Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Stahlbaumonteure der Irokesen

pappa_in_austria, Sunday, 01.03.2009, 15:38 (vor 6143 Tagen)

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http://www.andriankreye.com/MohawkIronWorkers.html

HIMMELSLÄUFER ÜBER DER STADT

Die Stahlbaumonteure vom Irokesenvolk der Mohawks
haben die Skyline von Manhattan hochgezogen, Brücken über
die Flüsse gespannt und Ground Zero aufgeräumt.

© Andrian Kreye

New York im August - Höhenangst hin oder her, steht man auf einem jener rostroten Stahlgerippe, das einmal ein Hochhaus werden soll, ganz oben und blickt dann ohne den Schutz einer Mauer oder Balustrade über die Bodenkante nach unten, dann zieht für einen kurzen Moment diese Urangst durch die Magengrube, die uns schon seit Anbeginn der Menschheit davon abhält, Bergwände und Schluchten hinabzustürzen. Instinktiv weicht man zurück, versucht den unmittelbaren Horizont wieder auf überschaubare Augenhöhe zu bringen, um sich dann mit ein wenig Überwindung wieder nach vorne zu wagen. Gedämpft brandet der Straßenlärm aus der Tiefe, von dort unten, wo die Autos und Passanten nur noch als Schemen und Punkte durch das Netz der Straßen manövrieren.

Für Kyle Beauvais gehört dieser Blick als Stahlbaumonteur in Manhattan zum Alltag. 40 Jahre ist er alt, ein Meter zweiundneunzig groß, Angehöriger des Irokesenvolkes der Mohawks aus dem Kahnawakereservat bei Montreal in Kanada. Beauvais hat das Kreuz eines Gewichthebers, den Haarschnitt eines Infanteriesoldaten und den Teint eines Surfchampions. Das trifft auch ungefähr die Aura seines Alltages, denn Stahlbaumonteur ist eine eher prosaische Berufsbezeichnung für einen Job, der so anstrengend ist wie Hochleistungssport, zu den fünf gefährlichsten Berufen der Welt gehört und im ganzen Land von niemandem so beherrscht wird, wie von der eingeschworenen Gemeinde von Spezialisten, die sich aus den vier Mohawkreservaten an der amerikanisch-kanadischen Grenze rekrutieren und von Großbaustelle zu Großbaustelle über den Kontinent ziehen.

In New York sind die Mohawk Iron Workers Legende. Offiziell sind die Helden der Stadtgeschichte natürlich die Politiker, Planer und Architekten, also die Machtmenschen, Visionäre und Genies, aber die effektive Arbeit haben die Mohawks gemacht. Die haben die Skyline hochgezogen, die Brücken über die Flüsse und die Highways über die Viertel gespannt. Skywalkers nennt man sie hier - Himmelsläufer. Weil sie ihre Arbeit in buchstäblich schwindelerregender Höhe verrichten und dabei auf Balken und Trägern balancieren, die manchmal nicht breiter sind als fünfzehn, zwanzig Zentimeter. Dass die Mohawks von ihrer Veranlagung her keine Höhenangst kennen, ist allerdings reine Legende. "Natürlich haben wir Angst", sagt Kyle Beauvais. "Wir können nur offensichtlich besser damit umgehen." Wenn er dann allerdings mit seinen Arbeiterstiefeln und seinem schweren Werkzeuggurt ohne Sicherung und Halt in der Höhe des zehnten Stockwerkes über einen der Stahlträger balanciert, da draußen den Kopf in den Nacken legt, den nächsten Träger greift, der am Stahlseil des Krans baumelt, die Tonnenmasse Stahl in Position wuchtet und dann mit zwei mächtigen Schrauben andockt, wirkt das Abwiegeln wie prahlerische Koketterie. Der Mann hantiert mit seinen halbmeterlangen Schraubenschlüsseln auf dem schmalen Grat über dem Nichts mit einer breitbeinigen Selbstverständlichkeit, als hätte er eine ganze Theaterbühne zur Verfügung.

Kyle Beauvais ist ein "Connector". Das ist in der Choreographie der Bauarbeiterkompanien, die in New York auf dem engen Raum einer Bauparzelle ganze Türm in den Himmel ziehen eine Art Primaballerina. Auf jedem Bauabschnitt bildet er die Speerspitze, ist er derjenige, der den jeweils nächsten Stahlträger in das Gerippe einfügen, die einmal Wände, Böden, Glasflächen, Aufzugsschächte, Büros und Wohnungen tragen.

Je weiter die Arbeit voranschreitet, desto mehr erfüllt es ihn mit Stolz, wenn er das Gebäude wieder einen Schritt weiter in den Himmel getrieben hat. Was als lärmendes Chaos in der Baugrube beginnt, wird mit den Wochen zunehmend lichter und stiller. Es ist nicht nur diese archaische Befriedigung, ein Haus zu bauen. Die Mohawk Skywalkers trotzen dem Himmel über der Stadt mit jedem Turm ein wertvolles Gut ab. Denn Licht und Stille sind Rohstoffe, für die man in Manhattan teuer bezahlen muss. Unten in den Straßenschluchten müht sich das Volk, das so genannte Rattenrennen der New Yorker Arbeitslebens zu überleben. Wer aber mit seinem Büro, seiner Wohnung oder gar seinem Penthouse über die Licht- und Schallgrenze der Stadt gestiegen ist, wer freien Blick über das Häusermeer, über die Flüsse und die angrenzenden Vororte hat, der ist ganz buchstäblich oben angekommen. Kein Wunder also, dass Montage auf den Wolkenkratzern in Manhattan nicht nur am besten bezahlt wird, sondern bei den Stahlbaumonteuren auch das größte Ansehen genießt.

Deswegen ist auch Kyle Beauvais auf seine Art ganz oben angekommen, auch wenn er weit weg von Manhattan in einem der dreistöckigen Reihenhäuser von Bay Ridge nur ein kleines Apartment bewohnt. Bay Ridge ist ein Einwandererviertel weit im Süden von Brooklyn. Hier leben Araber, Juden, Iren, Italiener, Chinesen und die meisten Mohawks der Stadt. Hier kann man bei Ostwind das Meer riechen und die Skyline von Manhattan lässt sich abends hinter dem Schimmer am Horizont höchstens erahnen. Ab vier, halb fünf Uhr nachmittags treffen sich die Mohawk Ironworkers dort im Killhaney's, einem irischen Pub mit einem Billardtisch, einer Jukebox voller Countrymusik und Bildern von Baseballteams, Feuerwehrmannschaften und den Zwillingstürmen hinter der Bar.

Gegen sechs Uhr hängt gut ein gutes Dutzend Mohawks um den Tresen. Sie rauchen Zigaretten, weil sich hier in der Gegend kein Mensch um das Rauchverbot schert, trinken Budweiser Bier aus der Flasche und vertilgen Hot Dogs und Hamburger, die die Barkeeperin Lisa auf einem Klapptisch aufgebaut hat, weil sie weiß, dass kaum einer der Jungs eine Familie hier hat, die ihnen ein Abendessen kochen würde. Stahlbaumonteure sind Wanderarbeiter, die manchmal für Monate in einer fremden Stadt leben müssen, das geht nicht mit Anhang. Wenn möglich, fahren sie am Wochenende heim nach Kahnawake, von New York aus sechs Stunden mit dem Auto nach Norden, in das Mohawkreservat kurz vor Montreal.

Dort hat die Tradition der Mohawk Iron Workers auch begonnen. "1882 kam die Eisenbahngesellschaft von der Canadian Pacific Railroad nach Kahnawake und hat eine Brücke über den St. Lawrence River gebaut", erzählt Kyle Beauvais, als ob er sich selbst noch daran erinnern kann. "Als die ersten Brückenbögen standen, haben sie eines Abends gesehen, wie ein paar Mohawks da unbekümmert herumgeklettert sind. Da haben sie sich gedacht, warum lassen wir die nicht arbeiten." Vor den Jobs in luftiger Höhe hatten die meisten Eisenbahnarbeiter sonst einen Heidenrespekt, und wenn es den Indianern so offensichtlich nichts ausmachte, lag es nahe, sie für die gefährliche Arbeit einfach anzuheuern.

"Fünf Generationen Mohawks arbeiten jetzt schon als Stahlbaumonteure", sagt Kyle Beauvais stolz. Er selbst gehört zur vierten. "Von den fünfhundert Familien in Kahnawake haben bestimmt vierhundert irgendjemanden auf dem Bau." Es gibt natürlich auch welche aus den anderen Mohawkreservaten, aus Oka, Kanesatake und Akwesasne. Aber die Monteure aus Kahnawake haben natürlich den besten Ruf. Ehrensache. Und Tradition.

[img|left]http://www.andriankreye.com/lunchcrossbeam.jpg[/img] Meist wird die Tradition innerhalb der Familie vererbt. Kyle Beauvais Großvater Joe Jocks war zum Beispiel schon Stahlbaumonteur und hat an einigen der berühmtesten Gebäude von Manhattan gearbeitet. Ob man ein Foto sehen will? Kyle Beauvais deutet ins Halbdunkel hinter dem Billardtisch. Dort hängt Lewis Hines berühmtes Foto von 1928, das elf Bauarbeiter zeigt, die auf einem freihängenden Stahlträger des Rockefeller Center sitzen und Mittagspause machen. In New York gibt es Postkarten und Poster davon in jedem Souvenirladen zu kaufen. "Mein Großvater ist der Vierte von links", sagt er und versucht seinen Stolz mit einem beiläufigen Ton in der Stimme zu überspielen.

Joe Jocks gehörte zu jener legendären zweiten Generation, die auf all den Baustellen arbeiteten, aus denen dann die Baudenkmäler des 20. Jahrhunderts wurden. "Sein erster Job war das Empire State Building, sein letzter das World Trade Center", sagt Kyle Beauvais. Außerdem war beim Bau der Golden Gate Bridge dabei, beim Rockefeller Center, und weil die Mohawks damals nicht nur in Amerika, sondern auch weltweit die Besten waren, arbeitete er an Wolkenkratzern in so fernen Städten wie Istanbul, Rom und Caracas.

Die Zeiten, als Bauherren aus aller Welt die Mohawks engagierten sind zwar vorbei. Es gibt auch nur noch selten Gebäude, die den Rang eines Empire State Building oder einer Golden Gate Bridge erlangen. Trotzdem gesteht Kyle Beauvais ein, dass es ihn jedes Mal mit Stolz erfüllt, wenn er durch Manhattan geht. Da sind die Gebäude die sein Großvater, Vater, seine Onkel, Bekannten und Freunde gebaut haben. Und da sind die Türme, auf denen er selbst gearbeitet hat. Das Bloomberg Building zum Beispiel, das verspiegelte Time Warner Center am Columbus Circle, bei dem auch sein Bruder mit dabei war, und zum hundertsten Jubiläum der Brooklyn Bridge hat er mitgeholfen, die Trägerkabel zu erneuern.

[img|left]http://www.andriankreye.com/mohawk.jpg[/img] Vierundzwanzig Jahre arbeite er jetzt schon am Bau. Nie habe er daran gezweifelt, dass er einmal Wolkenkratzer bauen würde. "Das bekommt man in Kahnawake schon als Kind mit auf den Weg. Wenn die Väter und Großväter am Wochenende nach Hause kommen und von ihren Abenteuern da draußen erzählen." Die Geschichten von den Baustellen und Städten müssen auf die Mohawkkinder wie Märchen aus einer verzauberten Welt wirken. Kein Wunder. Das Reservat von Kahnwake ist nicht mehr als ein heruntergekommenes Arbeiterviertel am Stadtrand von Montreal, eine jener Gegenden, durch die Stadtverwaltungen Highways, Pipelines und Hochspannungsleitungen legen, weil die in der Tristesse der Industrieviertel nicht weiter stören und die Bewohner der Sozialbaublocks, Wohnwagenparks und bescheidenen Wohnviertel zu wenig Macht haben, um sich zu wehren. Im Fall der Reservate kommt erschwerend hinzu, dass die Stammesverwaltungen meist auf jeden Pfennig angewiesen sind, den ihnen die Regierung anbietet.

Auch Kyle Beauvais zog es dann schon früh in die Ferne. Nach New York, wo die meisten anfangen. Mit einer Lehre bei einer der großen Gewerkschaften. Drei Jahre lang müssen die Aspiranten dann die niedrigen Arbeiten für die Hälfte des Stundenlohnes verrichten. Kyle Beauvais hat damals in seinem Auto geschlafen oder auf dem Boden von Freunden und Kollegen. "Ganz langsam arbeitet man sich dann nach oben", sagt er. Und ganz unbescheiden: "Jetzt bin ich einer der besten und bekommen die Top Jobs."

Die vier, fünf Lehrlinge, die sich immer wieder neugierig um ihn scharen können von solchen Jobs nur träumen. Meistens bekommen sie auf den prestigeträchtigen Baustellen in Manhattan erst einmal gar keine Arbeit. Mike, ein stiller Junge, der schon eine Karriere als Soldat bei den US Marines hinter sich hat, muss zum Beispiel in den U-Bahnschächten von Brooklyn Stahlträger auswechseln. Sein Kumpel Steve renoviert derzeit in Queens ein Amtsgebäude. Wenigstens müssen sie nicht in Autos schlafen. Über dem Pub liegen zwei Wohnungen, in denen Lehrlinge und Mohawks auf Durchreise für wenig Geld wohnen können.

Bei all den Geschichten, wie hart das Leben auf Montage ist, schleicht sich übrigens bei keinem ein Klageton ein. Im Gegenteil. Mike gibt damit an, dass er nach jeder Schicht im Schacht eine ganze Ladung Ruß und Öl ins Taschentuch schneuzt. Steve schwärmt von dem antiken Müll, den sie in den Ritzen des alten Bauwerkes finden. Und selbst als Kyle Beauvais mit verkniffener Miene seinen Ellbogen knetet und erklärt, dass man höchstens fünf, sechs Jahre zu den Besten gehören kann, weil dann der Verschleiß den Körper ruiniert hat, schwingt noch ein kräftige Portion Machismo in seiner Stimme. "Als erstes geben die Knie auf", sagt er. "Kein Wunder - mein Werkzeuggürtel mit dem Stabeisen und den Schraubenschlüsseln wiegt fünfundsechzig Pfund." Es gibt zwar jetzt diese modernen, ergonomischen Schulterhalfter, das würde Kreuz und Knie schonen. Aber kein Mohawk würde sich mit so einem Ding blicken lassen. "Das sieht ja aus wie Hosenträger", schnaubt er verächtlich.

[img|left]http://www.andriankreye.com/mohawkhero.jpg[/img] Dieser Machismo kommt nicht von ungefähr. Immerhin wurden die Mohawks von den Weißen nie besiegt. "Wir haben vielleicht ein paar Schlachten verloren, aber niemals den Krieg", sagt Kyle Beauvais Freund Jason Diabo, ein Mann mit mächtigen Pranken, der ein übergroßes T-Shirt mit einem Indianersymbol trägt. Die letzte Schlacht ist auch nicht einmal so lange her. 1990 eilten die Mohawks von Kahnawake ihren Brüdern im Reservat von Oka zu Hilfe, weil die einen alten Indianerfriedhof retten wollten, auf den ein Golfplatz gebaut werden sollte. Über zwei Monate belagerten Einheiten der kanadischen Armee das Reservat damals Viereinhalb Tausend Soldaten gegen 53 Mohawks. Eine ganze Panzerbrigade wurde damals vor dem Reservat stationiert. "Die haben uns nicht kleingekriegt." Er habe damals den Bagger gestohlen, der dann wochenlang als Barrikade vor der Brücke zum Ortseingang stand. Jason Diabo grinst verschmitzt und deutet zum Spiegel hinter der Bar. Da pappt ein Aufkleber mit einem Irokesenkopf in einem gelben Stern auf orangenem Grund. Das Symbol der Mohawk Warriors, die den Aufstand damals anzettelten.

Nein, übers Ohr hat man die Mohawks damals gehauen. Mit Pachtverträgen über 99 Jahre, weil die Weißen damals dachten, dass bis dahin sowieso kein Indianer überlebt. Vor zwanzig Jahren liefen dann die ersten Verträge aus. Das hat die Bundesregierung schon Milliarden gekostet. Auch einige der Irokesenvölker hätten schon kassiert. Kasinos gebaut und Fabriken.

Das Verhältnis zum weißen Amerika und Kanada war deswegen schon immer auf beiden Seiten voller Argwohn. Keiner traute dem anderen über den Weg. Nur Feinde von außen konnten diese Kluft überbrücken. Von ihrer Tradition her waren die Mohawks immer die Krieger der sechs Irokesenvölker gewesen, meldeten sich dann später oft zum Wehrdienst bei den Weißen. Für die Stahlbaumonteure hat dann der 11. September die Kluft geschlossen. Kyle Beauvais erinnert sich noch gut an den Tag. Gleich nach dem Einsturz seien sie damals nach Ground Zero geeilt. Sein Onkel habe ihm das so gut wie befohlen. Den hatte er damals gleich in Kahnawake angerufen. Seinen Onkel Walter, der die Zwillingstürme mit seinem Großvater aufgebaut und später die Oberaufsicht über die Antenne des Nordturms gehabt hatte. Der sei vor Wut ganz außer sich gewesen und wäre fast selbst gekommen, wenn er mit seinen siebzig Jahren nicht schon zu schwach gewesen wäre.

Drei Tage und Nächte habe Kyle Beauvais da erstmal durchgearbeitet. Sei über die glühenden Schuttberge gestiegen, habe nach Überlebenden gesucht, habe mit Eimern gegraben, unter den Stahlträgern gewühlt, habe in Notzelten geschlafen. Nicht einen Überlebenden hätten sie gefunden. "Aber Tote. Hunderte. Das hat man sonst nie erfahren." Da seien Menschen nach dem Einschlag aus den Flugzeugen geschleudert worden, die hätten sie noch eine halbe Meile weiter gefunden. An den Fassaden hätten die geklebt. "Und dann all jene, die gesprungen sind." Unter einem Stahlträger hätten sie gleich fünfzig Leichen gefunden. Nur von den Menschen in den Türmen sei nicht übrig geblieben. Während er das erzählt fixiert sich sein Blick irgendwo im Nichts hinter dem Tresen. Seine Backenknochen krampfen sich zusammen.

Vier Monate habe er da unten gearbeitet. "Das kann sich kein Mensch vorstellen", sagt er. "Diese Hitze. Die Feuer haben ja wochenlang gebrannt." Einen Monat nach dem Anschlag hätten sie immer noch Stahlträger geborgen, die rot glühten. Selbst die besten Arbeitsschuhe seien da einfach durchgeschmolzen. Alle paar Tage hätten sie Neue gebraucht. Zum Glück hätte es genug Spenden gegeben. "Nur die Cops", hebt er an. "Diese verdammte Polizei. Standen nur rum und ließen sich dann feiern. Von denen ist keiner mit auf diese grauenhaften Berge gestiegen." Er beißt sich auf die Lippen. "Wir Stahlarbeiter haben da unser Leben riskiert. Kein Mensch hat davon geredet. Nur die Feuerwehr, die waren da jeden Tag an unserer Seite." Auch bei der Prügelei mit den Cops, denn als die sich dann auch noch bei den gespendeten Stiefeln und Arbeitskleidern bedienten, gab es richtig Ärger.

Ein dicker Tränenschleier überzieht Kyle Beauvais Augen, als er von dem Streit mit den Cops erzählt. Die Wut scheint ihn noch heute zu schütteln. Aber dann scheint es, als ob die Wut doch nur die Erinnerungen unter Verschluss halten soll. "Das Schlimmste war nach der Arbeit durch die Straßensperren zu gehen", sagt er ganz leise. "Die Menschen die da warteten und einem Bilder entgegenhielten. Ob man ihre Lieben da unten gesehen habe. Oder wenigstens gefunden."

[img|left]http://www.andriankreye.com/ironworkerssunset.jpg[/img] Er schüttelt den Kopf "Lass uns von etwas anderem reden", sagt er schließlich und äugt vorsichtig zu den anderen, bevor er sich die Träne aus dem Augenwinkel wischt. Er bestellt uns noch ein Bier. Auf seine Rechnung. Ehrensache. Und als er dann erzählt, dass er ja jetzt den verhassten Cops einen Büroturm über das Neunte Revier baut, schwingt auch schon wieder dieser Stolz in seiner Stimme. Zwölf Stockwerke hoch wird das neue Gebäude über dem sonst her niedrig bebauten East Village thronen. Von der Straße aus würde man das aber kaum bemerken. Sie hätten die alte Fassade bewahrt, und so wird er seine jüngste Arbeit bald im Fernsehen sehen, denn das Neunte ist wahrscheinlich das berühmtest Polizeirevier der Stadt. Der glatzköpfige Leutnant Kojak tat hier in seiner Fernsehserie Dienst, und die wackeren Detektive der Serie NYPD Blue. Man kann ja nicht mit jedem Gebäude gleich die Skyline verändern.


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