Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Der recycelte Mann

Christine ⌂, Saturday, 17.02.2007, 19:28 (vor 6872 Tagen)

Die geplante Reform des Unterhaltsrechts rührt tief an traditionelle Geschlechterrollen.
Gerade Frauen werden ihre Langzeitbeziehungen in Zukunft anders gestalten als bisher

Vielleicht hat die außereheliche Affäre des CSU-Prominenten Horst Seehofer, der demnächst eine Geliebte mit Kind zu versorgen hat, den Anstoß gegeben. Oder es haben ein paar nachdenkliche Ehefrauen genauer nachgerechnet, was nach einer Scheidung für sie übrig bliebe. Jedenfalls ist um die geplante Reform des Unterhaltsrechts für Geschiedene neuer Streit entbrannt. Diese Reform rührt an grundsätzliche Vorstellungen von Gerechtigkeit. Wer über die Reform redet, spricht über das Tauschsystem Langzeitbeziehung. Und da werden die Karten zwischen Männern und Frauen gerade neu gemischt.

Nach dem Entwurf zum neuen Unterhaltsrecht sollen die Unterhaltsansprüche geschiedener Ehefrauen an ihren Exmann in Zukunft nicht mehr Vorrang besitzen. Sie sollen vielmehr mit den Ansprüchen der neuen Lebenspartnerin konkurrieren - ob verheiratet oder nicht -, wenn diese ein Kind betreut. Noch vor den Frauen haben zudem alle minderjährigen Kinder des Mannes, auch die aus der neuen Beziehung, ein Recht auf Unterhalt vom Vater. Das neue Gesetz würde somit die Stellung geschiedener Frauen verschlechtern.

Dazu eine Beispielrechnung aus dem Justizministerium: Nach geltendem Recht muss ein Ehemann mit einem bereinigten Nettoeinkommen von 2.280 Euro seiner arbeitslosen Exfrau und ihren beiden gemeinsamen Kleinkindern monatlich 1.066 Euro überweisen - auch wenn er eine neue Partnerin mit Baby hat. Nach neuem Recht würde die Exfrau mit den beiden Kindern nur noch 791 Euro bekommen, die neue Partnerin mit Kind erhielte 499 Euro.

Das neue Recht greift bei jenem Scheidungsklassiker, der allergrößtes Verletzungspotenzial enthält: Nach einer langen Beziehung verlässt der Mann die Ehefrau wegen einer Jüngeren und gründet mit dieser eine zweite Familie. Die erste Ehefrau bleibt zurück. Sie hat wegen der Kinder auf eine Karriere verzichtet, steht jetzt allein, arbeitslos und verbittert da und muss auch noch mitansehen, wie jeder weitere Zeugungsakt des Mannes ihren Unterhalt - und damit ihren Lebensstandard - schmälert. Explosiver geht es nicht.

Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, und der treibt wiederum die Männer auf die Barrikaden: Die Frau verlässt den Mann. Nach der Scheidung lässt sie sich noch jahrzehntelang vom Exmann alimentieren, ohne sich dem kalten Wind des Arbeitsmarktes auszusetzen. Der Geschiedene kann sich eine zweite Ehe schlichtweg nicht mehr leisten und steckt in der Unterhaltsfalle fest.

Solche Horrorszenarien von himmelschreiender Ungerechtigkeit werden in privaten Kreisen oft kolportiert. Wie oft sie eintreten, ist statistisch aber nicht festzustellen. Jedenfalls ist der tatsächlich gezahlte Unterhalt des Mannes viel geringer, als es das Klischee von Scheidungen à la Boris Becker vermuten lässt. Nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums von 2003 verlieren Frauen nach der Scheidung im Durchschnitt ein Drittel ihres Einkommens, die Männer büßen nur mehr als ein Zehntel ein. Diese Werte sind je nach Haushaltsgröße gewichtet. Nur jede zehnte Geschiedene hat überhaupt Anspruch auf Unterhalt - weil der Mann meist zu wenig verdient, um nach dem Eigenbedarf und den Unterhaltszahlungen für die Kinder überhaupt noch Geld übrig zu haben.

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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein


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