Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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"Selbstverwirklichung ist Idiotismus"

Dummschwätzer, Wednesday, 27.12.2006, 11:34 (vor 6920 Tagen)

Begleitsound zum Eva-Prinzip?

Auch Sie sind mit Ihrem "Helden-Buch" wegen Ihrer Parteinahme für die "traditionelle" Familie zum Objekt diverser Gehässigkeiten geworden. Man hat das Buch als "reaktionäres Pamphlet" bezeichnet, Sie als "seufzenden Patriarchen" tituliert und Ihnen vorgeworfen, den intellektuelle Begleit-Sound zum Eva-Prinzip geliefert zu haben.

Norbert Bolz: Dass ich Prügel für mein Buch beziehen würde, war mir klar. Allerdings habe ich die hermeneutischen Fähigkeiten der Rezensenten überschätzt. Immerhin artikuliert schon die erste Seite des Buches in aller Klarheit prinzipielle Zweifel an der Möglichkeit einer sachlichen Diskussion. Zumindest darin habe ich Recht behalten.

Bereuen Sie im Nachhinein, dass Sie der 68er-Parole gefolgt sind und das Private politisiert haben?

Norbert Bolz: Um eine berühmte Dame zu zitieren: Ich bereue nichts! Mir war von vornherein klar, dass die Rezensenten (und hier ist es wirklich einmal sinnvoll zu ergänzen: und Rezensentinnen!) exakt zur Gruppe derjenigen gehören, auf die meine Polemik zielt. Und man darf eben nicht erwarten, von der- oder demjenigen gelobt zu werden, der/dem man gerade eine Ohrfeige verpasst hat.

Sie haben irgendwo erzählt, dass die meisten Ihrer Freunde und Bekannten kinderlos sind. Eine These Ihres Buches ist, dass sich zwischen Singles und Kinderlosen auf der einen und Familien mit Kindern auf der anderen Seite längst ein kultureller Graben öffne, der stetig wachse. Wie haben denn Ihre Freunde und Bekannten auf das Heldenbuch reagiert?

Norbert Bolz: Einige Freunde und Bekannte sind post "Die Helden der Familie" keine Freunde und Bekannten mehr. Die Welt ist dadurch für meine ganze Familie sehr viel übersichtlicher geworden. Doch um der Wahrheit die Ehre zu geben: Manches Verstummen tut schon sehr weh. Ich habe daraus jedenfalls gelernt, dass die Unterscheidung Kinder/keine Kinder sehr viel wichtiger ist als die Unterscheidung Links/Rechts.

Ein Epizentrum der grassierenden Kinderlosigkeit scheinen vor allem die Redaktionsstuben der Feuilletons zu sein. Nach Aussagen von Beobachtern residiert dort ein Milieu besonders erfolgreicher Aufsteigerinnen, das sich besonders hedonistisch gibt, sich dem Gebären verweigert und Selbstverwirklichung für sich selbst einfordert. Das würde auch die Feindschaft erklären, die Sie und vor allem Eva Herman auf sich gezogen haben?

Norbert Bolz: Ja, genau so ist es. Man kann es nicht besser formulieren. Ich habe diese Erfahrung in zahlreichen Rundfunkinterviews gemacht ? allesamt Interviews mit Anti-Eva-Frauen. Aber auch hier wäre es naiv, etwas anderes zu erwarten.

Männer sind Versorger

Kritiker haben moniert, dass Sie von der Frau die Unterordnung unter die Ordnung der Familie verlangen, und zwar zu Gunsten der Kinder. Stimmt das? Zahlen die Kinder den Preis für die Emanzipation der Frau? Wird Selbstverwirklichung auf dem Rücken der Kinder ausgetragen?

In der Tat ist es meine These, dass die Kinder die Opfer der "Selbstverwirklichung" sind. Die Argumente, die ich hier ins Feld geführt habe, stammen übrigens von Horkheimer und Habermas ? neokonservativ? Der zentrale Punkt ist die Art der Sorge. Robert Reich unterscheidet sehr schön zwischen "custodial care" und "attentive care". Für mich ist das der Unterschied von Glück und Unglück. Und mir scheint klar zu sein, dass es für verstaatlichte Kinder immer nur "custodial care" geben wird. Bei dieser Frage erreicht die Wut übrigens immer einen Spitzenwert. Auch das ist nicht erstaunlich: Eine Frau, die ihr Kind betreuen lässt, um sich selbst zu verwirklichen (ich sagen nicht: um zu arbeiten!), kann schlecht einräumen, dass es dem Kind an Liebe mangelt. Mit Sicherheit fällt dann das Wort "quality time" (übrigens auch von unserer Familienministerin) ? ein typisch amerikanischer, also absurder Begriff.

Was genau jenem "Vorsorgestaat" oder "vorsorgenden Sozialstaat" (SPD) entspricht, den Foucault und seine Schüler schon vor Jahren an die Wand gemalt haben.

Norbert Bolz: Foucault in allen Ehren ? aber diese kritische Beobachtung ist natürlich schon viel älter. Im Grunde können Sie die Kritik des fürsorglichen Staates bis zu Tocqueville zurückverfolgen. Und in dieser Frage sind die Studien von Ernst Forsthoff, Helmut Schelsky und Arnold Gehlen sicher aufschlussreicher als die Sozialarchäologie Foucaults.

Männer kommen in Ihrem Buch nur am Ende vor, wo es um "Asyle der Männlichkeit" geht. Kann man sie bei der Sache wirklich außen vor lassen? Sind nicht gerade sie die Bremser in Sachen Kindergebären und Kinderaufzucht? Gibt es die demografischen Probleme nicht auch deswegen, weil sie Verantwortlichkeiten scheuen und sich lieber um ihre Bücher- und CD-Sammlung kümmern als um Hausaufgaben, Steuererklärung, Gartenarbeit usw.

Norbert Bolz: Männer, bekanntlich, können Kinder nicht gebären ? und den meisten fehlt auch der Fürsorgeinstinkt zur "Kinderaufzucht". Aber bisher hat man von Männern auch nicht verlangt, Fürsorger zu sein ? es genügte, verlässlicher Versorger zu sein. Genau diese klassische Geschlechterrolle wird ihnen aber zunehmend bestritten. Dass das Identitätsprobleme schafft, liegt auf der Hand. Männer sind im "double bind" gefangen: einerseits sollen sie "fürsorglich" und andererseits "Männer" sein. Und jeder Mann weiß, dass Frauen Männer verachten, die keine "Männer" sind.

Telepolis


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