Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wie der Mensch sich von seinem Verstand emanzipiert (und ausstirbt)

Chato, Monday, 28.09.2009, 01:51 (vor 5325 Tagen) @ Borat Sagdijev

Guten Abend Borat!

Ich zweifle "verblödete 68er Jüngelchen" als Ursache an.

Letztursache ist das natürlich nicht gewesen. Wenn man die suchte, würde man erst bei Adam und Eva fündig werden. Tatsache ist aber, daß 68 bekanntlich vor allem eine "antiautoritäre" Absage der damaligen Jünglinge (die oftmals bis heute welche geblieben sind) an Väterlichkeit und Männlichkeit gewesen ist. Kurze Zeit später sah man ja bekanntermaßen die ersten Parteitagsdelegierten genotypisch männlichen Geschlechts auf grünen Parteitagen stricken und häkeln, der "Softie" war überall in Mode gekommen und das erste Flugblatt an der Uni mit der Überschrift "Der Feminist" hielt ich etwa 1973 in meinen Händen. Mittlerweile ist "der Mann" bekanntlich mehr oder weniger durchgepudelt und zur Witzfigur seiner selbst herabgesunken. Also, das ist schon nicht frei herbeiphantasiert, was ich da behauptet habe, oder?

Da steckt was anderes Dahinter. Was ganz "Banal" biologisches, technisches.
Vielleicht war es die einfache Pillenverhütung kombiniert mit technischem,
medizinischem kulturellem Fortschritt.

Ich persönlich bin gut begründet davon überzeugt, daß die vielen unterschiedlichen Aspekte und Phänomene, die einen jeweiligen "Geist der Zeit" konstituieren und ausmachen, nicht unverbunden und unabhängig voneinander in Erscheinung und Wirkung treten, sondern unzufällig sind in dem Sinne, daß sich in ihnen allen eine einzige, mehr oder weniger einheitliche, zeithistorische Gestalt manifestiert, so wie etwa, um mal eine simple Analogie zum bloßen Zwecke der Illustrierung des Behaupteten zu bemühen, im Winter nicht bloß Schnee fällt, sondern es außerdem auch ziemlich kalt ist. Das tritt auch nicht "zufällig" beides zeitgleich auf. Analoges unterstelle ich bei dem gewiß viel schwieriger faßbaren Phänomen des "Zeitgeistes", das indes, trotz seiner eigentümlichen 'Unfaßbarkeit', gleichwohl als eine historisch und empirisch reale Tatsache vernünftigerweise nicht in Abrede gestellt werden kann.

Der Mensch ist so viel mehr Marionette seiner Umstände, als er glaubt, und
sein "freier Wille" ist eine Illusion.

Eine wichtige Einsicht, wie ich finde. In ihr liegt übrigens ein Schlüssel zum Verständnis des eben von mir Ausgeführten verborgen. Welcher Wille manifestiert sich eigentlich im "Zeitgeist", da es doch der aufsummierte Wille aller einzelnen Individuen nicht sein kann, wenn derselbe, wie du richtig voraussetzt, schon beim Einzelnen nicht frei ist? Um wieviel mehr entzöge sich übrigens erst der Kollektivwille dem jeweiligen Einzelwillen, so man denn einen hypothetischen Kollektivwillen als "Summe aller menschlichen Einzelwillen" als real unterstellte? Wir haben doch gerade einen Tag hinter uns, der dies anschaulich demonstriert hat: Ist das heutige Wahlergebnis von deinem (oder sonst einem) Einzelwillen bestimmbar gewesen oder nicht? Eben. Wer konkret verantwortet also eigentlich das heutige Wahlergebnis? Wenn man das zuendedenkt, kommt man zu recht interessanten Schlüssen, aber die würden hier leider bloß wieder zu epileptischen Anfällen führen... :-)

Übrigens, wenn du "die Umstände" sowohl einerseits als menschengemacht, als auch andererseits als die Strippenzieher ihrer menschlichen Marionetten unterstellen wolltest, dann brächte dich das natürlich in ein logisches Paradoxon, das sich innerhalb der Parameter "Mensch" und "Umstände" nicht auflösen läßt: Woher stammen denn nun diese "Umstände" und ihre inneren, hochkomplexen Zusammenhänge, wenn der Wille derer, die sie angeblich hervorbringen, gar nicht frei ist, wie du eben zutreffend festgestellt hast?

Die je spezifische, konkrete und in all ihren zahllosen Facetten hyperkomplexe Gestalt einer jeden Epoche in der menschlichen Geschichte erweist stets die unübersehbaren Spuren einer extremen Intelligenz, ohne daß man auch nur in einem einzigen Fall zeigen könnte, daß etwa ein einzelner, konkreter Mensch sich diese Gestalt zuvor erdacht hätte in dem Sinne, daß ihm etwa all die Myriaden von Einzeldetails, die diese Gestalt und ihre konkreten Bewegungen in der Zeit schließlich ausmachen, nur von Ferne sämtlich zuvor bewußt gewesen wären. Das ist derart offensichtlich, daß es jeglichen Gedanken an eine Planbarkeit der menschlichen Zukunft durch den Menschen selbst von Grund auf vernichtet, was allerdings an der Borniertheit ideologischer Fanatiker, die sich grell kreischend an eben diesem Wahn festgekrallt haben, leider nichts ändern wird, solange solche Irren noch unter uns weilen, um die arme Menschheit mit ihren ideologischen Beglückungen zu foltern.

In der Tat ist der menschliche Wille nicht frei in dem Sinne, daß der Mensch frei tun und lassen könnte, was er will, und dabei etwa auch die Konsequenzen seines Tuns und Lassens der Freiheit seines Willens unterstünden, sondern diese Konsequenzen treten selbstredend gänzlich unabhängig vom Wollen und Wünschen des Menschen ein. Bekanntlich irrt der Mensch, solang er strebt: Für die Konsequenzen seines Tuns und Lassens ist er weitestgehend bis vollständig blind, und so gesehen ist sein Wille selbstverständlich unfrei.

Restlos unfrei aber ist der menschliche Wille nicht. Inwiefern nicht? Insofern nicht, daß er die echte Wahl hat, diese seine fundamentale Abhängigkeit von für ihn unerreichbaren Gesetzen, die ihm ontologisch in nachgerade allem vorausliegen und seine gesamte Existenz bestimmen, anzuerkennen und sich redlich zu bemühen, sich zu seinem eigenen Glücke nach ihnen zu richten – oder aber diese fundamentale Abhängigkeit, die bekanntlich die Grundlage des Phänomens Religion ist, zu bestreiten und nach selbst erdachten Ideen wild draufloszuleben.

Mit den Konsequenzen des Letzteren, also der Wahnvorstellung, selber Gott zu sein, haben wir es gerade unbestreitbar zu tun. Ob und welche Schlüsse der Einzelne daraus ziehen oder nicht ziehen möchte, ist wiederum in die Freiheit seiner eigenen Entscheidung gestellt. Nicht frei indes ist er, wie oben gezeigt wurde, in Hinblick darauf, daß er diese Konsequenzen etwa "steuern" könnte. Wer das immer noch nicht glauben mag, der soll halt noch ein wenig warten. Dann weiß er es nämlich definitiv, wie es sich verhält.

Spätestens im Moment des Todes ist die Beweisführung in dieser Frage abgeschlossen. Niemand könnte das bestreiten. Merkwürdigerweise verhalten sich heute die meisten Menschen so, als ob sie das vorher unmöglich wissen könnten, obwohl es doch mit einer Evidenz auf der Hand liegt, wie es sie in keiner anderen Frage sonst gibt noch je geben könnte. Derart verrückt sind die Menschen heutzutage geworden! Sagenhaft!

Ein Mensch, von allem befreit, ist tot oder Gott, je nach Glauben.

Naja, oder der Teufel halt, natürlich wiederum "je nach Glauben". Freilich sollte eigentlich auch bereits ohne solchen Glauben ganz direkt und unmittelbar einleuchten, daß, wer von den Gesetzen des Lebens nichts wissen wollte, sondern stattdessen nach anderen zu leben versuchte, die dann am Ende überhaupt nicht funktioniert haben, unmöglich der Herr der Gesetze des Lebens sein kann. Man könnte auch, so wie du es eben im Grunde getan hast, ganz knapp und knackig formulieren: Wer unweigerlich draufgeht und überhaupt nichts dagegen machen kann, der kann definitiv nicht Gott sein.

Wer eine derart offenkundige und kinderleicht zu begreifende Wahrheit partout nicht wahrhaben möchte, der ist schlicht und einfach total bescheuert. Wenn ein solcher Mensch dann auch noch mit dem Fuße aufstampfend ausgerechnet auf seiner "überlegenen Intelligenz" besteht, dann ist das urkomisch und zum Schlapplachen. Da man dieses Schauspiel in unseren Tagen relativ häufig aufgeführt bekommt und dafür fast nie Eintritt zahlen muß, ist dies in gewisser Weise eine besonders lustige und humorvolle Epoche, wenn auch ihre sensationellen Hauptattraktionen von ihrer eigenen Komik leider überhaupt nichts mitbekommen.

Aber dafür gibt es ja schließlich die Zuschauer … *gg*

Nick :-)

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Wenn wir Toren wüßten, daß wir welche sind, wären wir keine.


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