Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Megatrend Frauen

Oliver, Saturday, 31.10.2009, 07:35 (vor 5904 Tagen)

Ein lila Pudel plaudert:
http://www.freies-wort.de/nachrichten/thueringen/seite3thueringenfw/art2402,1057005
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Das bedeutet, dass wir einen langfristigen Rollenwechsel in Politik, Kultur und Gesellschaft erleben, der von den Frauen ausgeht und in dem sich die Rollenverhältnisse, aber auch die gesellschaftlichen Werte-Orientierungen verändern. Die jetzige Finanzkrise beschleunigt diesen Trend. Die Krise zeigt das Versagen eines männlichen Risikoverhaltens.

Thüringen soll heute eine Frau als Regierungschefin bekommen. Was wird Christine Lieberknecht anders machen als ein Ministerpräsident?

Die Erfahrung zeigt, dass der Politikstil von Frauen oft ein anderer ist. Angela Merkels Politikstil zum Beispiel ist ausgleichender, vermittelnder. Er ist nicht geprägt von Männlichkeits- und Statusgesten wie bei Alt-Bundeskanzler Schröder oder von der Extrem-Sturheit eines Helmut Kohls.

Frauen weisen sehr oft eine kommunikativere Ausrichtung ihres Handelns auf. In gesellschaftlichen Situationen, in denen es um Ausgleich, Kooperation und Vertrauen geht, sind sie sehr viel besser aufgestellt. Das ist einer der Gründe für ihr Vordringen in der Politik: Wir kommen heute mit den alten polarisierenden, "männlichen" Politik-Formen nicht mehr weiter. Der politische Rechts-Links-Konflikt aus dem Industriezeitalter gerät an sein Ende. Das ist die Stunde der Frauen in der Politik.

Sind Frauen die besseren Chefs?

Sie können es sein. Männliche Chefs wenden oft eine Menge Energie für ihren Status-Erhalt auf. Frauen tun das nicht. Sie haben deshalb große Probleme, in die Macht hinein zu kommen. Sie trauen sich nichts zu. Wenn sie einmal oben sind, beweisen sie meist mehr Zähigkeit und größere Ausdauer.

Frau Lieberknecht beteuert, sie habe das Amt nicht angestrebt. Ist Macht nur etwas für Männer?

Frauen sind wohl selten so machtbewusst wie Männer. Aber genau deshalb läuft jetzt vieles auf sie zu. In Island zum Beispiel, das die Finanzkrise geradezu von der ökonomischen Landkarte getilgt hat, haben wir jetzt ein fast ausschließliches Frauenregime. Nicht nur die Regierung ist weiblich; auch die Vorstände der größten Banken sind weiblich, weil kein Mann den Job mehr machen wollte. Und wenn man sich das gockelhafte Verhalten in der deutschen Politik ansieht, gerade in den Bundesländern, dieses Exaltierte und schnell Beleidigte vieler Lokalfürsten und Regionalpolitiker, dann läuft das politische Umfeld auch auf Frauen zu.

Lieberknecht wäre die erste Ministerpräsidentin der CDU. Wird sie den Altherren-Verein aufmischen?

Stimmt die Bezeichnung Altherren-Verein überhaupt noch? Es gibt bereits einige starke Frauen in der CDU, denken sie an die Familienministerin. Das Aufmischen ist schon lange in vollem Gang.

Aber die Männer wehren sich doch, oder?

An vielen Stellen ist es den Männern gar nicht unrecht. Deren Eitelkeits-Geschäft führt doch dazu, dass keiner mehr mit dem anderen kann. Am Ende ist es so wie in der Familie: Die Hahnenkämpfe müssen Frauen schlichten.

Im Thüringer Landtag sitzen für die Linkspartei 15 Frauen und 12 Männer. Bei der CDU lautet das Verhältnis 8 Frauen zu 22 Männer. Macht die Linke demnach die bessere Politik?

Die Sensibilität für manche Themen ist in dieser Partei womöglich eher da als bei konservativen Parteien. Aber das ist wohl nichts spezifisch linkes. Vergleichen Sie das einmal mit der Vergangenheit, etwa mit dem Anteil der Frauen im Politbüro. Der war Null. Wir haben seit vielen Jahren in allen Parteien eine Tendenz in die weibliche Richtung.

Auch in der Wirtschaft?

In Norwegen müssen laut Gesetz 40 Prozent der Konzern-Aufsichtsräte weiblich sein. Dieses Gesetz wird demnächst wahrscheinlich von Frankreich und von den Niederlanden übernommen. Hier ist das Feld für die eigentliche Auseinandersetzung um die Frauenmacht in Deutschland. In der Politik sind wir schon sehr weit. In den oberen Etagen der Wirtschaft haben wir aber nur drei oder vier Prozent Frauen. Hier besteht ein großer Nachholbedarf, weil die Politik nicht gegen die Wirtschaft regieren kann.

Sollte es eine Frauenquote in Politik, Wirtschaft und Verbänden geben?

In manchen Etagen der Wirtschaft ist das notwendig, weil sich sonst nichts verändert. Dort haben wir enorm haltbare Seilschaften der Männer, die sich betonhart und bunkerähnlich verteidigen. Dass es dagegen in den Parteien mehr Frauen gibt, das geht fast schon automatisch.

Die großen Zukunftsthemen sind in gewisser Weise Frauenthemen, aber nicht im klassischen Sinn: Es geht um die ökologische Erneuerung, eine gute Balance von Arbeit und Leben, um Bildung. In einer Industriegesellschaft dominieren männliche Themen - Wirtschaftswachstum, Technik, Klientelpolitik. In einer Wissensökonomie stehen die weiblichen Themen im Vordergrund.

Ein Supermann wie der Extrem-Bergsteiger Reinhold Messner findet, dass Männer Spinner und Spieler seien. Denken Sie auch so über das starke Geschlecht?

Das hat sich in Finanzkrise bestätigt. Man hat die Testosteron-Spiegel der Börsenhändler gemessen und gesehen, dass die enorm hoch waren. Nicht von ungefähr spricht man bei steigenden Börsenkursen von Bullenmarkt. Männliche Spiellust und Aggressivität ist eine Konstante.

Aber daran kann auch Positives sein. Ich kenne Reinhold Messner gut genug, um zu wissen, dass er es mit einem Augenzwinkern sagt. Er ist ja selbst einer dieser Macho-Männer, die auf Achttausender ohne Vorsichtsmaßnahmen klettern. Das machen nur Männer, oder jedenfalls eher Männer.

Wird uns das nicht fehlen?

Wenn Frauen die Werte dominieren, wird männliches Verhalten womöglich eine Renaissance erleben. Wenn wir alle ganz feminin geworden sind, wird man sich danach zurücksehnen, dass jemand Entschlossenheit und Abenteuerlust an den Tag legt.

Deutschland hat eine Kanzlerin, eine Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche und wohl ab heute eine CDU-Ministerpräsidentin: Müssen Männer nun fürchten, untergebuttert zu werden?

Ich glaube, den Männern ist es ganz lieb, dass sie in bestimmten Situationen nicht mehr allein die Verantwortung tragen müssen. Politik wird immer schwieriger. Dagegen kommen sie mit einfachen Formeln und der Beschwörung von Macht und Stärke nicht mehr an. Die klassischen männlichen Politiker heutzutage sind Sarkozy in Frankreich und Berlusconi in Italien.

Das sind klassische Mann-Männer, die aber zunehmend eine eher lächerliche Schießbuden-Figur abgeben. Wer hat im Moment das größte Charisma als Politiker? Barack Obama, der eindeutig hohe emotional-weibliche Anteile hat. Das zeigt, dass Männer eine andere Mischung von männlich und weiblich in sich herstellen können. Das ist sehr attraktiv, übrigens auch für Frauen.

Für den Juniorpartner von Frau Lieberknecht, die Thüringer SPD, stellt sich nun die Frage: Wie geht man am besten mit einer starken Frau um?

Es ist eine alte Wahrheit, dass Männer, die Angst haben vor starken Frauen, innerlich sehr schwach sind. Für kluge Männer ist es ein Gewinn. Frauen haben ja nun eine gewisse Ausputzer-Situation. Männer sind zunehmend froh, dass ihre Frauen gutes Geld verdienen, weil sie das auch entlastet. Zyniker sagen sogar, Männer bereiten sich darauf vor, den Frauen die Macht zu überlassen, weil sie ihnen inzwischen viel zu anstrengend geworden ist. Sie selbst ziehen sich wieder zum Jagen und Fischen zurück.

Da die Thüringer SPD auch an die nächste Landtagswahl denken muss: Wäre es gut für sie, selbst eine Frau an der Spitze zu haben?

Nicht unbedingt. In der Brandenburger Koalition bestimmt zwar jetzt auch eine Frau für die Linke mit, es gibt aber einen sehr weiblichen Mann, der als SPD-Ministerpräsident die Situation mitgestaltet. Wir werden viele spannende Mann-Frau-Konfigurationen in der Politik in den nächsten Jahren haben. Was wir nicht mehr haben werden, sind alte Patriarchen und stiernackige Chauvis. Diese Zeiten sind vorbei

--

Liebe Grüße
Oliver


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