Der christliche Ursprung des Genderismus.
Wir haben in Zusammenhang mit der Männerbewegung gelegentlich das Thema des Christentums angesprochen. Eines der Ergebnisse scheint mir zu sein, daß die meisten Teilnehmer die Existenz Gottes leugnen, dennoch aber irgendwie an ihn "glauben" - allerdings wie an ein Versprechen, das nicht eingelöst worden ist; oder wie an einen Vater, der sich pflichtwidrig seiner Verantwortung entzogen, wenn nicht gar durch Gewalttätigkeit und Machtmißbrauch ausgezeichnet hat.
Das steht in merkwürdigem Widerspruch zur Tatsache der Kreuzigung und allen Elementen unserer Kultur und Tradition, die damit unlösbar verbunden sind. Man sollte meinen, daß jetzt, nach zweitausend Jahren, die Sache verstanden worden sei. Und seltsam - es ist nicht so !
Wie haben denn die Zeitgenossen auf den Glauben an den gekreuzigten Gott reagiert ? Den Juden war er Ärgernis. Sie erhofften sich von Gott, wenn er schon in menschlicher Gestalt erscheint, einen Theokraten, welcher die alttestestamentarische Völkermordpolitik fortsetzen, zumindest aber die römischen Besatzer vertreiben würden. In Jesus, vor Allem in der Tatsache, daß große Teile der Bevölkerung ihm vertrauten, sahen sie ihre Hoffnung in allerhöchstem Maße verraten. - Den Griechen hingegen war dieser Glaube eine Kuriosität. Sie hielten seine Anhänger, die von ihm predigten, für angetrunken ("voll des süßen Weines"), bestenfalls wohl für begabte Komödianten.
Ein Gott, der Menschen die Füße wäscht, ja bis zur letzten Konsequenz geht und sich widerstandslos dornenkrönen und kreuzigen läßt, ohne im letzten Moment aufzuspringen und zu rufen: "Jetzt reicht's aber, weiter geh' ich nicht in diesem Spiel!" - das war sogar für seine zwölf Jünger zuviel. Sie zerstreuten sich, verängstigt, maßlos enttäuscht. Nur Einer blieb ihm durchgehend treu: Johannes, der Evangelist, der eine besondere geistige Bindung, sowie einige Frauen, die eine enge naturgegebene Bindung an ihn hatten.
Ist euch eigentlich klar, daß wir heute mit gesellschaftlichen Erscheinungen leben, welche die Menschen damals vor vergleichbare Verständnisprobleme gestellt hätten ? Ich greife exemplarisch Einige heraus:
o Das Machtverhältnis von Herrscher und Beherrschten hat sich umgekehrt. Während früher die Menschen ihren "Oberen" zu gehorchen hatten (was auch Jesus, selbst Luther noch guthieß), erwartet man heute von unseren "Politikern", daß sie unsere Wünsche erfüllen, ja sie sogar erkunden, falls wir uns nicht zu artikulieren verstehen. Im Mißerfolgsfalle wählen wir sie ab.
o Ähnliches gilt für das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern bzw. Lehrern und Schüler. Früher hatten Letztere den Ersteren zu gehorchen, keineswegs aber Ansprüche zu stellen. Im Widerspruchsfalle wurden sie ganz selbstverständlich geschlagen. Heute gilt nahezu das Gegenteil: Lehrer und Eltern müssen ständig ihre "Eignung" beweisen; Kinder hingegen setzen die Normen.
o Ebenso auf den Kopf gestellt wurde das Macht-Verhältnis der Geschlechter. Das muß ich an dieser Stelle wohl nicht erläutern.
Angesichts dieser Tatsachen spüren wir Alle wohl ein Unbehagen, wenn nicht einen mehr oder minder lebhaften Protest in uns aufsteigen. Gerade inbezug auf das Geschlechterverhältnis scheint Etwas nicht zu stimmen - obwohl gerade hier die Hierarchie am relativ wenigsten ausgeprägt war bzw. ist. Doch unterdrücken wir für eine Weile noch diese Regungen und fragen uns:
o Woher kommt überhaupt die Umkehr dieser Herrschafts-Verhältnisse ? -
o Und fragen wir uns auch: Wie ist die ihr immanente Paradoxie zu lösen ? Wie kann es überhaupt sein, daß ein Herrscher nicht eigentlich herrscht, sondern eher beherrscht wird; daß Eltern nicht eigentlich "erziehen", sondern erzogen und bestraft werden; daß Männer die Gesellschaft tragen und dennoch versklavt werden ? Warum heißen beherrschte Herrscher immer noch Herrscher, erziehungsbedürftige Eltern immer noch Eltern, passive Männer immer noch Männer ?
Die erste Frage beantworte ich so:
Wir haben heute eine Umkehrung der Herrschaftsverhältnisse, weil - ich benenne mit "weil" eine Kausalität ! - weil vor zweitausend Jahren Gott Mensch geworden ist und sich hat kreuzigen lassen. Ich weiß, daß euch das eine Zumutung ist. Denn wer das annimmt, der nimmt damit auch unseren himmlischen Vater, genauer gesagt die Trinität, als Wirklichkeit an. Dann ist der Gottesglaube keine Projektion mehr, kein Zugeständnis zugunsten der Psycho-Hygiene ("Gläubige Menschen leben gesünder"), und auch die Pantheismus-Lösung (Gott ist Alles; wir Alle sind Gott) nicht mehr praktikabel.
Aber überdenken wir die Alternative: Besagte Umkehrung der ehemaligen Herrschaftsverhältnisse in Politik, Erziehung, Ehe habe andere Gründe. Ja, welche denn ? Da kommen wir ins Spekulieren. Seien wir ehrlich: Es gibt keine vernünftigen Gründe ! Und damit kommen wir...
Zur zweiten Frage:
Es ist die Grundfrage und der Ursprung aller Theologie. Ein Gott, der Allmacht beansprucht, ist - theoretisch - unproblematisch. Dasselbe gilt für das in Pflanzerkulturen weltweit verbreitete Mythologem der getöteten Gottheit (siehe hierzu z.B. Adolf Jensen: Das religiöse Weltbild einer frühen Kultur, 1948). Die Frage jedoch, ob - und wenn ja: inwiefern - Christus Gott und Mensch zugleich ist, hat über tausend Jahre lang das europäische Denken absorbiert. Ich kann und könnte die unzähligen Lösungsversuche nicht aufzählen (wer könnte es ?).
Eines aber ist wichtig zu wissen: Viele unserer philosophischen und wissenschaftlichen Begriffe, mit denen wir ständig operieren, sind das Ergebnis dieser über tausend lange währenden Bemühungen, das Wesen des Mensch gewordenen Gottes zu verstehen. Nehmen wir als Beispiel die Begriffe "Natur" und "Person". Unter Natur verstand man in der Antike das spezifische Wesen eines Dinges; unter Person verstand man die Maske des Schauspielers. Noch C.G.Jung spielte mit seinem Persona-Begriff auf diese ursprüngliche Bedeutung an. Um die Frage nach der Person-Natur Christi zu beantworten, mußten jedoch völlig neue Vorstellungen entwickelt, neue Gedanken gedacht werden. Denn dafür reichten (und reichen) die bisherigen Mittel nicht aus.
Ebenso aber haben wir für die gegenwärtigen Phänomene der umgekehrten Herrschaft keine Lösung. Wohl kaum Einer von uns möchte dauerhaft in einem der noch existierenden Staaten leben, in denen die Politiker ihre Kritiker mundtot machen; in denen Eltern und Lehrer ihre Kinder bzw. Schüler schlagen; in denen Männer ihre Frauen verkaufen. Und ebenso möchte Niemand von uns einen Gott im Stile von Jahwe akzeptieren.
Anderseits ist uns klar, daß wir von unseren Politikern mehr geistig-moralische Eigenständigkeit verlangen dürfen, als sie haben; daß uns Kinder und Frauen eher belasten als bereichern; daß "ein Gott, der das Böse in der Welt zuläßt", verzichtbar ist. Ja, was wollen wir eigentlich ?
Als ein vorläufiges Ergebnis glaube ich festhalten zu dürfen: Eine Lösung der gegenwärtigen Geschlechterfrage ist nur möglich auf dem Wege einer Christologie. Denn einzig in der über tausend Jahre lang geführten Diskussion über das paradoxale Wesen Christi sind Lösungsansätze für die gegenwärtigen paradoxalen Verhältnisse zu erwarten, mit denen wir es heute zu tun haben. Der Mensch gewordene Gott ist das Urbild aller revolutiven und potentiell heilsamen Veränderungen. Und er ist - wie ich behaupte, aber selbstverständlich nicht beweisen kann - hierfür auch die Ursache.
Gruß
Student
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Student(t),
12.04.2008, 23:10
- Mind-fucking !... (nt) - Svn, 13.04.2008, 12:13
- Der christliche Ursprung des Genderismus. - Conny, 23.04.2008, 01:23