Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

233.682 Postings in 30.704 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

BEGRIFFS-CHAOTISIERUNG!

Chato, Wednesday, 26.09.2007, 15:36 (vor 6660 Tagen) @ jufati

um noch einen draufzusetzen:
Ihr alle erinnert euch vielleicht an die Debatte um Floridarolf und Sozialschmarotzer.
Gut zu wissen, daß die ersten Insassen des KZ Dachau Assoziale und Arbeitsfaule waren.
Der Schoß war nie verschlossen

Ist das nun der gaaanz große Bogen, der ALLES einschließt und "auf den Begriff" bringt? Wenn es für alles bloß noch einen Begriff gibt, dann ist leider nichts mehr von irgend etwas anderem zu unterscheiden: Man begreift zwar keinerlei Zusammenhänge mehr, aber "weiß alles".

Faschismus ist kein deutscher Begriff, sondern ein italienischer. Die "Gruppe der Richtigen" besteht in jeder Gesellschaft aus denjenigen, die über die Macht verfügen, verbindlich für andere festzulegen, was "richtig" ist. So gesehen müßte nach dir jede menschliche Gesellschaft faschistisch genannt werden, sogar nicht einmal bloß eine solche, in der irgendwie gegen demokratische Prinzipien verstoßen wird, denn die "Gruppe der Richtigen" gibt es auch unter perfekt demokratischen Bedingungen (die Mehrheit). Natürlich ist ein solcher Wortgebrauch kompletter Unsinn.

Ausdrücklich kennzeichnend für die faschistische Herrschaft ist die Losung: "Gegen Toleranz!", und nicht "Gegen Intoleranz!". Man ahnt zwar dunkel, was du meinen möchtest (Intoleranz unter der Losung der Toleranz), aber das wäre eben bloß dann "faschistisch", wenn ALLES auf der Welt "faschistisch" ist. Dann könnte man aber ebensogut "human" dazu sagen, oder "gemein", oder "irgendwas". Oder gar nichts mehr.

Die "Debatte um Florida-Rolf und Sozialschmarotzer" war so eine typische Etikettschildchendebatte der BLÖD-Zeitung, die genau an jene Instinkte appellierte, alles in einen Topf zu werfen, an die auch du auf deine Weise appellierst. Es ist zwar alles in einem Topf drin, aber was alles im Topf drin ist, erkennt man nur dann, wenn man sauber unterscheidet, was genau alles im Topf drin ist. Selbstverständlich gibt es Leute, die vom Geld anderer leben, obwohl sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen könnten. Das bedeutet ebenso selbstverständlich nicht, daß jeder, der von öffentlichen Mitteln zu leben gezwungen ist, ein Schmarotzer ist.

Selbstverständlich gibt es immer und zu allen Zeiten asoziale und arbeitsfaule Leute! Aber das hätte selbst dann nichts mit dem KZ Dachau zu tun, wenn dieselben 1933 sämtlich und geschlossen dort eingefahren wären, denn die KZ's dienten anderen Zielen, als diesem und als die Nazis 1933 behaupteten, wofür sie angeblich dienten. Das wiederum heißt nicht, daß sie Asoziale und Arbeitsfaule dort ausdrücklich nicht eingesperrt hätten. Oder daß jeder, der dort eingesperrt wurde, per definitionem nicht asozial oder arbeitsfaul gewesen sein konnte, weil er dort eingesperrt war. Vor allem aber bedeutet es natürlich nicht, daß, wer dort eingesperrt war, asozial und arbeitsfaul war, weil er dort eingesperrt war. Es bedeutet nur, daß die Nazis genau letzteren Eindruck zu erwecken suchten.

Weiter oben gibt es Connys Strang "Polizisten!", in dem es um angeblich "zusammengetretene Demonstranten" geht. Niemand bestreitet, daß es solche Fälle gibt, wo Demonstranten von Polizisten rechtswidrig zusammengetreten werden. Das hat aber überhaupt nichts mit der Frage zu tun, um die es ging. Es wurde nämlich versucht, so etwas mit einem Foto zu belegen, das etwas ganz anderes zeigt. Das Foto ist also eine Lüge! Wer dies sagt, behauptet nun zum Beispiel keineswegs, Demonstranten würden niemals von Polizisten rechtswidrig zusammengetreten, sondern bloß, daß dies hier offenkundig nicht der Fall war. Wer nicht denkfähig ist, bekommt aber leider solche Unterscheidungen nicht mit und schwimmt deswegen stockblind in seinen trüben Emotionen herum, in denen alles mögliche "irgendwie" alles mögliche bedeutet. Oder auch nicht. Dein Einwurf ist leider ein typisches Beispiel für eine solche Begriffs-Chaotisierung aufgrund mangelnder Unterscheidung.

Das Blöde an sowas ist, daß, wenn man sich erst einmal darauf einläßt, solches zu respektieren, die Nichtdenkfähigen sofort darüber zu befinden beginnen, was alles nicht gedacht werden darf. Diese Form der Herrschaft erleben wir heute in Gestalt von immer inflationärer werdenden "politisch korrekten" Denk- und Sprechverboten. Das ist selbstverständlich nicht "faschistisch"! Aber es ist nichtsdestoweniger die gegenwärtig vorherrschende Art und Weise, die Wahrheit zu unterdrücken und die Lüge zu düngen, bis sie alles überwuchert.

Wie wollen wir das nennen? "Gemein"? "Faschistisch"? "Human"? "Irgendwie"? "Demokratisch"? "Links"? "Rechts"? "Feministisch"? "Mutterkult"? "Patriarchal"? "Kapitalistsch"? "Kommunistisch"? Solche Begriffe sind allesamt vollkommen sinnlos, wenn sie von Leuten benutzt werden, die nicht darüber nachzudenken fähig sind, WAS sie eigentlich meinen, wenn sie etwas sagen, sondern die annehmen, das reine Ausstoßen von Begriffen allein sei bereits ein sinnvoller Beitrag zu einer Diskussion. Das betrifft nun nicht speziell deine (virtuelle) Person - du brauchst es also nicht persönlich zu nehmen - sondern das ist leider "normal" geworden. Verblödung nennt man das.

"Verblödung" ist m.E. der zutreffendste Ausdruck für die heutige Form von Herrschaft: Idioten haben das Sagen und führen in den Wahnsinn.

Nick

--
___________________________________________________
Wenn wir Toren wüßten, daß wir welche sind, wären wir keine.


gesamter Thread:

 

powered by my little forum