Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 2 - 21.05.2006 - 25.10.2012

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Evolutions-Beweise:

Chato, Monday, 30.10.2006, 13:50 (vor 6395 Tagen) @ susu

Guten Tag Susu!

Ich skizziere mal kurz das Problem mit deiner Sicht der Dinge.

Zur Klarstellung: du skizzierst nicht das Problem, sondern dein Problem mit meiner Sicht der Dinge. Nur damit das nachher nicht wieder im Chaos geworfener Nebelkerzen untergeht.

Wenn "Gott" außerhalb der Schöpfung steht und nicht mit ihr wechselwirkt,
dann ist "Gott" ohne Konsequenz für die Schöpfung, kann mir also egal sein.

Selbst wenn das der Fall wäre (conjunctivus irrealis) und dein solcherart vorausgesetzter Gott nicht wechselwirkte, wäre die Konsequenz Gottes für seine Schöpfung dennoch die, das es diese Schöpfung überhaupt gibt. Ich denke, bereits das wäre nicht nur ziemlich viel an Konsequenz, sondern bedeutete schlechthin vollständige Konsequenz. Anders gesagt: Wenn man Gott seine eigene Existenz verdankt, gebührte ihm selbst dann Dank dafür, wenn er sich hernach völlig heraushielte.

Analogie: die Eltern von X sind verstorben, "wechselwirken" also nicht mehr mit ihm, sind aber natürlich dennoch seine Eltern und deshalb höchst 'konsequenzvoll' für X, da es ihn ohne sie ja gar nicht gäbe. Nun gut, sie mögen ihm trotzdem egal sein. Ich weiß, daß diese Haltung nicht nur theoretisch möglich, sondern oft genug traurige Realität ist. Freilich empfände ich Abscheu gegen diesen X und hätte jedenfalls garantiert kein Bedürfnis, mit ihm näher zu verkehren. Warum? Weil ich empirisch sicher wüßte, daß auch ich ihm, wie jeder andere, völlig egal bin, sobald er sich keinen aktuellen Vorteil aus unserer Bekanntschaft verspricht. Solche lieblosen Menschen meidet man tunlichst.

Die Rückkehr von dieser Analogie zu deiner Ausgangsthese würde dann lauten, daß Gott keinerlei Grund hätte, einen Menschen nicht zu meiden, dem er total egal ist. Da du einen hypothetischen Gott unterstellt hattest, der dir gleichwohl egal ist, wäre dein Egalsein für diesen Gott tatsächlich die angemessene Erwiderung auf deinen Einwand, auch wenn er natürlich weniger etwas über Gott, als über dich aussagt. Aber das liegt an deiner eigenen Prämisse.

Interagiert "Gott" jedoch mit der Schöpfung, dann kann seine Existenz gezeigt
werden, entweder als Prinzip (Pantheismus) oder durch den Naturgesetzen
zuwiderlaufende Vorgänge (Wunder).

Erstens weißt du überhaupt nicht - und kannst es aus Prinzip nicht wissen - was Interaktionen Gottes mit seiner Schöpfung sind und was nicht. Du könntest diese folglich a priori gar nicht von Nichtinteraktionen unterscheiden und lieferst somit dein Argument in seiner Substanz der Ungültigkeit aus. Oder weißt du, was sich hinter der Unschärfe und der Unbestimmtheit der Quantenprozesse verbirgt? Etwas lauter bitte! Wie? Du weißt es nicht? Ich auch nicht. Aber ich weiß, daß dein Argument nichts taugt.

Der Pantheismus ist nachzuvollziehen, Wunder hingegen sind nicht belegt.

Der Pantheismus ist nicht nur nicht belegbar, sondern nicht einmal nachvollziehbar, weil er nichts weiter als eben eine leere Chiffre für Unnachvollziehbarkeit ist, ohne weitere, nähere Bestimmung. Ganz zu recht nennt Schopenhauer ihn deshalb "ein mißbrauchtes Wort, einen Unbegriff, eine contradictio in adjecto, ein Schiboleth für Philosophieprofessoren". Schopenhauers treffgenaue Rhetorik gilt nicht umsonst als zum Feinsten gehörig, was auf Deutsch geschrieben wurde.

Anders bei Wundern. Wer eins erlebt, erlebt eins, und wer nicht, nicht. Da ich Wunder erlebt habe, kann mir keiner erzählen, daß es sie nicht gebe. Wunder sind per definitionem Singularitäten. Man kann keine Versuchsreihen planen und Experimente mit Wundern anstellen, sondern sie, wenn überhaupt, allenfalls durch Exklusion natürlicher Ursachen intersubjektiv zu belegen versuchen. Solche Belege gelten völlig zurecht als nicht hinreichend. Freilich ist dies kein Argument für, sondern eines gegen dich, denn gerade der wesenhafte Singularitätscharakter von Wundern macht ihre Nichtbelegbarkeit unbrauchbar als Argument gegen die Vernünftigkeit des Glaubens an Gott. Wir hatten das im Prinzip schon: Die Nichterforschbarkeit des Nichterforschbaren ist kein Beleg für das Nichtsein des Unerforschbaren. Ganz wie du selbst sagtest:

Natürlich belegt die nicht-Beweisbarkeit eines die Realität transzendierenden Gottes
nicht seine Nicht-Existenz. Aber sie zeigt seine völlige Irrelevanz.

Sie zeigt dir seine Irrelevanz für dich, das ist wahr, aber sie zeigt mir nicht seine Irrelevanz für mich. Deshalb ist dies kein intersubjektiv gültiges Argument. Es läßt sich nunmal nicht beweisen, daß etwas nicht sei, was für einen anderen Relevanz hat, weil er es erfahren hat. Zur Frage der Irrelevanz Gottes habe ich im Übrigen das Entscheidende bereits eingangs gesagt.

Es wundert mich übrigens immer, wie sehr du und deinesgleichen der dauernden Bestätigung der Irrelevanz Gottes von dritter Seite her bedürfen, denn mehr als für dich irrelevant kann er für dich schließlich nicht sein. Für mich (und geschätzt 5-6 Mrd. andere Menschen) ist er ja relevant. Aber wenn du es wirklich dermaßen dringend benötigst, dann will ich dir hiermit ganz ausdrücklich und offiziell bestätigen, daß Gott für dich auch mit meiner ausdrücklichen Zustimmung und Billigung wirklich absolut irrelevant ist und, wenn du das möchtest, auch für immer bleibt - und du auch für ihn, was sich ja logisch daraus ergibt und für dich ebenso irrelevant ist. Wenn dir das alles noch nicht reichen sollte, dann könntest du zur allergrößten Not an den Papst in Rom schreiben. Der würde dir bestimmt ebenfalls seine Billigung aussprechen. Mehr Billigung geht dann freilich nicht mehr, denn sonst müßtest du Gott selbst fragen, und den gibt es für dich nicht, weswegen diese allerletzte Absicherung für dich nicht zugänglich ist. Aber auch er würde es ausdrücklich billigen. Er benötigt es nämlich nicht, daß du ihn für existent hältst; das kann ich dir hiermit gerne von ihm persönlich ausrichten.

Bitte erkläre, was "funktionieren" in diesem Zusammenhang bedeutet.

Das Funktionieren des Universums bedeutet, daß es Dauer und Entfaltung hat in der Zeit und in dieser seiner Entfaltung der Logos emergiert, der ihm immanent ist, indem es schließlich Lebewesen hervorbringt, die sich ihrer selbst und der Art der Verbindung ihres Seins mit diesem Logos bewußt werden. Nicht funktionierende (hypothetische, nein, richtiger: imaginäre) Universen wären z.B. nicht unwahrscheinlicher Weise dermaßen ideal flach, wie es das Universum tatsächlich ist, und würden deshalb entweder nach ein paar Mio. Jahren wieder in einer Singularität zusammenfallen, oder aber dermaßen schnell expandieren, daß sich keine Wasserstoffwolken bilden und zu Sonnen verdichten könnten. Oder es würden sich z.B. keine Wasserstoffatome bilden, weil die Elementarladung etwas zu groß oder zu klein oder das Massenverhältnis von Proton und Elektron ein wenig anders ist... usw. usf. Die Zahl der denkbaren Universen, die nicht funktionieren würden, ist unendlich, die Zahl der funktionierenden genau eins. Wer das anzweifelt, der entwerfe hier und jetzt eines mit anderen Werten und weise nach, was dabei herauskommt. Man hat das, wie du möglicherweise weißt, ausführlich getan (was überhaupt nicht schwer ist) und keines gefunden, das funktionieren würde. Sobald man nur eine einzige Fundamentalkonstante ein kleinwenig ändert - zu deiner Beruhigung: stets diesseits der Meßtoleranzen - läuft irgend etwas (und am Ende alles) ganz drastisch aus dem Ruder.

Alle "Fundamentalkonstanten" sind zudem mit Messfehlern behaftet (Ausnahme
ist c). Wäre eine "Feinjustierung" dieser Konstanten notwendig, um ein unserem
ähnliches Universum zu erzeugen, dann dürften diese Fehler aus theoretischer
Sicht nicht existieren. Tatsächlich ist unklar wie die Konstanten entstehen. Aber
sage mir eines Nick, ist nicht ein "Gott der Lücken" noch armseliger, als ein Deus
sine natura?

Das ist wieder einer jener rabulistischen Taschenspielertricks, bei denen ich dich schon wiederholt ertappt und überführt habe - wonach du dann jeweils einige Zeit eisern geschwiegen und die Sache ausgesessen hast wie weiland Helmut Kohl, bis du meintest, es sei genügend Gras über die Sache gewachsen. Ich vergesse so etwas nicht, Susu.

Du weißt haargenau, daß ich hier nicht einen Lückenbüßergott postuliere, sondern du unter der Hand ultraschräge Lückenbüßerphysik ins Spiel zu bringen versuchst. Bei diesen Konstanten geht es eben gerade nicht um irgendeine Lücke, sondern um das Fundament schlechthin, auf dem ALLES beruht. Aber "Lückenbüßergott" ist halt ein populäres Schlagwort, auf das gerade diejenigen garantiert anspringen, die, weil sie besonders wenig wissen, desto mehr der felsenfesten Überzeugung sind, extrem viel zu wissen. Das ist deshalb so übel, weil hier ganz bewußt mit dem Unwissen Schindluder getrieben und statt auf Wahrheit auf "Stimmung" gesetzt wird. So etwas versuchst du immer wieder mal und ruinierst damit natürlich auf die Dauer deine Glaubwürdigkeit. Das funktioniert nämlich nicht unbegrenzt oft.

Die Sensitivität der Fundamentalkonstanten ist erstens keineswegs eine Frage der Meßgenauigkeit der einzelnen Konstante, sondern v.a. eine der wechselseitigen Relationen dieser Axiome. Die prinzipielle Ungenauigkeit der Meßbarkeit ist zweitens ihrerseits ein fundamentales Axiom, das als Konsequenz aus der Quantenmechanik folgt. Es ist schlicht und einfach die Welt selbst, die sich in ihrem Innersten der Meßbarkeit entzieht. Du weißt das. Und das nehme ich dir deshalb übel.

Bizarr auch dieser Hakenschlag: Weil du nicht fehlerfrei messen kannst, soll Gott kein Universum erschaffen können? Geht's noch? Indem du formulierst, daß Gott deine "Meßgenauigkeit" nötig habe, um das Universum zu erschaffen, begibst du dich absichtlich und zum reinen Schein gewissermaßen auf das intellektuelle Niveau eines steinzeitlichen Jägers, für den die Erde eine Scheibe ist, "weil sie evident flach ist, so weit das Auge reicht". Klar leuchtet das jedem unmittelbar ein, der es nicht besser weiß! Dein Einwand ist absichtlich anthropomorph, obwohl dir natürlich bekannt ist, daß die Unschärfebeziehungen mit zu jenen Grenzen der Kausalität zählen, hinter denen die Welt aus prinzipiellen Gründen ins Unerkennbare entweicht.

Zum einen ist es durchaus vernünftig, gegen die Einsicht, daß es vernünftig sei an
Gott zu glauben, zu Polemisieren, weil diese Einsicht nun mal so unvernünftig ist.
Denn: Wer schuf Gott? Es macht Sinn zu sagen: Unsere Erkenntnis hat Grenzen.
Und zum Teil haben wir sogar erkennen können, wo diese Grenzen liegen. Zu
postulieren, es sei vernünftig eine "Erkenntnis" über die nicht der Erkenntnis
zugänglichen Bereiche für wahr zu halten, ist töricht.

Du beginnst mit dem Zirkelschluß, daß deine Polemik vernünftig sei, weil ihr Gegenstand ja "nun mal" so unvernünftig sei - und begründest dies dann ausgerechnet mit der schieren Unvernunft. Die Frage: "Wer schuf Gott?", ist gewiß furchtbar eingängig und extrem populär, besonders für Leute, die nicht tiefer nachzudenken gewohnt sind, hat aber analog in etwa das Niveau der Frage, ob, wenn die Erde eine Kugel wäre, die Leute nicht "unten" auf der südlichen Hemisphäre "alle herunterfallen würden". 'Schaffen' oder passiv 'geschaffen werden' ist - wie jedes Verb (Zeit-Wort!) - eine Kategorie, die jenseits unserer Raumzeit ungültig ist. Sie ist analog der Vorstellung, das Universum sei im Raum erschaffen worden, oder z.B. der gleichfalls populären Frage, was denn "vor dem Urknall" war. 'Geschaffen werden' ist, wie 'entstehen' oder 'werden' oder 'sich entwickeln' oder überhaupt jedes Verb "dort" ohne jenen Sinn, wo nicht Zeit ist, sondern das, was wir Ewigkeit nennen (das Wort "dort" steht bewußt in Gänsefüßchen, weil ebenso alle räumlichen Vorstellungen sinnlos sind).

Man mag sich über die Idee der Ungeschaffenheit Gottes von mir aus vor lauter bierseligem Gegröle auf die Schenkel hauen und sich kindisch darüber freuen, wie unendlich gescheiter man doch ist als diese dummen Christen mit ihrem komischen Gott, weil man schließlich ganz genau weiß, daß auch Gott geschaffen worden sein muß... Tatsache ist und bleibt trotzdem, daß der Kosmos definitiv nicht das Ergebnis irgend einer ihm vorausgehenden Entwicklung, einer Evolution, eines Prozesses, einer "Gottesgeburt" oder sonst irgendeines zeitabhängigen "Geschehens" sein kann, weil Zeit nunmal erst mit der Schöpfung selbst erscheint.

Außerdem ist Zeit als solche in Wirklichkeit keineswegs das, als was sie uns Menschen erscheint, sondern lediglich eine von vier Raumzeitdimensionen, die sich von den drei anderen in ihrem Wesen so wenig unterscheidet, wie sich Länge von Breite und Höhe unterscheidet. Nur können wir uns das eben nicht vorstellen. Analog wäre für ein hypothetisches, 2-dimensionales Wesen in einem Gedankenexperiment ein gewöhnlicher Schuhkarton eine völlig unbegreifliche Begrenzung seiner Welt, aus der es nicht nur nicht entrinnen könnte (so wie wir der Zeit nicht entrinnen können), sondern es könnte auch keine wirklichkeitsgemäße Anschauung darüber bilden, wieso ihm dies nicht möglich ist. Höhe einerseits und Länge (bzw. Breite) andererseits wären für ein solches "Wesen" zwei völlig verschiedene Phänomene - so wie dies bei Raum und Zeit für uns 3-D-Wesen der Fall ist. In Wahrheit handelt es sich bei der Kategorie 'Zeit' um eine Beschränktheit unseres Geistes, eine Kategorie a priori, und nicht um eine Eigenschaft der Welt.

Dem Heiligen Augustinus von Hippo war das alles schon am Ende des 4. Jahrhunderts geläufig und gehört seither zum festen Bestand der Lehre der Kirche. Erst mit Albert Einstein ist das, was der Kirche seit 1600 Jahren bekannt ist, auch wissenschaftlich zur Tatsache geworden. Trotzdem wimmelt es nur so von "aufgeklärten" Schlaumeiern, die zwar von beiden nicht die geringste Ahnung haben, aber mir haargenau erklären wollen, daß ich leider, leider an den Handwerker mit dem langen weißen Bart glaube (ein Einspruch dagegen ist zwecklos, schließlich bin ich Christ und Christen glauben nunmal an Unsinn, weiß doch jeder!), daß aber "die Aufklärung" bewiesen habe, daß es diesen Handwerker nicht gibt. Und dann kommen so die üblichen, leierhaft-eintönigen, altbekannten "Argumente". Das ist auf die Dauer sehr lästig und ärgerlich.

Nun wird sich vielleicht wieder der eine oder andere höchstpersönlich "gemeint" und entsetzlich gekränkt fühlen. Nebbich! Anstatt sein gekränktes Ego zu beweinen und die Empörungsmaschine anzuwerfen, könnte es sich als gescheiter erweisen, ganz allgemein etwas vorsichtiger zu werden mit seinen vorschnellen "sicheren Urteilen" und erst mal in Ruhe zu lesen und zu bedenken, was ein anderer eigentlich genau geschrieben hat und was er sagen will. Anstatt sich wie der Gockel auf dem Mist aufzuführen und zu meinen, der Kosmos unterstünde des Gockels Kommando und die Sonne ginge folglich bloß deshalb auf, weil der Hahn daran gedacht hat, rechtzeitig aufzustehen und zu krähen, könnte man auch ganz sachte die Möglichkeit erwägen, ob es womöglich doch ein paar wenige Dinge gibt, die man noch nicht vollständig durchdacht und verstanden hat. Ich finde es, ehrlich gesagt, ziemlich nett von mir, wenn ich mich hier zu einem Thema so ausführlich äußere, das nicht ich, sondern andere auf's Tapet gebracht haben. Daß das beim einen oder anderen prompt epileptische Anfälle wegen "gefühlter Gewalt" auslöst, erschließt sich mir nicht wirklich. Ist das hier eine Therapiegruppe, oder geht es in einer erwachsenen Sachauseinandersetzung darum, was nun eigentlich wahr ist und was nicht? Dieser Absatz bezog sich nicht auf dich.

Ich werfe einen Würfel. Ich würfele eine 4. Mit dem Zufall läßt sich das nicht erklären,
da die Stichprobengröße 1 ist... De fakto läßt sich mit N=1 gar nichts anfangen, weder ein
Beleg für Zufall, noch für nicht-Zufall.

Ungültiges Argument. Warum? Weil man beim Universum nicht würfeln kann, denn es gibt nur eines, während man beim Würfel so oft würfeln kann, wie man möchte und die Beschränkung auf einen Wurf deshalb ad hoc und willkürlich ist. Wir wissen trotzdem, auch wenn wir nur einmal würfeln, daß jeder einzelne Wurf offen und unbestimmt (also zufällig) ist, während das Universum aus dem entgegengesetzten Grund eben nicht zufällig sein kann.

Dem stimme ich zu, aber niemand will den Glauben verbieten.

Von wegen! Zitat aus dem Spiegelartikel, der Ausgangspunkt der ganzen Diskussion ist: "Organisierte Religionen vergleicht er mit Vergewaltigungen. Wenn es in seiner Macht läge, die Welt von einem dieser zwei Dinge zu befreien, erklärt Harris, dann 'zögerte ich nicht, die Religion abzuschaffen'". Wir kommen aus einem "aufgeklärten" Jahrhundert, das hinter uns liegt, in dem bald die halbe Welt unter Terrorregimen zu leiden hatte, deren Ziel und Tun die Ausrottung des Glaubens gewesen ist. Dieses Ziel ist nicht aufgegeben worden, sondern es bedient sich in Europa anderer Mittel - und in vielen anderen Ländern der alten.

Aber wer glaubt, sollte bereit sein zu erklären warum.

Genau das tue ich doch freundlicherweise die ganze Zeit, allerdings wohlweislich mit angezogener Handbremse, wie ich freimütig einräume, weil ich nämlich erstens keine Lust dazu habe, für Krethi und Plethi deswegen den Watschenaugust zu geben und zweitens deswegen über die inneren, eigentlichen Gründe nicht nähere Auskunft zu geben bereit bin. Es ist nicht unvernünftig, sondern vernünftig, an Gott zu glauben, aber ich glaube nicht an Gott, weil es vernünftig, sondern weil es wunderschön ist. Der Glaube ist für mich einfach Teilhabe an einer unbeschreiblichen Schönheit und Freude und Quelle unkaputtbaren Glücks. Mich kann man, was mein Glück angeht, nicht aus den Schlappen hauen. Glaube ist, wie Dschindschin so schön formuliert hat, einfach eine innere Haltung zum Leben. Nein, man "muß" nicht glücklich sein, keiner kann einen dazu zwingen und es ist tatsächlich das unbestreitbare Recht eines jeden, so unglücklich zu sein, wie er will.

Und ich stelle fest: Es gibt keine objektiven Gründe.

Die kann es nicht geben, weil Gott kein Objekt ist.

Die Welt können wir verstehen, wir brauchen keinen Gott um die Lücken zu füllen.

Wir können die Welt definitiv nicht verstehen, und je tiefer wir, sie verstehend, in ihre Tiefe vordringen, desto deutlicher wird uns das. Es ist deine Sicht, die hilflos versucht, Lücken zu füllen, wo sich gähnende Abgründe aufgetan haben. Der Laplace'sche Traum ist längst, längst ausgeträumt und heute schlicht und einfach reaktionär. Es sind nur sabbernde Opis auf der Parkbank, die ihn noch träumen. Die materialistische Welterklärung ist restlos in sich zusammengebrochen. Das, was sie zum Primären der Welt erhoben hatte, gibt es überhaupt nicht: Materie. Wir können uns nicht einmal ein vernünftiges Bild davon machen. Materie hat sich aufgelöst in einen Tanz von Quanten, in dem sich überhaupt nichts erklären läßt - nicht weil wir's "noch nicht können", sondern weil es prinzipiell unmöglich ist.

Eine Ethik können wir aus philosophischen Aporien entwickeln...

...und feststellen, daß sie nicht funktioniert, sondern sich selbst auflöst. Übertretung der Gesetze gab es immer. Aber es gab eben auch immer die Gesetze. Die zehn Gebote waren unantastbar und das Gebot der Nächstenliebe war eine ständige, unaufhebbare Herausforderung, so sehr es auch mißachtet worden sein mag. Heute gibt es ebenfalls Übertretung der Gesetze, was sonst? Aber die Gesetze erodieren, denn sie passen sich den Übertretungen an und lösen sich damit auf. Abtreibung ist nicht mehr Mord, nicht mal mehr ein "Ärgernis", sonder positiv, etwas Gutes, a good end, während Lebensschützer böse Menschen sind und dieser Begriff in tonangebenden Kreisen schon als Schimpfwort benutzt wird. Aus philosophischen Aporien kann man tolle Gedankengebäude errichten, das stimmt schon, aber selbst wenn sie fast so gut sind wie Gottes Gebote, brechen sie zusammen, sobald der erste Mensch sie dann real betritt. Das ist Empirie und gegen die Tatsachen kann man halt schlecht argumentieren.

Wir können das Glück im Diesseits suchen.

Ja klar, solange halt, bis man tot ist. Und das ist morgen. Und danach kommt die Sintflut? Und überhaupt: was nutzt es, nach dem Glück im Diesseits zu suchen, wenn man's nicht findet, weil die Welt sich in ein Irrenhaus verwandelt hat, in dem der Einzelne nicht nur sein persönliches Glück nicht mehr verteidigen kann, sondern auch nicht mal mehr seinen Verstand, weil die ausgedachte, glückliche Welt in Trillionen Partikel zerspringt und ihren inneren Zusammenhalt verliert?

Und wenn uns jemand einreden will, wir benötigten Gott, so fragen wir: Wozu?

Na, genau deswegen.

Und wenn wir denn Lust haben: Und warum dann Leid?

Na, genau deswegen. Man richtet sich nicht nach den Empfehlungen des Herstellers. Das ist dumm.

Wenn Gott doch allmächtig, allwissend und allgütig ist?

Weil er allmächtig ist, hat er den Menschen geschaffen als sein Gleichnis, das heißt frei. Weil er allwissend ist, weiß er, wohin die Freiheit den Menschen, der nicht Gott ist, unausweichlich führen muß. Und weil er allgütig ist, ist er in Jesus Christus Mensch geworden, damit der Mensch nicht an seiner Freiheit zugrunde geht. Aber seiner Freiheit wegen hat der Mensch das Recht dazu, trotzdem zugrunde zu gehen, wenn er das unbedingt will. Das geschieht jetzt gerade. Und du selbst hast begründet wieso.

Und lautet die Antwort: Unergründlichkeit, so sagen wir "Warum dann glauben?"

Weil man da, wo sich nichts mehr ergründen läßt, nur glauben kann, und man zugrunde geht, wenn man weder ergründen kann, noch glaubt. Du glaubst das nicht? Nicht mein Problem, sondern deines. Du glaubst, daß die Sache anders ausgehen wird? Das weißt du nicht, sondern das ist dein Glaube, der es freilich immer schwerer hat, gegen eine zerfallende Wirklichkeit anzukommen. Was die Zukunft bringt, weiß man, wenn es eingetreten ist. Vorher glaubt man. Auch du. Aber nicht jeder Glaube erweist sich als wahr.

Gruß vom
Nick


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