Es ist die schlichte Frage: Was ist wahr??

Chato, Friday, 20.02.2009, 12:33 (vor 6152 Tagen) @ adler

Lieber Adler,

das ist eine schöne und weise Geschichte aus dem Morgenland, die natürlich überall und jeden Tag stattfindet. Bloß "bemerken" es die meisten komischerweise nicht (mehr), bedenken es einfach nicht und leben närrisch in den Tag hinein, als hätte ihrer Tage Zahl keine Grenze. Das ist natürlich unendlich dumm. Wer die letzten Dinge bedenkt, der verhält sich in seinem Leben vollkommen anders, als heute allerorten herumgefuhrwerkt wird. Das, worüber wir hier immerzu diskutieren, existierte überhaupt nicht, wenn einfach bedacht würde, daß wir alle sterben müssen. Und zwar bald. "Morgen" im Grunde. DAS ist unser reales Koordinatensystem.

Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen. Auf dass wir klug werden.
Aus dem Gedächtnis zitiert nach einer Predigt vor dreißig Jahren. Leider
aus einer evangelischen, schlimmer, einer protestantischen Kirche.

Du hast ein sehr gutes Gedächtnis, und das über 30 Jahre hinweg, lieber Adler Es ist der 90 Psalm, den du wortgenau zitierst, Vers 12: "Herr, lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden." So übersetzt Luther (logo, protestantische Kirche und so ). In der ebenfalls überkonfessionellen Elberfelder Bibel, die unter den deutschen Übersetzungen stets am genauesten beim Urtext bleibt, heißt es: "Herr, so lehre uns denn zählen unsere Tage, auf daß wir ein weises Herz erlangen."

Ach, ich vergaß: Wir sind ja gar keine Kirche. Jedenfalls keine richtige.

Bitte, hochverehrter und aufrichtig von mir geschätzter Herr Adler: Wenn's nur irgend geht, solche Grundsatzfragen bitte, bitte nicht persönlich nehmen. Ich heiße nicht Eberhard von Gemmingen, habe womöglich gegen ihn noch mehr einzuwenden, als gegen Martin Luther (und das womöglich nicht bloß, weil letzterer schon seit einem halben Jahrtausend tot ist und ersterer nicht). Und sogar gegen mich selbst womöglich auch?? Vielleicht sogar erst recht??

In solchen Grundsatzdingen geht es mir aus Prinzip einzig um die ganz schlichte Frage: "Was ist eigentlich wahr?" Wir sind nicht beim Pferderennen, schon gar nicht als Pferd, und "Vereinsgehabe" ist auf dieser Ebene einfach nur lächerlich. Ich weiß sehr wohl, daß es viele gottgläubige Protestanten gibt, ebenso weiß ich, daß es viele gottlose Katholiken gibt (und natürlich läßt sich das jetzt kreuzweise austauschen). Ich bin kein Evangelenfresser, und es ist auch nicht so, daß ich persönlich etwas gegen den Bruder Martin hätte (so ticke ich überhaupt nicht, lieber Adler, auch wenn ich gelegentlich diesen Eindruck erwecken mag (noch gelegentlicher womöglich sogar taktisch-absichtlich erwecken möchte?? )

Auf die Frage: "Wer hat recht?", lautet für mich die einzige Antwort: "Gott hat recht." Aber wir Menschen hier unten im Zeitlichen müssen uns nun einmal darum mühen und gelegentlich miteinander ringen, was denn nun wahr ist und was nicht. Denn einzig und allein darum geht es und um sonst nichts. Und das in einer verrückt gewordenen und total aus den Fugen geratenen Welt, in der mittlerweile sogar bestritten wird, daß es Wahrheit überhaupt geben könne.

Der christliche Glaube ist für mich keine "Gefühlsgemeinschaft", sondern im wörtlichsten Sinne eine Sache auf Leben und Tod. Es nutzt überhaupt nichts, Recht behalten zu wollen, wenn man nicht recht hat. Der erste, dem ich das täglich erzähle, bin ich selbst. Wenn ich irre, dann will ich ausdrücklich nicht recht behalten, sondern belehrt werden und dazulernen. Der einzige Weg dorthin ist unter uns Menschen allerdings das Argument, nicht die Emotion. Das liegt nicht daran, daß ich etwas gegen Emotionen hätte.

So, das war jetzt wohl reichlich off topic…

Ein herzlicher Gruß
vom Nick

P.S.: In der Blauen Burg (weiter unten in diesem Strang) ist das übrigens gerade Thema zwischen Max und mir.

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Wenn wir Toren wüßten, daß wir welche sind, wären wir keine.