Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wie souverän und demokratisch ist die BRD?

Mus Lim, Sunday, 07.06.2009, 04:16 (vor 6047 Tagen)

Wie souverän und demokratisch ist unser Land?

Da gibt es zunächst die alte Herrschaftspolitik, die auf den Souverän einer Demokratie, den Bürger, eher verächtlich herabblicken und den Bürgern an liebsten von oben herab mit Gesetzen und Verordnungen dazu veranlasst das zu tun, was die herrschende Klasse wünscht. Dieser Politikstil ist natürlich antifreiheitlich. Eine Zuordnung ist schwierig, da von den alten und neuen Eliten sich kaum jemand offen antidemokratisch gibt und sogar Adel und Königshäuser in Demokratien sich staatstragend geben. Spürbar wird es aber bspw. wenn Konzerne ihre Gewinne in Steuerparadiese transferieren und der Staat gescheiterten Banken großzügig Bürgschaften geben, während der Bürger über Mehrwertsteuer ausgepresst wird. In seltenen Fällen wird es auch sichtbar wie beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm.

Auf bizarrer Weise mischt sich darunter die sozialistische Idee von der „Diktatur des Proletariats“. Unter Alt-68ern und Linksintellektuellen ist eine Geisteshaltung weit verbreitet, die besser zu wissen meint, was gut für das Volk sei und dies müssen wir bspw. mit Dosenpfand und Rauchverboten ertragen. Grüne und Linksintellektuelle knechten das Individuum unter das Kollektiv der Besserwisserei und bevormunden den Souverän.

Es gibt immer wieder Déjà-vu-Erlebnisse, die den Eindruck vermitteln können, dass die Rechte den kaiserlichen Beamten- und Herrschaftsstaat und die Linke den sozialistischen Bevormundungs- und Funktionärsstaat noch nicht überwunden haben. Symbiotisch verbinden beide Strömungen den Charme des antidemokratischen Kaiserreich und der unemanzipierten DDR[1] gewürzt mit einem Schuss Politikerinkompetenz aus der Weimarer Republik.

Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt, mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren versuchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“ [2]

Auf öffentlichkeitswirksamen Reden schwärmen Politiker gerne von dem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat. Was dieser Rechtssstaat im Familienrecht bewirkt, wurde im ersten Kapitel schon beleuchtet. Was die Politiker nicht öffentlich sagen, ist, dass sie entgegen dem Böckenförde-Diktum die Voraussetzungen für den Staat gerne selbst schaffen möchten. Dabei tendieren konservative Vertreter eher für einen wilhelmischen Obrigkeitsstaat, die „durch die Institutionen marschierten“ Vertreter der 1968 eher für eine sozialistische Diktatur. Wie ähnlich diese beiden Ansätze sind, bemerken beide Flügel wohl selbst nicht. Tatsächlich ist die BRD kein verfasster demokratischer Staat. Unsere Staatform wurde von den Alliierten installiert und nicht etwa vom deutschen Volk in freier Selbstbestimmung beschlossen. Laut Völkerrecht ist ein Grundgesetz ein „Provisorium in einem militärisch besetzten Land“. Über dem deutschen Grundgesetz steht der Alliiertenvertrag. Über einer echten Verfassung steht hingegen nichts und wird einzig durch den freien Willen eines freien Volkes legitimiert. Mit Souveränität hat das GG also nichts zu tun. Wenn deutsche Politiker also das bundesdeutsche Grundgesetz als Verfassung verkaufen, belügen sie das Volk. Mit dem Anschluss der DDR an die BRD gab es einen Anlass, dass sich das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung eine Verfassung gab. Offensichtlich halten die Allierten das deutsche Volk nicht reif ist, seine Rolle als Souverän in verantwortlicher Weise wahrzunehmen. Und die deutschen Politiker belügen ihr Volk und faseln davon, dass sich das Grundgesetz „bewährt“ habe und „unsere Verfassung“ sei.[3] Es gibt aber keine Souveränität ohne einen Akt der Souveränität, es gibt auch kein demokratisches Staatswesen ohne Volk als Souverän. Die deutsche Politikerkaste stellt sich gegenüber dem Ruf „Wir sind das Volk!“ immer noch taub.

Diese viele Worte waren notwendig, um zu belegen, dass der „Fisch vom Kopf her stinkt“, und zwar von ganz oben. Mit der Souveränität ist es beim Grundgesetz nicht weit her und die Souveränität der Familien ist bei einer Scheidungsrate von 50% mehr als gefährdet. Und ein Mensch, der von staatlicher Grundsicherung lebt ist mehr vom Staat abhängig als er Souverän des Staates ist. Damit sind wir beim Thema, der Familie. Der Mensch kommt ja nicht als demokratischer Bürger auf die Welt, sondern muss von demokratisch gesinnten Eltern dazu erzogen werden. Dort in der Familie entsteht die Basis für unser demokratisches Gemeinwesen und gerade diese Familie wird von der Politik zugrunde gerichtet.

Paul Kirchhof lehnt sich in dem von ihm formulierten Diogenes-Paradoxon an das Böckenförde-Dilemma an, bezieht sich dabei stärker auf die demografische Entwicklung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Sofern dem Staat Gestaltungsspielräume tatsächlich gegeben sind, muss er den Schutzauftrag für Kinder und Familie mit oberster Priorität umsetzen. Dies erfordere nicht in erster Linie die Verfassung, dies erfordern die vitalen Interessen eines jeden Gemeinwesens. Er sieht die Gesamtheit der Bürger zum Handeln aufgerufen und warnt vor einseitigem Vertrauen auf individuell zugängliche, materielle Werte:

„Der Staat weiß, dass er darauf angewiesen ist, auch in Zukunft junge demokratiefähige Bürger zu haben. […] Dieses Angewiesensein des freiheitlichen Staates auf die Annahme eines Freiheitsangebots durch den Einzelnen gilt auch für die Freiheit von Ehe und Familie. Der Staat baut darauf, dass wir auch in Zukunft viele Kinder haben, die diesen Kulturstaat tragen, dieses Wirtschaftssystem am Leben halten, diese Demokratie mit Inhalt und Gedanken füllen. Dennoch gibt der freiheitliche Staat die Entscheidung für oder gegen die Ehe und die Familie selbstverständlich in die Hand der Berechtigten.“ [4]

Es stellt sich die dringende Frage, wieviele Politiker sich bewusst sind, dass die Zukunft unserer Demokratie, unseres Kulturstaats und unseres Wirtschaftssystems von den Kindern abhängt, die in unseren Familien aufwachsen. Es reicht nicht aus, Kinder in der Schule ein wenig in Demokratie und Staatslehre zu unterrichten. Kindern muss die demokratische Gesinnung ihrer Eltern in der Familie vorgelebt werden. In dem der Staat also die Familien schützt, schützt er sich selbst.

Genderismus ist nicht demokratisch legitimiert
Der Begriff Gender Mainstreaming bezeichnet also den Versuch, die Gleichstellung der Geschlechter auf allen gesellschaftlichen Ebenen durchzusetzen. Erstmalig wurde der Begriff 1984 auf der 3. UN-Weltfrauenkonferenz in Nairobi diskutiert und später auf der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking propagiert. Der Amsterdamer Vertrag machte 1997/1999 das Konzept zum offiziellen Ziel der Gleichstellungspolitik der Europäischen Union.[2]

Als Rechtsgrundlage gibt Wikipedia an: „Sowohl im internationalen Recht als auch im nationalen Verfassungsrecht und in Bundesgesetzen in Deutschland ist aktive Gleichstellungspolitik verankert, die im Sinne des Gender Mainstreaming interpretiert wird.“

Auffallend ist: Von einer demokratischen Legitimierung findet sich nichts. Überhaupt nichts, nirgendwo. Und das in einer Demokratie! Genderisten haben den Begriff Gender auf internationalen UN-Konferenzen und in der EU-Bürokratie etabliert. Mit dem Amsterdamer Vertrag wurde die Gender-Ideologie zur Grundlage der Gleichstellungspolitik der Europäischen Union und in Deutschland wurde Gender Mainstreaming mit einem Verwaltungsakt installiert und bestimmt seitdem maßgeblich alle Ebenen der Politik.

Die Gender-Politik wurde weder im Parlament diskutiert noch wurde der Souverän, die Bürger, dazu befragt. Die Gender-Ideologie wurde also undemokratisch am Bürger vorbei installiert. Die Politik mutet dem Bürger also zu, die Gender-Ideologie wie eine vom Himmel gefallene Religion zu akzeptieren.

Gemeinhin gilt das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland für die Grundlage unsers Staatswesens. Dort heißt es in Artikel 3:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechts […] benachteiligt oder bevorzugt werden.

Es fällt auf, dass im Text weder von einer Gleichheit von Menschen (auch nicht von Mann und Frau) die Rede ist (es heißt: „vor dem Gesetz (!) gleich“) noch Gender Mainstreaming gefordert wird.

Es darf bezweifelt werden, dass die Urheber des Grundgesetzes ein Geschlechterverständnis im Sinne des Gender Mainstreaming im Sinn hatten. Es darf auch bezweifelt werden, ob ein in einem bestimmten Sinne verfassten Gesetzestext im Sinne des Gender Mainstreaming interpretiert werden darf.

Es dürfte dem demokratischen Rechtsstaat widersprechen, wenn das Grundgesetz an den demokratischen Gesetzgebungsinstanzen vorbei via Interpretation in seinem Wesen verändert wird.

Die Implementierung des GM hat in Deutschland keine demokratische Legitimierung. Gender Mainstreaming wurde 1984 auf der 3. UN-Weltfrauenkonferenz in Nairobi diskutiert, 1995 auf der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking propagiert und via Amsterdamer Vertrag 1997/1999 über die Europäische Union auf bürokratischem Wege in Deutschland eingeführt.

Feminismus und Genderismus sind also über internationale und europäische Institutionen quasi durch die Hintertür am deutschen Souverän, dem Bürger vorbei ein prägender Bestandteil der Politik geworden. Feminismus und Genderismus haben sogar ein eigenes Ministerium, das „Ministerium für alle außer Männer“. Derart staatstragend geworden, ist dieser Politikstil, der in Frauen permanent und ausschließlich Opfer und in Männern permanent Täter sieht, nicht mehr allein dem Feminismus zuzuordnen.

„Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass der Präger des Begriffes Gender ein Arzt war, der eine operative Geschlechtsumwandlung an einem Jungen vornahm und diesen damit schließlich in den Selbstmord trieb.“ [5]

[1] Ironisch wird von einer DDR 2.0 gesprochen, wenn durch Sicherheitsgesetze und Internet-Zensurversuche der Eindruck entsteht, dass die BRD zu einer verbesserten DDR entwickelt wird.
[2] Ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht Ernst-Wolfgang Böckenförde, in: „Staat, Gesellschaft, Freiheit“ 1976 (S. 60)
[3] Das Grundgesetz oder unsere Verfassung, „Das Grundgesetz ist das erste Gesetz der Bundesrepublik.“; 60 Jahre Grundgesetz: Das ist die beste Verfassung Deutschlands, Die Welt am 22. Mai 2009
[4] Paul Kirchhof, in: „Wollen wir eine im Erwerbsleben sterbende oder im Kind vitale Gesellschaft sein?“
[5] Michael Klonovsky


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