Von der Leyen will gesellschaftliche Realitäten erzwingen
Familienrecht.
Wie stark darf der Staat die Lebensentwürfe der Bürger steuern? Eine Streitschrift zur ökonomischen Theorie der Familie und zur Politik der Regierung.
Nach der Reform ist vor der Reform - die gute Nachricht ist, dass sie das im Familienministerium genauso sehen. Das Elterngeld, das seit wenigen Tagen Gesetz ist, die Absetzbarkeit von Betreuungskosten, die sanfte Ermunterung an die Väter, sich an der Erziehungsarbeit zu beteiligen, das alles ist für Ursula von der Leyen (CDU) nur der Einstieg in eine "neue Familienpolitik". Die Ministerin hat die Evaluierung aller familienpolitischen Leistungen angekündigt, die sich laut Bundesfinanzministerium auf 98,8 Milliarden Euro jährlich belaufen. Mutterschafts-, Erziehungs- und Kindergeld, die kostenlose Mitversicherung für Kinder, Unterhaltsvorschuss, Rentenzuschlag und Kinderbetreuung, alles soll auf den Prüfstand.
Die schlechte Nachricht ist, dass das Ergebnis dieser Prüfung schon feststeht, denn von der Leyen richtet ihre Familienpolitik nicht an den Familien, sondern an ihrem persönlichen Bild von Familie aus, genauer: am Ideal der akademisch ausgebildeten, berufstätigen Mutter, die Erwerbs- und Erziehungsarbeit gefälligst unter einen Hut zu bringen hat. Danach sollen Frauen erstens so ungestört wie möglich berufstätig sein können, um der Wirtschaft ihre Arbeitskraft zuzuführen, zweitens gleichzeitig Kinder gebären zur Entlastung der Sozialsysteme und zur Aufzucht dringend benötigten Humankapitals. Das nächste Ergebnis dieser Politik, das ist nicht schwer vorherzusehen, wird die Abschaffung der kostenlosen Mitversicherung von nichterwerbstätigen Familienmitgliedern in der gesetzlichen Krankenkasse sein.
Der Skandal dieser Politik liegt nicht darin, dass es sie nicht geben dürfte, im Gegenteil: Als Angebot ist die simultane Vereinbarkeit von Familie und Beruf längst überfällig, vor allem für Alleinerziehende, schon deshalb, weil viele Familien ihren Lebensunterhalt mit einem Einkommen nicht (mehr) verdienen können, natürlich auch als bare Möglichkeit für Frauen, die sich dafür entscheiden. Der Skandal liegt vielmehr darin, dass der Staat mit seiner Politik keine Optionen eröffnet, sondern einseitig Fakten schafft. Er setzt sich über die Bedürfnisse aller anderen Lebensformen, einschließlich der traditionellen Familie, hinweg, um eine gesellschaftliche Realität zu erzwingen.
Damit mischt sich der Staat in die denkbar größte Privatsache derer ein, die ihn bilden, betreibt familienpolitische Planwirtschaft. Er verabsolutiert (s)ein Familienbild - und weitet den Sozialstaat mit der Prämierung von beruflichem Erfolg auch noch auf diejenigen aus, die es am wenigsten nötig haben: die Wohlhabenden. Und die Wissenschaft leistet fröhlich Beihilfe. Zur Erleichterung des elterlichen Gewissens hat sie das mütterliche Liebeskonzentrat erfunden: "Qualitätszeit" für das "selbstständige Baby", dem Beziehungen wichtiger sind als Bezugspersonen. Unter dem Deckmantel der "empirischen Evidenz" von vergleichenden Bevölkerungspyramiden, Fertilitätsquoten und Geburtenraten erteilen Studien dem Staat die Lizenz zum social engineering; mit immer neuen Hochrechnungen normieren sie das politisch Geforderte.
"Wenn nur die akademisch ausgebildeten Mütter, deren jüngstes Kind noch keine ganztägige Betreuungseinrichtung besucht - circa 245.000 Frauen -, eine Arbeit aufnehmen würden", so das Stoßgebet einer Studie von Roland Berger im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung, würden "die öffentlichen Haushalte Steuermehreinnahmen von 2,2 Milliarden Euro verbuchen und die Sozialversicherungsträger 2,7 Milliarden Euro". 245.000 Frauen und ihre Produktivkraft - das ist das Maß der "neuen Familienpolitik". 245.000 Frauen - 0,3 Prozent der Bevölkerung.
--
Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein
gesamter Thread:
- Von der Leyen will gesellschaftliche Realitäten erzwingen -
Christine,
16.01.2007, 20:51
- Freiheit statt Feminismus! -
hquer,
16.01.2007, 21:51
- Freiheit statt Feminismus! -
Garfield,
17.01.2007, 13:45
- Freiheit statt Feminismus! - Conny, 17.01.2007, 14:36
- Freiheit statt Feminismus! -
Garfield,
17.01.2007, 13:45
- Weiberwahn in der Regierung - Herr lass Hirn regnen (nT) - Swen, 16.01.2007, 23:19
- Von der Leyen will gesellschaftliche Realitäten erzwingen -
Salvatore Ventura,
17.01.2007, 18:21
- BRAVO! (nt) - Max, 24.01.2007, 18:16
- Freiheit statt Feminismus! -
hquer,
16.01.2007, 21:51