Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Voraussetzungen der Begrenzung und Befristung des Unterhaltsanspruchs (Teil 2)

Christine ⌂, Tuesday, 20.01.2009, 11:43 (vor 5546 Tagen) @ Christine

Dr. Wolfram Viefhues, Weiterer aufsichtsführender RiAG, Oberhausen - Auszug des Vortrags zur Fachkonferenz Familienrecht vom 21.11.2008 (Unterhalt)

Allein die Einkommensdifferenz der (früheren) Eheleute rechtfertigt noch keinen unbegrenzten und unbefristeten Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten.

6. Ehebedingtheit des Nachteils

Für die Ehebedingtheit des Nachteils ist vielmehr erforderlich, dass die Umstände, die zu dem unterschiedlichen Einkommen führen, Folgen des Lebenszuschnitts der Ehegatten während der Ehe sind. Dies ist nicht der Fall, wenn sie aus dem bereits vorehelich vorhandenen unterschiedlichen Ausbildungsniveau der Eheleute herrühren (BGH, Urt. v. 26.09.2007 - XII ZR 11/05, FamRZ 2007, 2049 = DRsp Nr. 2007/19656) und der unterhaltsberechtigte Ehegatte während der Ehe nicht – z.B. durch die Kindesbetreuung - gehindert war, seinen Ausbildungsrückstand abzubauen (BGH, Urt. v. 12.04.2006 - XII ZR 240/03, FamRZ 2006, 1006, 1008 = DRsp Nr. 2006/18723; Viefhues/Mleczko, Das neue Unterhaltsrecht 2008, Rdnr. 292).

Nach der bisherigen Rechtsprechung zu § 1573 Abs. 5 BGB und § 1578 Abs. 1 Satz 2,3 BGB sind nicht ehebedingt:

Arbeitslosigkeit aus konjunkturellen Gründen

OLG Düsseldorf ZFE 2006, 26;
OLG Zweibrücken, Urt. v. 17.01.2007 - 6 UF 132/06, NJW Spezial 2008, 388 = DRsp Nr. 2008/15685;
Büte FPR 2005, 316, 317; Born NJW 2008,1 ,8; Reinken ZFE 2008, 58, 60

eine Erwerbslosigkeit in der Ehe auf Grund von Alkoholproblemen

OLG Hamburg v. 11.08.1987 - 2 UF 48/86, FamRZ 1987, 1250 = DRsp Nr. 1992/8542

die Aufgabe eines Studiums aus freien Stücken
OLG Köln, Urt. v. 20.04.1994 - 27 UF 94/93, NJW-RR 1995, 1157 = DRsp Nr. 1996/3351

ein Einkommensgefälle, das nur auf der unterschiedlichen beruflichen Entwicklung der Eheleute vor der Eheschließung beruht
BGH, Urt. v. 12.04.2006 - XII ZR 240/03, FamRZ 2006, 1006 mit Anm. Born = DRsp Nr. 2006/18723;
KG, Urt. v. 04.03.1992 - 18 UF 2995/91, FamRZ 1992, 948 = DRsp Nr. 1996/3209;


Klein, Das neue Unterhaltsrecht, 2008, S. 109;
ausführlich Viefhues/Mleczko, Das neue Unterhaltsrecht 2008, Rdnr. 331 ff.

berufliche Nachteile infolge der Pflege von Angehörigen
Born NJW 2008,1 ,8; Ehinger FamRB 2008, 212, 214

die einseitige Aufgabe der Erwerbstätigkeit gegen den Willen des anderen Ehegatten ohne anerkennenswerte Motive wie z.B. Kindesbetreuung
Hollinger jurisPK § 1573 BGB Rdnr. 78; Hahne FamRZ 1986, 305
Krankheit
Born NJW 2008,1 ,8, anders wohl Clausius in jurisPK-BGB, § 1578b, Rdnr. 24 m.w.N.

Pflege von eigenen Verwandten des Unterhaltsberechtigten
BGH, Urt. v. 26.09.2007 - XII ZR 11/05, FamRZ 2007, 2049

Beispiel aus der Rechtsprechung

OLG Frankfurt, Urt. v. 13.08.2008 - 5 UF 185/07, DRsp Nr. 2008/21434
Ehebedingte Nachteile liegen nicht vor, wenn die Zeit der Kindererziehung vor der Eheschließung gelegen hat und die Unterhalt begehrende Ehefrau während der späteren Ehezeit von knapp 8 Jahren keine beruflichen Nachteile erlitten hat.

OLG Celle, Urt. v. 28.03.2008 - 18 UF 120/07, FamRZ 2008, 1949
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Die Voraussetzungen, für eine Befristung sind gegeben. Die Einkommensdifferenz der Parteien, die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründet, stellt sich nicht als ehebedingter Nachteil dar, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich rechtfertigen würde. Die Ehe der Parteien hat etwa 9 1/2 Jahre, das eheliche Zusammenleben bis zur Trennung im Sommer 1999 etwa 5 1/2 Jahre gedauert. Die Antragsgegnerin hat seinerzeit ihre Erwerbstätigkeit im erlernten Beruf als Schneiderin aufgegeben und war während des ehel. Zusammenlebens zunächst nicht erwerbstätig, sondern führte den Haushalt und übernahm - in zwischen den Parteien streitigem Umfang - Betreuungsleistungen für die Tochter des Antragstellers. Später absolvierte sie erfolgreich eine Ausbildung zur Kosmetikerin, ging mit dieser Qualifikation zeitweise (bis Anfang 2002) einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit als Rezeptionistin nach und ist seit April 2003 als Kosmetikerin selbstständig tätig. In ihren erlernten Beruf als Schneiderin ist sie nicht zurückgekehrt. Nach ihrem eigenen Vortrag gibt es im Schneiderhandwerk wegen der technischen Entwicklungen praktisch keine lukrativen Arbeitsstellen mehr. Dass die mehrjährige Erwerbslosigkeit der Antragsgegnerin von entscheidendem Einfluss auf ihre heutigen Chancen auf eine Anstellung mit auskömmlicher Vergütung ist, kann danach nicht unterstellt werden. Die geringen Möglichkeiten, als Schneiderin einen auskömmlichen Verdienst zu erlangen, sind nach eigener Einschätzung der Antragsgegnerin auf eine allgemeine Entwicklung zurückzuführen. Dementsprechend hat sie sich auch bereits vor der Ehescheidung umorientiert und sich durch die Ausbildung zur Kosmetikerin anderweitig qualifiziert. Dazu, dass und inwieweit ihre berufliche Entwicklung ohne die Ehe für sie günstiger verlaufen wäre, ist nichts vorgetragen.

Nach alledem ist ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig. Unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigt sich eine Befristung bis einschließlich Juni 2010. Diese trägt auch dem Umstand Rechnung, dass sich die Antragsgegnerin auf den durch die Ehe erlangten höheren Lebensstandard eingerichtet hat und ihr insoweit eine Übergangsfrist zuzubilligen ist, die mit etwa 2 1/2 Jahren zu bemessen ist. Ferner ist eingeflossen, dass ihre Verdienstmöglichkeiten ihren angemessenen Lebensbedarf nicht wesentlich übersteigen, auch wenn man berücksichtigt, dass sie über Vermögenswerte in Form des Miteigentums an der von ihr bewohnten Eigentumswohnung hat.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.06.2008, II- 2 UF 5/08, FamRZ 2008, 1950, 1951
Die Voraussetzungen gemäß § 1578b BGB für eine Befristung oder Begrenzung der Unterhaltsansprüche der Klägerin liegen nicht vor.

Dass aufseiten der Klägerin ehebedingten Nachteile eingetreten sind, steht zur Überzeugung des Senats fest. Der Senat hat berücksichtigt, dass die Klägerin bereits kurz nach der Eheschließung aufgrund der Geburt der gemeinsamen Tochter i. J. 1976 ihren erlernten Beruf als Näherin aufgegeben und erst zehn Jahre später wieder eine nur stundenweise Tätigkeit in einem untergeordneten Tätigkeitsfeld als Reinigungskraft aufgenommen hat, die sie jedoch bereits neun Jahre vor der Trennung der Parteien wieder aufgegeben hat. Die Ehe der Parteien war geprägt durch die klassische Aufteilung in einen haushaltsführenden und einen erwerbstätigen Teil und zwar für die Dauer von 30 Jahren. Zwar führt allein die Annahme einer langen Ehe nicht dazu, dass eine Begrenzung der Unterhaltsansprüche der Klägerin nicht in Betracht käme. Trotz einer Ehe von langer Dauer scheidet gleichwohl eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nicht ohne Weiteres aus. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit der nachehelichen Unterhalt ehebedingt entstandene Nachteile des unterhaltsberechtigten Ehegatten ausgleichen soll. Denn der Aufstockungsunterhalt gewährt dem unterhaltsberechtigten Ehegatten zwar dem Grunde nach einen Anspruch auf Teilhabe an dem während der Ehe erreichten Lebensstandard. Entscheidend ist jedoch insoweit nicht allein die Ehedauer, sondern vielmehr, ob sich eine nacheheliche Einkommensdifferenz als ein ehebedingter Nachteil darstellt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigen kann. Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 II BGB bietet deswegen keine - von ehebedingten Nachteilen unabhängige - Lebensstandardgarantie i. S. einer fortwirkenden Mitverantwortung. Ist die nacheheliche Einkommensdifferenz daher nicht auf ehebedingte Nachteile, sondern darauf zurückzuführen, dass beide Ehegatten schon vorehelich infolge ihrer Berufsausbildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hatten, kann es im Einzelfall dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nach einer Übergangszeit zumutbar sein, auf einen Lebensstandard nach den ehel. Lebensverhältnissen (§ 1578 I S. 1 BGB) zu verzichten und sich mit dem Lebensstandard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte.

Indessen kann nicht unterstellt werden, dass die Klägerin ohne die Ehe auch heute nur einen Beruf im Geringverdienerbereich ausüben könnte. Der Beklagte selbst verweist zu Recht darauf, dass es für den Beruf der Näherin bereits seit längerer Zeit in Deutschland keinen Arbeitsmarkt mehr gibt. Von daher muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerin sich ohne die Ehe und ohne die Betreuung der gemeinsamen Tochter beruflich umorientiert hätte, wobei hierbei insbesondere eine Tätigkeit im Bereich des Textileinzelhandels in Betracht gekommen wäre. Eine solche Tätigkeit wäre der Klägerin auch trotz der Tatsache, dass sie nicht über eine höhere Schulausbildung verfügt, ohne Weiteres möglich gewesen. Gerichts bekannt werden jedoch in diesem Bereich Nettolöhne von rund 1.300 EUR erzielt, und es muss unterstellt werden, dass auch die Klägerin bei Fortführung ihrer Erwerbstätigkeit nunmehr ein Gehalt in dieser Größenordung verdienen könnte. Allein infolge der Tatsache, dass die Klägerin über keine berufliche Praxis verfügt, ist sie nunmehr auf Tätigkeiten im Geringverdienerbereich angewiesen. Diese Minderung ihrer Verdienstmöglichkeiten stellt sich als ehebedingter Nachteil dar, welcher im Rahmen des nachehelichen Unterhaltsanspruchs auszugleichen ist. Von daher kommt eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Kl .gemäß § 1578b II BGB nicht in Betracht.

Dies gilt gleichermaßen für die Möglichkeit einer Herabsetzung der Unterhaltsansprüche auf den angemessenen Lebensbedarf gemäß § 1578b I BGB. Denn die Klägerin verfügt unter Berücksichtigung des ihr nunmehr zuerkannten Unterhaltsanspruchs über Einkünfte von (918 EUR + 328 EUR =) 1.246 EUR und damit über ein geringeres Einkommen als das, welches sie ohne die Ehe aller Voraussicht nach heute verdienen würde. Die Frage der Herabsetzung der Unterhaltsansprüche kann daher jedenfalls derzeit dahinstehen, und wird erst dann relevant werden, wenn die Klägerin in der Zukunft weitergehende Unterhaltsansprüche geltend macht.

In den kommenden Beiträgen werden die folgenden, weiteren Voraussetzungen der Begrenzung und Befristung des Unterhaltsanspruchs besprochen:

7. Billigkeitsabwägungen

8. Nachteile aus der Dauer der Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes

9. Nachteile aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit

10. Nachteile aus der Dauer der Ehe

http://www.rechtsportal.de/familienrecht/aktuelles/detail/id902-361737/voraussetzungen-der-begrenzung-und-befristung-...

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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein


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