Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Etwas fehlt noch, Max

Chato, Saturday, 07.02.2009, 05:12 (vor 6164 Tagen) @ Pööhser Frauenfeind

Guten Morgen Peter!

Da hast du natürlich recht. Du sprichst von einem Reifungsprozess, der seine Zeit braucht.

… der seine Zeit braucht – und nie endet, solange man lebt. Ja, davon spreche ich. Eigentlich immerzu und fast nur davon.

Es gibt aber zwei Kategorien von Menschen, und zwar genau zwei. Da sind diejenigen, die
gern im Gleichschritt marschieren, und dann gibts noch diejenigen, die das nicht gerne tun.
Es gibt diejenigen, die sich, wenn nötig, nicht als Selbstzweck, gegen eine Mehrheitsmeinung
stellen, und diejenigen, die sich nach ihr richten.

Wobei diejenigen, die der Mehrheitsmeinung folgen, dringend auf die angewiesen sind, die sich ihr aus tieferer Einsicht entgegenstellen. Wenn das ausfällt, so wie das heute meist der Fall ist, rennt die ganze Herde wieder einmal in den nächsten Abgrund. Total begeistert natürlich und felsenfest überzeugt, das Richtige zu tun. Schließlich ist man sich ja so herrlich einig und was sogar der Nachbar genauso macht, das kann einfach nicht verkehrt sein…

Jetzt aber weg von diesem Dummerle zu einer etwas interessanteren Grundsatzdiskussion:

Das Dummerle ist halt ziemlich repräsentativ :-)

Ich sehe mich in unserer Zeit, der Zeit der Post - oder Altachtundsechziger mit dem Phänomen
konfrontiert, dass sich das Etablishement, die etablierten Meinungsführer, diejenigen, welche
die Diskurshoheit in Sachen Gesellschaftspolitik erlangt haben, dass sich diese Leute selbst als
die Rebellen darstellen und wahrscheinlich auch wahrnehmen. Sie sehen sich in ihrer grotesk
verzerrten Wahrnehmung als die Aussenseiter, die einige von ihnen vielleicht tatsächlich mal
waren, im Kampf gegen eine reaktionäre gesellschaftliche Übermacht, die ihnen die notwendigen
Reformen verwehrt. Dabei sind dies mittlerweile, 41 Jahre nach 1968, nichts als tradierte
Vorstellungen, die mit der Realität eigentlich nicht mehr viel zu tun haben.

Die hatten schon damals nichts mit der Realität zu tun, Peter. "68" war ein irrationaler, globaler Jugendkult von verwöhnten Wohlstandsnarren, der gut 200 Jahre alte Wurzeln hat und auf einem durch zwei Weltkriege und eine kommunistische Weltrevolution gründlich umgepflügten Acker stattfand, den hernach keiner mehr bestellte und auf dem auch niemand mehr etwas aussäen konnte. Natürlich blüht dann überall das Unkraut und schießt in die Höhe.

"68" ist wesentlich von der Musik jener Jahre getragen, in der der hohle Pathos eines "irgendwie" gefühlten Freiheitsdranges unter Umgehung des Verstandes und des Wachbewußtseins direkt die Seelen umprogrammierte und global gleichschaltete. "68" kam gewissermaßen "auf Schallplatte" zur Welt. Das hatte es so zuvor noch nie gegeben: Alle denken dasselbe, obwohl nicht ein einziger etwas denkt.

Diese subtile seelische Konditionierung sitzt bis heute sehr, sehr tief und wird bei den meisten fraglos bis ins Siechenheim anhalten. Da ist man dann halt die Avantgarde beim freien und selbstbestimmten Sterben, die gegen eine "reaktionäre Jugend", die das nämlich womöglich nicht bezahlen möchte, einen "Befreiungskampf" führt (Kunststück natürlich – wie immer! – hat man dann doch die absolute Stimmenmehrheit, gegen die keine politische Bewegung ankäme). Die Sache wird m.E. zwar ganz anders ausgehen, aber in diese Richtung bewegt sich die kollektive Vorstellungswelt dieser lebenslangen Berufsjugendlichen.

Hast du dich schon mal gefragt, warum die 68 - er geradezu obsessiv spezifische Probleme von Lesben
und Schwulen in den Fokus ihrer politischen Diskurse stellen ?

Na klar.

Die Antwort ist: Sie sind einerseits bestrebt, ihre verzerrte Eigenwahrnehmung, ihr verschrobenes
Selbstbild, ihr Selbstverständnis des mutigen Rebellen und gesellschaftlichen Aussenseiters zu wahren.
Die Thematisierung der Homosexualität bietet die besten Vorraussetzungen, um sich abzugrenzen.

Sofern sie homosexuell sind, stimmt das natürlich auf jeden Fall. Der Grundimpuls von "68" war ganz abstrakt ausgedrückt die begrifflose Negation von ALLEM, was es gab – als rauschhafter Triumph des Subjektiven und "Gefühlten" über Rationalität und natürliche Autorität. Letztlich war "68" das finale Ersetzen der Natur durch menschliche Willkür. Bestimmt ist dieses Lebensgefühl ein starkes Motiv für eine nicht geringe Zahl gewesen, "irgendwie" schwul zu werden oder damit herumzuexperimentieren und dann womöglich in entsprechenden "Milieus" zu versinken.

Aber man darf eben nicht vergessen, daß "68" überhaupt nichts mit Verstand, personaler Entscheidung und Verantwortung, rationalem Abwägen, durchdachter Planung oder irgend welchen anderen verstandesgeleiteten Prozessen zu tun hatte. "68" war und ist: höllische Musik, Drogen, Suggestion, Magie, Entpersonalisierung, Kollektivierung und globale seelische Gleichschaltung auf der vorpersonalen Stufe des Unterbewußten. Daß die subjektive Erlebnisweise der Protagonisten genau entgegengesetzt war und es bis heute ist ("Befreiung!"), bedeutet überhaupt nichts; vielmehr definiert gerade diese konträre Erlebnisweise das Wesen der Sache und ist nachgerade kennzeichnendster Ausdruck jenes dionysischen Bewußtseinstaumels, der damals (und seither je und je fortgesetzt und ins Mönströse gesteigert, wenn auch immer aschfahler werdend) über die Erde rollte und rollt und alles – bei hellem Tageslicht und vor den Augen der indolenten Akteure! – hinunter in die Tiefe reißt (hier ein besonders mönströses Beispiel für das, was ich meine; wem sich da sämtliche Haare sträuben, der macht damit inzwischen so etwas ähnliches wie "Autobahn sagen". It's extremly non-pc, gegen derlei "Wahrnehmung der Freiheit" vernehmbare Einwände zu bekunden: genau das ist der verwesende Kadaver des "Geistes von 68"!).

Nach wie vor sind viele Menschen von christlichen Moralvorstellungen geprägt. Die traditionelle Familie hat
im christlich geprägten Weltbild überragende Bedeutung. Die Familie erscheint hier als der Kern, die Urzelle
der Gesellschaft, die unersetzliche Primärzelle. Die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der
traditionellen Ehe und Familie kann von einem christlich geprägten Menschen in der Regel nicht wirklich
akzeptiert werden.

Also daß heute besonders "viele Menschen von christlichen Moralvorstellungen geprägt" wären, Peter, das kann ich, jedenfalls was die jüngeren Menschen betrifft, beim besten Willen nicht einmal von Ferne bestätigen. Meine Diagnose ist, daß hier ganz typisch "68" aus dir spricht. Daß braucht dir gar nicht bewußt zu sein, damit es wahr ist. Bei "68" braucht überhaupt nichts bewußt zu sein. Das kennzeichnet doch dieses spukhafte Phänomen gerade, daß es keiner "merkt" – jedenfalls nicht bei sich selbst.

"68": das sind nicht "die anderen", sondern das ist in gewisser Weise jeder – unabhängig davon, ob er damals überhaupt schon geboren war oder nicht – und zwar um so mehr, je weniger er das weiß. Das ist hart. Aber wahr. "68" ist, so "politisch" es auch daherkam, kein politisches, sondern ein seelisches Problem. Der wesentliche "Kampf gegen 68" findet in einem selbst statt und erst wenn er da gewonnen ist, wird er auch nach außen wirksam. Vorher findet jeder Schritt, jeder Gedanke, jede Tat, jedes Vorhaben innerhalb der Irrenanstalt statt. Die Irren merken es halt bloß nicht. Kunststück: es sind ja schließlich Irre :-))

Wichtiger aber noch ist es in den Augen der Altachtundsechziger, die traditionelle Familie als Träger
verbliebener bürgerlich - traditioneller Werte zu zerstören, indem jedwede Lebensgemeinschaft mit der
Ehe gleichgestellt wird. Besonders grosse Opposition ist zu erwarten, wenn insbesondere homosexuelle
Lebensgemeinschaften der Ehe gleichgestellt werden, da damit der Bezug zur Zeugung der Kinder
und ihrer Zugehörigkeit zum leiblichen Vater vollständig entwertet wird.

Das ist abstrakt vollkommen richtig und zutreffend. Aber konkret findet hinter den Augen der meisten Leute längst nichts "bewußt Beabsichtigtes" mehr statt. Nach welchen übergeordneten, gar immergültigen Maßstäben denn? Man beabsichtigt zwar immer "irgendwas", das ist richtig, aber wenn man nachbohrt, dann weiß keiner präzise anzugeben, wieso eigentlich und was er damit eigentlich … beabsichtigt. Das ist wirklich sehr spukhaft.

Ein Beispiel? Denk einfach an eine "Diskussion" mit Feministinnen, dann weißt du augenblicklich, von was ich gerade rede. Die machen ja nicht nur die ganze Gesellschaft, sondern auch sich selbst als Weiber fix und fertig und werden unfehlbar als vertrocknete Datteln ins Krematorium gefahren werden. Von dem, was sie sind – WEIBER – haben sie ihr Lebtag lang nie etwas mitbekommen. Aber sie haben eben auch nie mitbekommen, daß sie nie etwas mitbekommen haben. Es wäre in meinem Urteil indes eine fatale Fehleinschätzung anzunehmen, das wäre nur bei Feministinnen so. Die, bei denen das auch noch so ist, kriegen es schlicht und einfach genauso wenig mit, wie Feministinnen :-)

Es geht nicht primär um die Persönlichkeitsrechte Homosexueller. Die andauernde Thematisierung ist lediglich
das Vehikel, mit dem das sozialistische Matriarchat befördert werden soll. In einem sozialistischen
Matriarchat muss Vaterschaft entwertet werden. Einzig für die Alimentierung der Frau hat die leibliche
Vaterschaft noch Bedeutung. Darauf kann noch nicht verzichtet werden. Im Gegenzug wird dem
leiblichen Vater ein rudimentäres Besuchsrecht zugestanden, notgedrungen.

Abstrakt ist das alles wieder ganz genau richtig und vollkommen zutreffend. Ich wette aber, daß (von ein paar Hardcore-IdeologInnen abgesehen, über die zu reden mir jetzt die Zeit fehlt) kaum ein Politiker, Journalist, "Soziopolitowörker" … oder einfach gewöhnlicher "Meinungsinhaber" jemals im Leben darüber nachgedacht hat, wie er denn nun genau das sozialistische Matriarchat einführen könnte. Er tut es zwar, und zwar mit Hochdruck und voller Hingabe, aber er weiß es nicht. Er (oder sie) denkt auch nicht darüber nach, wie sich Vaterschaft möglichst effektiv entwerten ließe und wie herrlich destruktiv und deshalb so überaus hilfreich die sog. Homoehe für das Erreichen dieses Zieles ist usw. usf.

Praktisch keiner weiß noch, was er eigentlich tut – aber alle tun es und sind hellauf begeistert von dem, was sie so alles denken und tun und sagen. Denk an unser Dummerle von gestern, der erstmal ganz erschrocken bei der OMMA nachfragen mußte, was das denn bloß für schräge Gestalten sind, die so derart anders drauf sind, als er und alle, die er kennt. Das ist der Normalzustand! Der Grund, den ich dafür ausmache, daß das heute der Normalzustand geworden ist (Gottlosigkeit nämlich), ist kein Grund, der hier für eine relevante Zahl von Menschen im Bereich des Denkbaren liegt. Auch das ist Normalzustand. "68" ist eben überall, auch da, wo jemand total "gegen 68" eingestellt ist. Das bedeutet nämlich nicht viel.

Das Gemeinsame Sorgerecht, so es denn kommen sollte, wird daran nicht viel ändern. Entscheidend
ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht, und dies wird auch in Zukunft der Mutter übertragen, da
hab ich keine Zweifel. Die Auswirkungen des Gemeinsamen Sorgerechts werden überschätzt. Trotzdem,
es ist ein Anfang, um die Kinder aus den Fängen des selbstsüchtigen Matriarchats zu befreien
und deshalb zu befürworten.

Wie bereits gesagt und nun wiederum gesagt: das ist abstrakt vollkommen zutreffend und ich stimme dir auch hier in allem zu. Bloß ist dies nicht die Ebene, auf der solche Phänomene ablaufen und auf der sich ihre inneren Zusammenhänge dechiffrieren ließen. Darüber, wie so etwas gehen könnte, habe ich zum Beispiel hier vor zwei Jahren einmal ausführlicher etwas aufgeschrieben. Dieser theoretische Text ist natürlich nicht "die Lösung". Aber er deutet vielleicht darauf hin, wieso er das so wenig ist und sein kann, wie jeder andere diskursive Versuch, sich die Sache anzueignen und sie zu begreifen. Das findet außerhalb von uns statt und bedarf völlig anderer geistiger Tätigkeiten, als es diskursives Denken und theoretisches Diskutieren darstellen.

Vollkommen inakzeptabel, ich weiß. Aber zutreffend.

Freundlicher Gruß
vom Nick

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Wenn wir Toren wüßten, daß wir welche sind, wären wir keine.


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