Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Missbrauch in gutem Hause

Christine ⌂, Wednesday, 10.01.2007, 01:09 (vor 6907 Tagen)

Von Kerstin Schneider

Die Mutter, eine Journalistin, stellt ihren Gesprächspartnern Erziehungsfragen. Zu Hause missbraucht ihr Lebensgefährte die Tochter - bis die Zwölfjährige versucht, sich das Leben zu nehmen. Nun ist die Mutter angeklagt und der leibliche Vater will Schadenersatz von der Stadt Frankfurt.

Das Kind stürzt 16 Meter tief. Schlägt auf die Pflastersteine im Hof. Ein Polizist, der zufällig vorbei kommt, sieht das Mädchen in der Einfahrt des Mehrfamilienhauses liegen. Arme und Beine sind verdreht, der Atem ist flach. Über Handy alarmiert der Polizist den Rettungswagen. Dann deckt er das Kind mit seiner Jacke zu. Es nieselt an diesem Samstagmorgen im Juli 2004.

Während der Notarzt um das Leben des Kindes kämpft, klingelt der Polizist überall im Haus, um die Mutter zu finden. Kurz darauf identifiziert Dr. Rita Meyer* ihre zwölfjährige Tochter Lara* im Rettungswagen. Das Kind ist aus dem Badezimmerfenster im fünften Stock gesprungen.

Die Schamlippe geschwollen, die Scheide gerötet
Lara schwebt in Lebensgefahr, muss sofort operiert werden. Ihre Leistenschlagader ist verletzt, ein Lungenflügel eingefallen. Unter der Schädeldecke drückt ein Hämatom auf ihr Gehirn. Mehrere Wirbel, rechter Oberschenkel, linke Rippe, Scham-, Kreuz- und Fersenbein sind gebrochen. Als Lara in der Frankfurter Uniklinik auf dem Röntgentisch liegt, stutzt der Notfallchirurg. Ihre Schamlippe ist geschwollen, die Scheide gerötet. Das Kind hat Abschürfungen an den Genitalien. An den Innenseiten beider Oberschenkel, auf Rücken und Gesäß, sind striemenartige blaue Flecken zu sehen. Der Notarzt tut etwas, das er in 25. Dienstjahren bisher nur einmal gemacht hat: Noch im OP alarmiert er den Gerichtsmediziner und eine Gynäkologin. Sein Verdacht: Lara ist sexuell missbraucht und geschlagen worden.

Warum sich ihre Tochter umbringen wollte, fragt ein Polizist Rita Meyer im Krankenhaus. Dr. Meyer, die völlig aufgelöst ist, wie ein Polizist protokolliert, "senkt den Kopf und schweigt". Nach einer Weile schaut sie auf, sagt, dass sie "in der Erziehung wohl einiges falsch" gemacht habe. Sie hätte mit Lara über "Lügen und schlechte Noten" gestritten. Der Streit sei "eskaliert". Mit der rechten Hand habe sie ihrem Kind "sieben bis acht Schläge auf das Gesäß" gegeben. Da ihre Tochter "schnell blaue Flecken" bekäme, könne "man etwas sehen". Wieder sieht Rita Meyer zu Boden, kann dem Polizisten, "nicht in die Augen schauen".

"Person mit hoher Beschwerdegewalt"
Dr. Rita Meyer, damals 37, ist, wie es im Behördenjargon heißt, eine "Person mit hoher Beschwerdegewalt". Die promovierte Philosophin arbeitet als stellvertretende Ressortleiterin bei einer großen Tageszeitung, die viele prominente Leser hat. Nachdem sie eine zeitlang die Kinderseite redigiert hat, jettet Rita Meyer um die Welt, trifft Prominente, wie den US-Schauspieler Robert Redfort, berühmte Schriftsteller wie Umberto Ecco und John Irving, den bekannten Maler Jörg Immendorf oder AC/DC-Gitarrist Agnus Young zum Interview.

Gern flicht die Redakteurin Erziehungsfragen ins Gespräch. "Wie sieht die ideale Mutter aus", will sie von der damaligen Familienministerin Renate Schmidt wissen. "Worauf legen Sie in der Erziehung wert?", fragt sie Kaiser Ur-Ur-Enkel Philipp von Preußen. "Hat Sie Ihr mäßiges Zeugnis kein bisschen schockiert?", provoziert sie Edmund Stoiber. Rita Meyer schreibt über Gewalt gegen Kinder ("Geprügelte Kinder prügeln selbst") und zitiert die damalige Justizministerin Däubler-Gmelin mit den Worten: "Dieses Recht der Kinder auf eine gewaltfreie Erziehung ist eigentlich eine pure Selbstverständlichkeit."

Anklage gegen die Journalistin erhoben
Ende Dezember hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt Anklage erhoben gegen die Journalistin, die so engagiert über Erziehungsthemen schrieb. Dr. Rita Meyer soll die Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber ihren beiden Töchtern gröblich verletzt haben. Eine Straftat, die mit drei Jahren Gefängnis oder Geldstrafe geahndet wird. Ihr Lebensgefährte Hamid Reza T. ist bereits im Mai 2005 vom Landgericht Frankfurt zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Nach Überzeugung des Gerichts hat der Iraner Lara am Nachmittag vor ihrem Selbstmordversuch oder in den frühen Morgenstunden - während ihre Mutter und Schwester schliefen - im Badezimmer oral missbraucht. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

Jetzt will Laras leiblicher Vater Cyrus S. die Stadt Frankfurt auf Schmerzensgeld verklagen. Ein Zivilprozess, der Seltenheitswert haben dürfte. "Es wäre ganz einfach gewesen, Lara zu retten, hätte nur jemand von diesen professionellen Kinderschützern ein wenig Mut gehabt", sagt der Arzt. "Nach der Katastrophe haben die Behörden versucht, meine Tochter von mir zu trennen, um die ganze Sache zu vertuschen. Ich habe diese herzlose Wegschau-Mentalität zu genüge kennen gelernt und empfinde es als meine Pflicht dagegen vorzugehen."

*)Namen von der Redaktion geändert

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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein


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