Simone de Beauvoir, der Existentialismus und die Abtreibung
Als eine der ersten und namhaftesten Feministinnen der Nachkriegszeit darf die französische Schriftstellerin Simone de Beauvoir benannt werden. Ihre Vorstellungen zur Geschlechterbeziehung brachte sie vor allem in dem Buch "Das andere Geschlecht", in Deutschland erstmals erschienen 1951, zum Ausdruck. Dieses Werk gilt Feministinnen in aller Welt nach wie vor als eine Art Bibel im Kampf gegen den Mann.
Simone de Beauvoir, in Paris 1908 geboren, studierte Philosophie und unterrichtete dann an verschiedenen franz. Gymnasien. Später gab sie den Lehrberuf auf und betätigte sich als freie Schriftstellerin. Sie wurde die Lebensgefährtin des bekannten Philosophen Jean-Paul Sartre und war wohl auch eine Art Schülerin von ihm. Simone de Beauvoir galt als linksintellektuell (was bekanntlich immer dann besonders gut gelingt, wenn man selbst privilegiert ist) und vertrat wie Sartre einen "Atheistischen Existentialismus". Bei dieser philos. Denkrichtung gelten, kurz beschrieben, folgende Aussagen: Der Mensch muß sich als bestimmungslose, zur Freiheit verurteilte Existenz sein Wesen durch totales Engagement erst schaffen, ohne dies aber je zu erreichen. Deshalb ist der Ekel am Dasein und das Gefühl der "Absurdität" seine Grundstimmung. "Der Mensch ist nichts anderes als wozu er sich macht." Eine vorgegebene Grundnatur des Menschen gibt es nicht (einen Gott sowieso nicht), der Mensch ist lediglich so etwas wie gestaltbare Materie.
Aus diesen Grundgedanken des "Sichselbstgestaltens" (bis dahin ist man eigentlich kein "richtiger" Mensch) leiten sich dann wohl die einzelnen beauvoirschen Einstellungen ab: Um zur Menschwerdung zu kommen, muß man sich möglichst von allen Zwängen befreien, sich selbst verwirklichen. Da Simone de Beauvoir die Frauen als von den Männern Unterdrückte sieht, ist letzteren der Kampf anzusagen. Zur Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung gehört "natürlich" auch das Tötungsrecht am ungeborenen Kind.
Nach Simone de Beauvoir ist die Welt vom Manne geprägt, die Frau ist dieser Welt ausgeliefert. Mann und Frau befinden sich in einem ständigen Konflikt. Die dem Weiblichen zugeschriebenen Komponenten des Familienlebens und der Mutterschaft bedeuten in praxi Instrumente der Unterdrückung der Frau. Das Abtreibungsverbot behindert, wie gesagt, die Frau in ihrer Selbstbestimmung und versagt ihr ihre vollständige Menschwerdung. Entsprechend dieser Auffassung wird die Frau - makabrerweise - unter anderem erst dadurch zum "richtigen Menschen", daß sie gegebenenfalls die "Menschwerdung" eines noch ungeborenen anderen menschlichen Wesens straflos verhindern darf!
Simone de Beauvoir nahm denn auch in Frankreich an einer der ersten Abtreibungskampagnen teil. Die mitwirkenden Frauen - die allermeisten von ihnen ebenfalls sozial privilegiert und "intellektuell" - bezichtigten sich hierbei der Abtreibung. Sie taten so, als ob es sich dabei - und das gerade bei ihrem Status - um wahre Heldentaten gehandelt hätte.
Georg Friedenberger, Die Rechte der Frauen, S. 17f.
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