Neue Stufe der Bequemlichkeit
Frauen können heute alles werden, zum Beispiel Bundeskanzlerin. Sie dürfen sogar alles falsch machen, wie Andrea Ypsilanti. Nach dem Debakel macht sie sich klein, stellt sich dumm - kurz: sie zieht ein altbewährtes weibliches Register.
[...]
Es ist sehr ungewöhnlich, dass eine Niederlage mit derart negativen Folgen für die betroffene Partei weder einen Rücktritt noch ernsthafte Rücktrittsforderungen auslöst. Bei den Ausreden hat die Politikerin Ypsilanti mehr Spielräume als ihre männlichen Kollegen. Sie darf drei andere Frauen zu Schuldigen erklären, die eine existenzielle Strafe riskiert haben, einen jungen Mann vorschieben, der ihre Suppe auslöffeln wird und bleibt einfach in ihren Ämtern. Ypsilanti stellt sich dumm, sie macht sich klein, sie zieht, kurzum, ein altbewährtes weibliches Register. Das funktioniert; wer teilt schon gerne aus an eine, der finstere Mächte übel mitspielten. Kommt sie damit am Ende, nach der Neuwahl in Hessen, wirklich durch? Ganz sicher nicht. Es gibt nichts, was Frauen so übel genommen wird wie die Kombination von brachialen Ansprüchen und einer Opferinszenierung, wenn es schiefgegangen ist.
Und zwar zu Recht. Die Freiheit, für die Juchacz und Genossinnen gekämpft haben, erlaubt Frauen, ihren eigenen, nicht einen vorgezeichneten Weg zu gehen. Die Kehrseite dieser Freiheit ist die Verantwortung, die eben nicht mehr an Väter, Vorgesetzte, Wahlhelfer oder vermeintliche Verräter abgeschoben werden darf. Der Ypsilanti-Gleichstand ist kein Freiheitsgewinn, er ist nur bequem. Wer öffentliche Verantwortung trägt, darf sich nicht kleiner machen als das Amt erlaubt, ein Mann nicht und auch keine Frau.
http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/Andrea-Ypsilanti-Hessen;art141,2659753#kommentare
Ich brauche glaube ich kaum betonen, das ein Mann so einen Artikel vermutlich nicht hätte schreiben können/dürfen, ohne das der Schreiber zerrissen worden wäre. Nun, in den dazugehörigen Kommentaren wird nun Frau Bruns zerrissen, inhaltlich geht kaum jemand auf den Beitrag ein. Trotzdem sind die Lesermeinungen interessant und den aus meiner Sicht besten habe ich ebenfalls noch heraus kopiert.
halmackenreuter 14.11.2008 12:46:42 Uhr
Oh, diese Jubelperser!
Ob die auffällig vielen Ypsilanti-Jubelperser hier eigentlich bemerken, dass sie für das gleiche Verhalten bei einem konservativen Politiker oder bei einem Mann kein gutes Haar an ihm oder ihr gelassen hätten?
Ganz schrecklich und bereits zu Recht als Totschlagargument klassifiziert ist der Satz "mit einem Mann hätte man sich das nicht erlaubt!"
Doch, hätte man, und man wäre noch viel skrupelloser mit ihm umgegangen. Frau Bruhns kritisiert solche Aussagen mit Recht als unemanzipiert, kommt darin doch nichts anderes zum Ausdruck als der Wunsch nach Privilegien und speziellen Schutzvorkehrungen für Politikerinnen nach dem Motto "packt sie bitte stets mit Samthandschuhen an".
Mit Gleichberechtigung (die immer auch Gleichverpflichtung ist, nimmt man diesen Begriff wirklich ernst) hat das nicht im Entferntesten etwas zu tun. Das hat Frau Bruhns völlig richtig erkannt, im Gegensatz zu vielen nöligen "Frauen- sind-immer-und-überall-besonders-betroffen"-Schreiberinnen, deren immer gleiche Elaborate ich langsam nicht mehr ertragen kann.
Ich hoffe, dass Frau Bruhns' Ausführungen von vielen aus der schreibenden Zunft gelesen werden und allmählich zu einem Umdenken in diesen Fragen beitragen.
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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein
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Christine,
17.11.2008, 11:10
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karlma,
17.11.2008, 12:15
- Neue Stufe der Bequemlichkeit - Mustrum, 17.11.2008, 14:57
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