Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Feminismus und Sexualität: Andrea Dworkin

Mus Lim ⌂, Sunday, 06.09.2009, 20:44 (vor 5957 Tagen) @ Mus Lim

Andrea Dworkin

Aus der Einleitung zu "Pornographie - Männer beherrschen Frauen":

"Beim Schreiben dieses Buches habe ich die extremste Isolation erfahren, die ich je als Autorin kannte. Ich lebte in einer Welt der Bilder: dargebotene Frauenkörper, kauernde, ausgebreitete, aufgehängte, gedehnte, gefesselte und zerschnittene Frauen. Und in einer Welt der Bücher: Gruppenvergewaltigung, Paarvergewaltigung, Vergewaltigung von Frauen durch Männer, lesbische Vergewaltigung, Vergewaltigung von Frauen durch Tiere, Herausreißen von Eingeweiden, Folter, Penetration, Extremente, Urin und schlechte Prosa. Drei Jahre lang arbeitete ich an diesem Buch."

Aus dem Buch selbst:

"Die Macht der Männer ist zuallererst eine metaphysische Behauptung ihres Selbst, ein Ich bin, das a priori besteht, unerschütterlich, absolut. Es bedarf keiner Beschöngigung oder Rechtfertigung, ist gleichgültig gegenüber jeglichem Leugnen, jeglichem Zweifel. Es bekundet selbstverständlich Autorität. Es hört nie auf zu existieren, egal wie oder aus welchen Gründen es angegriffen wird."

"Körperliche Unfähigkeit ist eine Form weiblicher Schönheit und ein Symbol männlichen Reichtums: Er ist reich genug, sie arbeitsunfähig zu halten, nutzlos, nur zur Zierde da. Frauen werden sogar verstümmelt, entweder körperlich oder durch Mode und Gebräuche, so daß jede Körperkraft, über die sie noch verfügen mögen, bedeutungslos wird. Männliche Körperkraft ist, unabhängig von ihrem realen Ausmaß, immer von Bedeutung. Männliche Körperkraft, als Machtmittel benützt, ist, ebenso wie das männliche Selbst, keine subjektive Erscheinung. Ihre Bedeutung ist kein Zufall. Gesetze und Konventionen schützen sie, Kunst und Literatur preisen sie. Geschichte kann nicht sein ohne sie."

"Die Terrorakte (der Männer) umfassen die gesamte Bandbreite von Vergewaltigung, Körperverletzung, sexuellem Mißbrauch von Kindern über Krieg, Mord, Verstümmelung, Folter, Sklaverei, Entführung bis hin zu verbalen und bildlichen Angriffen, Morddrohungen und der Androhung von Gewalt, gestützt auf die Fähigkeit und das Recht, diese auch tatsächlich anzuwenden. Die Symbole des Terrors sind alltäglich und absolut vertraut: die Faust, die Pistole, das Messer, die Bombe und so weiter. Von noch größerer Bedeutung ist das versteckte Symbol des Terrors: der Penis."

"Feindseligkeit und Gewalt nennt er in den verschiedensten Verbindungen 'Sex'. Er schlägt sie und nennt das abwechselnd 'Liebesbeweis' (wenn sie Ehefrau ist) oder 'Erotik' (wenn sie Geliebte ist). Wenn sie ihn sexuell begehrt, nennt er sie Schlampe. Wenn sie ihn nicht will, vergewaltigt er sie und sagt, sie will....Er nennt sie Hausfrau, gerade gut genug fürs Haus, und hält sie arm und abhängig, nur um sie mit seinem Geld zu kaufen. Sollte sie das Haus verlassen, nennt er sie Hure. Er nennt sie, wie immer es ihm paßt. Er tut, was er will, und benennt es, wie es ihm beliebt."

"Hauptthema der Pornographie als Genre ist die männliche Macht, sind ihre Merkmale, ihre Dimension, ihre Anwendung, ihre Bedeutung. Männliche Macht, ausgedrückt in und durch Pornographie, ist erkennbar an getrennten, aber ineinander verwobenen und einander bestärkenden Strängen: die Macht des Selbst, die körperliche Macht über andere, die Macht des Terrors, die Macht zu benennen, die Macht des Eigentums, die Macht des Geldes und die Macht der Sexualität."

aus "Geschlechtsverkehr"

"Geschlechtsverkehr ist nicht grundsätzlich banal, obwohl Unterhaltungsillustrierte wie Esquire und Cosmopolitan es gerne so hätten. Er ist leidenschaftlich und häufig verzweifelt. Heftiger Aufruhr, eine wilde und äußerst grausame Gleichgültigkeit der menschlichen Individualität gegenüber, das ist seine innere Landschaft - schamlose, reizbare Begierde, absolut und unersättlich, nicht nach Personen gebunden und ohne Rücksicht auf Grenzen. Geschlechtsverkehr endet nicht mit dem sexuellen Höhepunjt, er endet in einer menschlichen Tragödie gescheiterter Beziehungen, - rachsüchtige Bitterkeit folgt der sexuellen Hitze, die Persönlichkeit hat sich durch allzu langes Ertragen von Auseinandersetzungen und ungewünschtem, gewohnheitsmäßigem Verkehr zersetzt, die Lebenskraft verzehrt sich bis hin zur endgültigen Erstarrung in Gewohnheit, Zwang oder Trennungseinsamkeit."

"Geschlechtsverkehr wird gewöhnlich beschrieben und verstanden als Form oder Akt der Besitznahme, mittels, während und wegen derer ein Mann einer Frau beiwohnt, sie körperlich umschließt und gleichzeitig in sie eindringt; und in dieser körperlichen Beziehung zu ihr - über ihr und in ihr drin - besteht seine Besitznahme von ihr. Er hat sie, oder, wenn er fertig ist, hat er sie gehabt. Indem er in sie hineinstößt, nimmt er sie in Besitz. Wenn er sie stößt, so gilt das gemeinhin als ihre Kapitulation vor ihm als dem Eroberer; sie ergibt sich ihm körperlich; er besetzt und beherrscht sie und verleiht seiner elementaren Macht über sie dadurch Ausdruck, daß er sie im Fick in Besitz nimmt. Der Akt selbst, ohne etwas darüber hinaus, ist die Besitznahme. Es bedarf dazu keiner gesellschaftlichen Beziehung, bei der die Frau dem Mann untergeordnet ist, als Leibeigene in Geist oder Tat, als Zierde oder als Arbeitstier."

"Frauen sind als Ehefrauen Leibeigene für Männer gewesen, als Prostituierte, als Sex- und Reproduktionsdienerinnen. Jemandem gehören und gefickt werden sind oder waren im weiblichen Leben praktisch Erfahrungen mit gleicher Bedeutung. Du gehörst ihm; er fickt dich. Das Ficken kennzeichnet die Art der Eigentumsverhältnisse: Du gehörst ihm von Kopf bis Fuß."

"Die meisten Frauen sind für die meisten Männer keine unterscheidbaren individuellen Wesen; und deshalb ist ein Fick tendenziell eher Ausdruck von Klassenüberlegenheit. Frauen leben in dieser Wirklichkeit, die für sie Eigentum sein und gefickt werden heißt: sie erleben sie sinnlich von innen; ihr Körper lernt auf das zu reagieren, was die männliche Macht als Berührung, als Sex, als Liebe anbietet."

"Geschlechtsverkehr vollzieht sich innerhalb einer Machtbeziehung, die allgegenwärtig und unangreifbar ist. Der Akt findet, unabhängig von der Bedeutung, die er in sich und als solcher hat, in einem Kontext statt, in dem Männer soziale, ökonomische und physische Macht über Frauen besitzen. Einige Männer verfügen nicht über all diese Formen von Macht über alle Frauen; aber alle Männer verfügen über einige Formen von Macht über alle Frauen; und die meisten Männer haben die Kontrollmacht über die, die sie ihre Frauen nennen - die Frauen, die sie ficken. Die Macht ist durch das Geschlecht vorherbestimmt, durch die Tatsache, daß man männlich ist. Geschlechtsverkehr als Akt ist oft Ausdruck der Macht, die Männer über Frauen haben. Wenn er auch nicht das ist, was die Gesellschaft als Vergewaltigung anerkennt, so doch das, was die Gesellschaft - wenn man sie zu diesem Zugeständnis drängt - als Vorherrschaft anerkennt.Geschlechtsverkehr ist oft ebenso Ausdruck von Feindseligkeit oder Zorn wie von Vorherrschaft."

"Wir sind ärmer an seelischem Wohlbefinden als Männer, weil für uns Selbstachtung von der Anerkennung - häufig in Form von sexuellem Verlangen - derjenigen abhängt, die die Macht über uns besitzen und sie an uns ausüben. Männliche Macht kann arrogant oder elegant sein; sie kann flegelhaft oder kultiviert sein: Aber als Personen existieren wir nur, insoweit Männer mit Macht uns anerkennen. Wenn sie gelegentlich Hilfestellung brauchen oder sich ein wenig Erregung wünschen, nehmen sie uns irgendwie zur Kenntnis, mit einem Zipfel ihres Bewußtseins; und wenn es vorbei ist, verschwinden wir wieder in der Schande, im anonymen Geschlecht des Frauseins. Aufgrund ihrer Macht über uns sind sie in der Lage, unsere Herzen mit Verachtung oder Herablassung totzuschlagen. Wir brauchen ihr Geld; es ist häufig Geschlechtsverkehr, wodurch wir dazu kommen. Sie zwingen uns, willfährig zu sein, machen uns erst zu Parasiten und hassen uns dann dafür, daß wir nicht loslassen."

"Weiblich sein in dieser Welt heißt, daß wir der Möglichkeit einer menschlichen Wahl beraubt sind, und zwar durch Männer, die es lieben, uns zu hassen. Man trifft seine Wahl nicht in Freiheit. Statt dessen paßt man sich in Körpertypus, Benehmen und Anschauungen so an, bis man Objekt männlichen Sexualbegehrens wird, und das wiederum erfordert den Verzicht auf eine Vielfalt an Wahlmöglichkeiten."

"Jene Kollaboration (mit dem Feind) ist voll entfaltet, wenn eine Frau ihren Liebhaber, den Nationalsozialisten, vor allen Frauen schätzt, vor jeder Person ihrer Art, ihrer Klasse, ihres Status, sie kann aber unauffällig beginnen: ein erster Akt von Komplizenschaft, der die Selbstachtung zerstört, die Fähigkeit zur Selbstbestimmung und Freiheit - und den Körper für den Fick bereit macht anstatt für die Freiheit. Die Männer besitzen eine Antwort: Geschlechtsverkehr ist Freiheit. Vielleicht eine zweitklassige Freiheit für zweitklassige Menschen."

Naja, ist nicht unbedingt unser Fall, diese Sprache....Dworkin verwendet genau die Brutalität, die sie anderen (Männern) unterstellt. Sie drückt in diesem Buch auch die Erwartung an Männer aus, Mädchen gewissermaßen "sanft" an Sexualität heranzuführen, sie einzuweihen. Als ob Frauen, auch junge Frauen, keinerlei Verantwortung über ihr eigenes Leben hätten. Erinnert irgendwie schon stark ans viktorianische Frauenbild, die ätherische, zarte, moralische, "andere" und zu beschützende Frau. Dworkin ist relativ einflußreich im amerikanischen Feminismus, obwohl sie früher nur zu einer "Randgruppe" des Feminismus gehört hat. Ironischerweise fallen ihre Bücher gegen Pornographie unter Zensurbestimmungen, die sie und andere Feministinnen in Kanada durchgekämpft haben...

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