Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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dazu ein passender Artikel

Dalai, Saturday, 29.11.2008, 21:12 (vor 6233 Tagen) @ Internet-Nutzer

Kolumne: Frauen bevorzugt
Von Thomas Fricke

Seit Jahren müssen wir Männer uns vorhalten lassen, dass die Frauen nachweislich schon in der Schule die Besseren waren. Jetzt kommt heraus, dass sie geholfen wurden - und die Jungs keine Chance hatten.


Die Emanzipation ist eine prima Angelegenheit. Nur manchmal geht die Sache eindeutig zu weit. Zum Beispiel, wenn emanzipierte Frauen plötzlich behaupten, dass es eigentlich ja sogar die Mädels sind, die schlauer, intelligenter und eigentlich auch stärker sind. Und dass das ja schon in der Schule so war. Das ist für Männer sehr ärgerlich - zumal es durch Zahlen bislang auch noch belegbar schien. Schulmädchen kriegen im Schnitt die besseren Noten.

Jetzt könnte sich herausstellen, dass dahinter im Grunde Betrug steckt. Denn nach einer Arbeit eines israelischen Wirtschaftswissenschaftlers scheint recht eindeutig belegbar, dass Mädels von den Lehrern klar bevorzugt werden - und die Jungs benachteiligt, und zwar systematisch. Zumindest in Israel.


Das könnte nicht nur gängige Emanzipations-Sorgen entkräften, wonach Lehrer in der Regel alte Rollenklischees vom schwachen Geschlecht noch befördern. Es würde vor allem das erstaunlich gute Abschneiden der Mädels entzaubern und die intellektuell arg diskreditierten Männer rehabilitieren.

Zu Mädchen sind Lehrer netter


Bei seinem Test wertete Victor Lavy von der Hebrew University in Jerusalem mehrere Hunderttausende Benotungen von Schülern staatlicher israelischer Schulen in den Jahren 2000 bis 2002 aus. Der Ökonom nutzte dabei eine Besonderheit des israelischen Abiturs: Jeder Anwärter auf die Hochschulreife hat in jedem Fach gleich zwei sehr ähnliche Prüfungen zu überstehen, die sich vor allem in einem unterscheiden: die erste wird vom jeweils eigenen Lehrer an der jeweils eigenen Schule ausgewertet, die zweite dagegen absolut anonym durch eine Kommission. Nur bei der Schulprüfung ist dem Prüfer mithin bekannt, wen er prüft: Mädchen oder Junge. Und siehe da. Die Noten fallen plötzlich ganz anders aus.


Zwar schnitten alle Beteiligten im Schnitt besser ab, wenn sie vom eigenen Lehrer geprüft wurden. Das lässt auf grundsätzlich nette Lehrer schließen. Nur waren die Lehrer bei den Mädchen ganz besonders nett, wie Lavy herausfand. Es gebe einen klar negativen Zusammenhang zwischen der Eigenschaft, männlich zu sein und den Chancen auf Notenverbesserung durch den eigenen Lehrer, sagt Lavy.


Auf einer Punkteskala von Null bis Hundert falle der Notensprung zwischen anonymer und nicht-anonymer Prüfung für Jungs im Schnitt zwei bis sechs Punkte niedriger aus als für die Mädels, die im direkten relativen Geschlechter-Vergleich beim anonymen Test doppelt so gut dastünden wie in der offenen Prüfung. In Englisch schnitten die Jungs im anonymen Test sogar besser ab - bei der Prüfung durch die jeweils eigenen Lehrer war der Vorsprung plötzlich weg.


Diskriminierung variiert von Lehrertyp zu Lehrertyp

Nun könnte es ja sein, dass zum Beispiel die Jungs nach einem missratenen ersten Durchgang einfach systematisch mehr Energie aufwenden, um das miese Ergebnis auszugleichen - was den schwindenden Vorteil der Mädels in der zweiten und amtlichen Prüfung erklären würde. Laut Lavy ist eher das Gegenteil der Fall. Mädchen, die unter ihren früheren Noten geblieben seien, seien in Wirklichkeit in fast allen Fächern bei der zweiten Prüfung anschließend viel eifriger gewesen, um dies wieder wettzumachen.


Der Befund lässt sich nicht einmal darauf reduzieren, dass etwa schwächere Jungs den Schnitt nach unten gezogen haben. Die Mädchen wurden in sämtlichen Klassen und Talentgruppen von ihren Lehrern deutlich besser bewertet als von der schnöden Kommission - und das gilt zudem für alle Fächer.


Für Lavy sind diese Ergebnisse vor allem ein Beleg dafür, dass es eben doch nicht die Lehrer sind, die Mädchen schon frühzeitig davon abschrecken, sich zum Beispiel im Ingenieursfach zu engagieren. In den Fächern Physik, Mathe oder Chemie fiel der weibliche Bonus im Schnitt ähnlich groß aus wie beim Bibelstudieren oder in Literaturwissenschaft.


Die Jungs schnitten nicht deshalb so viel schlechter ab, weil sie selbst daran schuld seien, sondern weil sie, "bewusst oder unbewusst von den Lehrern diskriminiert werden", so Lavy. Wehe, wenn das Alice Schwarzer hört. Für die frische These spricht laut Lavy auch, dass die diagnostizierte Diskriminierung von Schülertyp zu Schülertyp kaum variiere, dafür aber von Lehrertyp zu Lehrertyp.

Böse zu Jungs


Warum die Welt so böse zu den Jungs ist, hat der israelische Wissenschaftler nicht abschließend herausgefunden. "Das überlasse ich Ihrer Intuition", sagt er nur. Immerhin lassen seine Zahlen vermuten, dass es ein böses Komplott der Frauen nicht sein kann: Zwar kamen in Physik, Bio und Chemie auffällig viele nette Noten für die Mädels von Prüferinnen. Bei den Matheprüfungen in Israel galt indes das Gegenteil. Dort ließ sich das Handicap der Männer ausschließlich auf das Drittel männlicher Prüfer zurückführen.


Der hohe Beitrag der Prüferinnen zum weiblichen Bonus spricht wiederum gegen die Vermutung, dass Israels männliche Lehrkräfte einfach dem unwiderstehlichen Charme ihrer eigenen Schülerinnen erliegen. Am plausibelsten wäre womöglich noch die Annahme, dass die Mädels mittlerweile so nachhaltig bevorzugt werden, damit niemand in den Verdacht gerät, sie zu benachteiligen.


Ein starkes Stück, selbst wenn man einräumen muss: laut Lavys Auswertung wären die Mädels in den meisten Fächern auch dann noch etwas besser gewesen als die Jungs, wenn sie von den Lehrern in Privatprüfung nicht so unverschämt bevorzugt worden wären. Keine Sorge: Den Trick werden wir auch noch herausfinden.


"Do Gender Stereotypes Reduce Girls' Human Capital Outcomes? Evidence from a Natural Experiment", Victor Lavy, NBER Working Paper Nr. 10.678, August 2004.


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