Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Nur wenig OT: Osten «zivilgesellschaftlich unentwickelt»

N.U.M.E.S., Friday, 24.08.2007, 22:57 (vor 6692 Tagen) @ Nihilator

Nur einen Einspruch: "neoliberal" ist das nicht. Lies nach, z.B. bei
wikipedia, was dieser Begriff bedeutet.

Nur einen Einspruch: "neoliberal" ist das nicht. Lies nach, z.B. bei
wikipedia, was dieser Begriff bedeutet.

Defacto bedeutet Neoliberalismus die Individualisierung einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, mit dem Ziel, das solidarische Sozialstaatsprinzip den kapitalistischen Ansprüchen unterzuordnen. Wirtschaft wird nicht als "Markt" verstanden, von dem sowohl Kapital- und Arbeitgeber, als auch die Arbeitnehmer profitieren können (im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft), sondern als reines Mittel zum Kapitalertrag, zwecks Gewinnmaximierung. Wer da nicht mitziehen oder bestehen kann, ist selber schuld, wird als "soziale Belastung" deklariert, gilt als "unnütz".

Von der Leyens Politik (ihr Utilismus) basiert auf dieser politischen Ausrichtung. Nicht nur, dass sie akademische Eltern für Deutschlands Kinder präferiert (was an sich schon ein äußerst fragwürdiger sozialer Spezismus ist), sondern führt sie mit dem Elterngeld auch das Sozialstaatsprinzip ad absurdum: Je höher das Einkommen, desto höher die Sozialleistung! Es haben demnach überhaupt nur diejenigen eine soziale Solidarität verdient, die für Staat und Wirtschaft etwas leisten (arbeits-, steuer- oder erziehungstechnisch nützlich sind). "Nicht-Leister", also Transferempfänger oder Geringverdiener, müssen sich der "Gemeinschaft" (also in Wirklichkeit der Elite) gegenüber rechtfertigen und für ihre jeweilige Lebensituation "Eigenverantwortung" übernehmen, was aber nichts anderes bedeutet, als dass sie für Arbeitslosigkeit oder Bildungsdefizite individuell selbst verantwortlich gemacht werden (siehe HartzIV). Damit entziehen sich Staat, Wirtschaft und Gesellschaft ihrer PFLICHT, eine ausgewogene Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zu realisieren, die es auch geringer gebildeten, oder anderweitig eingeschränkten Menschen ermöglicht, daran zu partizipieren und ein mindestens für die Lebenshaltungskosten ausreichendes Einkommen zu erzielen.

Das solidarische Sozialwesen (welches ja auch über die Lohnnebenkosten mitfinanziert wird) wird als "unnützer" Kostenfaktor grundsätzlich abgelehnt. Die Menschen sollen zwar arbeiten (für möglichst wenig Geld), aber für deren soziale (u.a. medizinische) Absicherung will die Wirtschaft wiederum keinerlei Verantwortung übernehmen. Die Reduzierung des Arbeitgeberanteils an den Sozialversicherungen ist in den letzten Jahren doch wohl unübersehbar vorangeschritten. Dazu noch eine Info: Jeder neunte Mensch hier in Deutschland bezieht Transferleistungen nach HartzIV! Nicht mitgerechnet sind all diejenigen, die Sozialhilfe erhalten. Eine Statistik der ARGEN hat kürzlich ergeben, dass nur etwa 0,2 Prozent der HartzIV-Empfänger als "arbeitsunwillig" eingeschätzt werden - ein krasser Widerspruch zum gesellschaftlichen Klischee von den "faulen Arbeitslosen".

Quintessenz: Neoliberalismus bedeutet eben nicht nur, dass die gesellschaftliche Einflussnahme des Staates zurückgefahren werden soll, sondern, dass Gesellschaft und Sozialsystem sich (nicht volks-)wirtschaftlichen, also rein kapitalistischen Interessen unterzuordnen haben. Interessanterweise krakeelen die gleichen Leute, die einen neoliberalen Kurs favorisieren, gleichzeitig nach einer strikten Regulierung der Sozialsysteme und Arbeitsgesetze etc. Dabei konkurieren allerdings zwei Parteien mit gegensätzlichen Interessenschwerpunkten, und vergleichen könnte man das Ganze damit, dass die Arbeitgeber vom Staat die Abschaffung der Gewerkschaften fordern! Soviel mal zu den Themen "Freiheit" und "Gleichberechtigung", die sich die neoliberalen Vertreter angeblich auf die Fahnen geschrieben haben!


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