Warum Christian Wulff wirklich zurücktreten musste
Hi Christine,
mir ist Christian Wulff nach wie vor unsympatisch. Sympatisch hingegen ist mir G.W.. Er ist mein Lieblingsjournalist und er schaut hinter die Kulissen.
Gerhard Wisnewski
Mal ehrlich: Christian Wulff hätte bleiben sollen. Denn immerhin war er der am besten durchleuchtete Bundespräsident aller Zeiten. Das ist wohl das wichtigste Ergebnis der monatelangen Medienkampagne. Wulffs Fehler liegen denn auch nicht in irgendwelchen Bobby-Car- oder Handy-Affären. Sie liegen darin, dass der Mann plötzlich und unerwartet anfing, zu denken. Und das ist hierzulande niemandem erlaubt – und einem Bundespräsidenten schon gar nicht.Jeder hat schon mal einen solchen Albtraum gehabt: Eines Morgens wacht man auf, und alle wenden sich von einem ab. Die besten Freunde verstehen einen nicht mehr. Die Vertrauten von gestern werden plötzlich zu Feinden. Plötzlich scheint man nicht einmal mehr dieselbe Sprache zu sprechen. Und wo man auch immer klären und erklären will, wird alles nur noch schlimmer. Es ist, als wäre man über Nacht zum Aussätzigen geworden. Genau diesen Albtraum erlebte Bundespräsident Christian Wulff. Die Medien, die ihn soeben noch in den Himmel hoben, ließen ihn plötzlich fallen.
Ein Musterknabe muss weg
Was war nur geschehen? Was hatten alle plötzlich gegen ihn? Wie bereits im Vorspann gesagt: An seinen so genannten >Verfehlungen« kann es nicht gelegen haben. In Wirklichkeit ist es erstaunlich, wie wenig die Medien trotz monatelanger Bemühungen zutage fördern konnten. Am Ende brachte man es mit Ach und Krach zu einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Vorteilsannahme. Wobei ein Ermittlungsverfahren natürlich noch
keine Anklage und eine Anklage noch keine Verurteilung ist. Aber die Stichworte >Ermittlungsverfahren« und >Aufhebung der Immunität« waren genau die Auslöser, die gebraucht wurden, damit der Bundespräsident das Handtuch warf.
Na und? Auch ein Bundespräsident kann auf die Dauer eben nicht gegen sein Volk regieren, wird jetzt mancher sagen. Falsch. Denn es muss heißen: Auch ein Bundespräsident kann auf die Dauer eben nicht gegen die Medien regieren. Zwar haben sich angeblich kleinere oder größere Mehrheiten der Bevölkerung für einen Wulff-Rücktritt ausgesprochen – doch das Volk denkt schließlich, was die Medien denken. Wenn also beispielsweise Spiegel Online eine Leser-Umfrage startet, bei der die Mehrheit der Teilnehmer antwortet, Wulff hätte schon viel früher zurücktreten müssen, dann ist das lediglich, als ob der Lehrer seine Schüler nach den Vokabeln von gestern fragen würde. Lernerfolg in diesem Fall: 80 Prozent. Denn schließlich wurde die öffentliche Meinung von Anfang an von den >Qualitätsmedien« gesteuert.
Nur: was hatten die plötzlich gegen Christian Wulff? Warum musste dieser Musterknabe plötzlich weg?
Ein Bundespräsident läuft aus dem Ruder...
Ganz einfach: Der Mann hatte plötzlich angefangen zu denken – und das ist für einen Bundespräsidenten ganz verboten. Denn ein Bundespräsident, der denkt, handelt womöglich auch noch. Beziehungsweise, er handelt nicht – nämlich, wenn es um das Unterschreiben von Gesetzen geht, die ihm der Bundestag vorsetzt. Nach Artikel 82 Grundgesetz werden die >nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze ... vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt«. Bevor die Gesetze also in Kraft treten können, müssen sie vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden. Was der Bundespräsident an einem Gesetz genau prüfen und bemängeln und aus welchem Grund er die Unterschrift verweigern darf, liegt in seinem Ermessensspielraum. Was natürlich überhaupt kein Problem ist, solange ein Bundespräsident für die parlamentarischen und sonstigen Strippenzieher berechenbar bleibt – dann ist sein Wirken äußerst nützlich, weil seine Unterschrift auch verfassungswidrigen Gesetzen Legitimation verleiht. Denn schließlich wurden alle vom Bundesverfassungsgericht im Laufe der Jahre eingeschränkten oder gekippten Gesetze zuvor von einem Bundespräsidenten unterschrieben.
Gänzlich unerwünscht ist es dagegen, wenn sich ein Bundespräsident plötzlich aus dem Ruder läuft und sich zu dem, was ihm der Bundestag so vorsetzt, seine eigenen Gedanken macht. Auch Christian Wulffs Vorgänger Horst Köhler trat 2010 mitten in der Finanzkrise zurück. 2006 war er der erste Präsident seit langem, der von seinem Recht, eine Unterschrift zu verweigern, gleich zweimal Gebrauch machte (bei einem Gesetz über die Flugsicherung und bei einem neuen Verbraucherinformationsgesetz).
Richtig wichtig wird der Bundespräsident, wenn der Bundestag offensichtlich verfassungswidrige, ja sogar verfassungsfeindliche Gesetze plant, also die Verfassung ganz offen überstrapaziert und den Bundespräsidenten damit quasi provoziert. Wie zum Beispiel bei der geplanten Ratifizierung des ESM-Vertrags. Mit diesem so genannten >Europäischen Stabilitätsmechanismus« soll ab Mitte 2012 in Europa eine verfassungsfeindliche Finanzdiktatur errichtet werden (siehe auch: Wisnewski: verheimlicht – vertuscht – vergessen 2012). Ein nicht gewähltes und gegenüber Strafverfolgung immunes Gremium (>Gouverneursrat«) soll dann unbegrenzt und unwiderruflich Finanzmittel bei den ESM-Mitgliedsstaaten abrufen können, also Steuergelder. Diktatur ohne Filter, sozusagen: Nur was für Leute, die das Grundgesetz regelmäßig in der Pfeife rauchen. >Der ESM wird, wie der IWF, einem ESM-Mitglied Stabilitätshilfe gewähren, wenn dessen regulärer Zugang zur Finanzierung über den Markt beeinträchtigt ist oder beeinträchtigt zu werden droht«, steht im ESM-Vertrag zu lesen. Das heißt: Wenn niemand mehr so verrückt ist, dem betreffenden Land einen Kredit zu gewähren, sollen die Steuerzahler der ESM-Mitgliedsstaaten einspringen: Die ESM-Mitglieder verpflichten sich >unwiderruflich und uneingeschränkt, Kapital, das der Geschäftsführende Direktor« des ESM >von ihnen abruft, innerhalb von sieben Tagen ab Erhalt der Aufforderung einzuzahlen.« Der Vertrag gilt unbefristet; eine Kündigung ist nicht vorgesehen
gesamter Thread:
- Wer sollte der neue Bundespräsident werden? Stimmen Sie ab! -
Oliver,
18.02.2012, 07:58
- Ist doch klar !! - logo, 18.02.2012, 08:10
- Wer sollte der neue Bundespräsident werden? Stimmen Sie ab! - der_quixote, 18.02.2012, 08:22
- Wer sollte der neue Bundespräsident werden? Stimmen Sie ab! -
bin für UvdL,
18.02.2012, 08:25
- Wer sollte der neue Bundespräsident werden? Stimmen Sie ab! -
der_quixote,
18.02.2012, 08:42
- Wer sollte der neue Bundespräsident werden? Stimmen Sie ab! - für UvdL, 18.02.2012, 09:27
- Wer sollte der neue Bundespräsident werden? Stimmen Sie ab! - Oliver, 18.02.2012, 10:47
- Wer sollte der neue Bundespräsident werden? Stimmen Sie ab! -
der_quixote,
18.02.2012, 08:42
- Keiner! Schafft den sinnlosen Posten ab! -
Pilsberater,
18.02.2012, 10:07
- Keiner! Schafft den sinnlosen Posten ab! - rundertischdgf, 18.02.2012, 10:37
- Seehofer ist es! -
rundertischdgf,
18.02.2012, 10:40
- Mösenlecker? - der_quixote, 18.02.2012, 12:46
- Die Käsemann ist auch schon wieder genannt -
Red Snapper,
18.02.2012, 11:48
- Die Käsemann ist auch schon wieder genannt - der_quixote, 18.02.2012, 12:51
- Bundespräsident ? Schwamm... -
Donna Amaretta,
18.02.2012, 12:01
- ordentlich geputzte Schuhe - Mus Lim, 18.02.2012, 21:18
- Muss aber tätowiert sein! - der_quixote, 18.02.2012, 13:30
- Christian Wulff und der Ehrensold -
Christine,
18.02.2012, 14:40
- Warum Christian Wulff wirklich zurücktreten musste - Rosi, 19.02.2012, 21:42
- Rainer! (n. t.)
-
Kurti,
18.02.2012, 17:18
- Sarrazin! (kT)
-
Expatriate,
19.02.2012, 09:02