irgendwelche erfundenen Benachteiligungen durch böse Männer" ist.

Ich würde sagen, viele Frauen machen es sich einfach nur leicht. Vielleicht könnte man auch von einer Form des Opportunismus sprechen. Mir fällt auf, daß viele Frauen in Situationen, in denen sie einfach versagt haben, die Schuld schnell auf andere abwälzen und da kommt der Feminismus gerade recht. Im Zweifel gegen die Männer. Ein weiteres Beispiel: Eine Kollegin, die nun schon seit 5 Jahren promoviert, bekam von ihrem Chef und der DFG vor etwa 12 Monaten den Geldhahn abgedreht mit der Begründung, 3 Jahre müßten für dieses Promotionsthema ausreichen. Vier Jahre wurden insgesamt finanziert und jetzt ist Schluß. Eine Entscheidung, die ich durchaus nachvollziehen kann. Diese Kollegin kommt aber nicht auf die Idee, daß es besser gewesen wäre, wenn sie in den Jahren zuvor mehr gearbeitet hätte, nein, sie war schon immer der Überzeugung, daß ihr Chef etwas frauenfeindlich sei. Und so kommen dann die "frauenfeindlichen Strukturen" an den Universitäten zustande! Verantwortung abwälzen.

Ich bin z. B. öfter mal in einem Webforum außerhalb von Parsimony, das sehr gemischte Themen behandelt, unter anderem halt auch immer wieder mal Männer-Frauen-Konflikte. Dort herrscht unter den Frauen ein ganz anderer Tonfall als hier in den Foren: viel lockerer, gelassener, (selbst)-ironischer, zugleich selbstbewusster, ohne aggressiv oder wehleidig zu sein. Die Frauen dort sind auch in der Lage, eigene Fehler zu erkennen, und einige von ihnen haben durchaus ein Bewusstsein dafür, dass Männer mittlerweile ebenfalls auf manchen Gebieten um ihre Rechte zu kämpfen haben.

Na, ich will mal hoffen, daß Du recht hast. :-)
Bislang dachte ich immer, solche Frauen findet man nur noch in Büchern über nordische Mythologie. ;-)
Aber Spaß beiseite. Vielleicht ist es wirklich so, daß man nur noch die wehleidigen und jammernden Schreihälsinnen sieht und hört, weil diese Frauen in den Medien stark präsent sind - die Frauen hingegen, die ihr Leben selbstbewußt und in Eigenverantwortung in die Hand nehmen, kaum wahrgenommen werden.

Allerdings ist das meiner Erfahrung nach eher in der jüngeren Altersgruppe der Fall, also bei den Um-die-20-Jährigen. Das ist ja auch laut den den Erhebungen der "Emma" ihre größte Leserinnengruppe, und wenn Alex hier von seinen Schulkameradinnen berichtet, dann lassen die sich offenbar ebenfalls leicht von seiner Englischlehrerin aufhetzen. Das liegt aber darin, dass in dieser Altersgruppe einiges zusammenkommt: das Finden der eigenen Geschlechtsidentität ist noch nicht abgeschlossen, weshalb frau sich besonders vom Mann abheben möchte ("Jungs sind doof!"); die Jungen sind in diesem Alter manchmal ebenfalls merkwürdig drauf; die Mädels haben noch vergleichsweise wenige reale Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht und übernehmen so um so bereitwilliger Medienklischees.

Interessante These. Das muß ich mir mal durch den Kopf gehen lassen. Kürzlich sah ich ein Rudel Mädchen durch die Straßen ziehen, die laut und eifrig "Männer sind Schweine" gesungen haben. Und da spricht die feministische Pseudowissenschaft immer davon, daß sich Mädchen schneller entwickeln als Jungs. :-)

Leider erkennen bislang nur wenige Frauen Männerrechte als ein so wichtiges Anliegen, dass sie ihnen viel Zeit widmen. In dieser Hinsicht sind Jolanda, Monika, ChrisTine und Co. eher noch angenehme Ausnahmen bzw. Vorreiterinnen. :-) Aber ich bin zuversichtlich, dass sich das auch allmählich verbessert.

Das hoffe ich allerdings auch!

Gruß
Stefan


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