Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Geschlechterverhältnis und Ökonomie

Ekki, Friday, 25.05.2007, 23:36 (vor 6783 Tagen)

Hallo allerseits!

Bevor ich ins Wochenende fahre, möchte ich Euch ein Thema zum Diskutieren anbieten:

Unter den vielen Stimmen im Geschlechterkampf sind auch jene, welche postulieren, das Ei des Kolumbus bestünde darin, daß die Frauen wieder an Heim und Herd zurückkehren.

Von denselben Leuten wird vielfach auch behauptet, es sei der Kapitalismus, der die traditionelle Familie zerstöre.

Werfen wir doch einmal ein paar Blicke in die Vergangenheit.

In den letzten 70 Jahren gab es - in historisch wohl einmalig schneller Aufeinanderfolge - vier riesige Einschnitte in das Geschlechterverhältnis:

Ab 1933 herrschte die Mutterkreuzideologie, die Familie und Gebären über alles stellte.

Nach 1945 begann dann die Tragödie der Kriegswaisen, die ohne Vater aufwuchsen, da das Nazi-Regime nicht nur das Gebären, sondern auch das Töten massiv gefördert und betrieben hatte.

Ungefähr ab Mitte der 50er Jahre aber begannen Generationen aufzuwachsen, die das extreme Gegenteil dessen erfuhren, was die Kriegswaisen-Generationen erlebt hatten: Nicht nur, daß sie mit beiden Elternteilen aufwuchsen, nicht nur, daß Mutti wieder zu Hause bleiben konnte - nein, was das "Wirtschaftswunder" in die Taschen spülte, ist geschichtlich wohl ohne Beispiel.

Und dann kam Ende der 60er Jahre der vierte Umbruch mit der 68er-Ideologie und der Auflösung der Familienstrukturen.

Egal, wie man nun zu den einzelnen von mir oben angesprochenen Phasen stehen mag - so viele Umbrüche in so kurzer Zeit sind wohl menschheitsgeschichtlich einmalig.

(Ich lasse jetzt die Entwicklung der DDR nach 1945 außen vor, weil das zu weit führen würde. Ist ein Thema für einen eigenen Thread.)

Dennoch glaube ich, daß man noch einen anderen, weiter zurückliegenden Umbruch benennen muß, ohne den alle anderen oben beschriebenen Entwicklungen nicht möglich gewesen wären:

Die industrielle Revolution im 19. Jh. und der Rückgang der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (beides ist nicht unbedingt interdependent, folgte jedoch zeitlich kurz aufeinander - insofern müßte man, um ganz genau zu sein, vielleicht von zwei Umbrüchen reden).

Die industrielle Revolution im Allgemeinen und das Aufkommen von Strom und elektrischem Licht im Besonderen machten den Menschen in bis dahin ungekannter und unvorstellbarer Weise unabhängig von den Naturgewalten.

Zwar stand am Anfang der industriellen Revolution noch das industrielle Proletariat, das unter elenden materiellen Bedingungen lebte und körperlich extrem hart arbeiten mußte.

Aber der technische Fortschritt - und nicht, davon bin ich überzeugt, die Linksparteien!!! - führte dazu, daß auch das Leben der breiten Massen in dem historisch kurzen Zeitraum von etwa einem Dreivierteljahrhundert wesentlich leichter wurde.

Damit einher ging ein kontinuierlicher Rückgang der Bedeutung körperlicher Kraft bei der Ausübung von Berufen.

Zwar hatte es auch in den mittelalterlichen Städten "Büroberufe" wie z.B. Advokat gegeben, und an den Höfen die Adelsschicht, die nicht wirklich zu arbeiten brauchte. Aber beide waren relativ kleine Gruppen.

Die Handwerker z.B. mußten früh aufstehen, hart arbeiten und hatten keineswegs eine Steckdose, aus der der Strom gekommen wäre.

Ja - und dann waren da noch die Landwirte, die vollends im Einklang mit und in Abhängigkeit von der Natur lebten.

Und diese Feststellung katapultiert uns vom Mittelalter unmittelbar in die Gegenwart:

Habt ihr schonmal was von Bäuerinnen gehört, die einen auf Efrauze machen?

Allen technischen Neuerungen, die auch an der Landwirtschaft nicht vorbeigegangen sind, zum Trotz:

Wie eh und je leben die Landwirte wirklich von der Natur, die Frauen müssen voll mit ran und die Kinder ebenfalls.

Solche Menschen haben doch für Emanzipationsdiskussionen noch nicht einmal ein müdes Krächzen übrig.

Aber in unseren Breiten sterben die Bauernhöfe - und damit auch die bäuerliche Lebensform, in der sich die Frage der Gleichberechtigung ganz von selbst regelte.

Schlußfolgerung:

Je weiter sich der Mensch in seinem Arbeitsleben von der Natur entfernt, desto relevanter wird die Geschlechterfrage.

Und deshalb hat auch die Erosion der traditionellen Familie nichts mit Kapitalismus zu tun:

Kapitalismus hat - in irgendeiner seiner Formen - immer geherrscht (die 40 Jahre Sozialismus-Experiment, wie gesagt, einmal bewußt ausgeklammert).

Aber weshalb blieben denn dann die Frauen der Wirtschaftswundergeneration bereitwillig zu Hause, während sich heute immer weniger für diesen Lebensstil erwärmen wollen?

Zum einen liegt die Antwort natürlich in dem Wort "Wirtschaftswunder", das wir heute nicht mehr haben.

Die Entwicklung, daß der technische Fortschritt immer mehr menschliche Arbeitskraft überflüssig macht und diese Entwicklung durch die globale Preiskonkurrenz potenziert wird, wäre m.E. so und so über uns gekommen. (Ich habe an anderer Stelle ausgeführt, daß meiner Meinung nach die Zukunft in wirtschaftlichen Großräumen wie EU, NAFTA usw. liegen wird, die nach innen Wettbewerb zulassen, sich aber gegen die anderen wirtschaftlichen Großräume protektionistisch abschotten. Aber das will ich jetzt hier nicht vertiefen, weil es den Rahmen des Postings sprengen würde.)

Zum anderen aber ist es doch mehr als natürlich, daß die Frauen, als sie sahen, wie die Bedeutung schwerer körperlicher Arbeit im Berufsleben immer mehr abnahm, immer stärker in eben jenes Berufsleben drängten.

Zwar ist es auch heute noch möglich, daß eine Frau zu Hause bei den Kindern bleibt - und keineswegs nur bei überdurchschnittlich gutem Verdienst des Ehegatten.

Eines aber sollte man ganz nüchtern und illusionslos sehen:

Keine wie auch immer gearteten Anreize, keine wie auch immer geartete Propaganda mit dem Ziel, die Frauen zurück an den Herd zu bringen, wird je wieder die Zustände zurückbringen, die wir hatten, als die Frauen sowohl körperlich als auch materiell überlebensnotwendig auf den Mann angewiesen waren.

Daraus ergibt sich dann natürlich auch folgende Konsequenz:

Einem Mann, dem wirklich an seinem beruflichen Fortkommen liegt, kann man nur dringendst empfehlen, sich keine Lebenspartnerin zuzulegen:

Von einer Lebenspartnerin, die sich ihrerseits beruflich verwirklichen will, wird man nicht erwarten können, daß sie ihrem Mann überallhin folgt, wo die berufliche Laufbahn ihn hinführt. (Nebenbei gesagt: Selbst Frauen, die sich in ihrem eigenen Beruf nicht allzu sehr anstrengen, fühlen sich heutzutage berechtigt, knatschig zu werden, wenn der Mann aus beruflichen Gründen einen Umzug plant, der ihnen nicht paßt - und sei es nur, weil sie ihre gewohnte Frauengruppe nicht missen wollen.)

Und an dieser Stelle einmal zwei Erkenntnisse, die vielleicht manche nicht von mir erwartet hätten:

1)
Ich bin der festen Überzeugung, daß keiner, aber auch ausnahmslos keiner[/u] der Männer aus den Nachkriegsgenerationen die Karriere hätte machen können, die er gemacht hat, hätte ihm die Ehefrau nicht zu Hause den Rücken freigehalten.

2)
Wie Ihr wißt, bin ich Single, und obwohl ich es heute aus Überzeugung bin, reichen selbst meine bescheidenen mathematischen Fähigkeiten aus, um mir an den Fingern einer Hand abzuzählen, um wie vieles leichter das Leben für mich wäre, wenn eine Ehefrau Einkäufe und Haushaltsführung übernehmen würde. Schon Ester Vilar überschrieb ein Kapitel ihrer "Mann"-Triologie: "Hausarbeit ist nicht teilbar". Es stimmt schon - wenn beide Ehepartner müde von der Arbeit nach Hause kommen, wird die Haushaltsführung suboptimal (sie ist es ja schon für mich als Single).

UND DENNOCH:

Ich möchte aus beiden o.g. Erkenntnissen keinesfalls[/u] die Schlußfolgerung ziehen, daß das Heil in einem Zurück zur Hausfrauenehe läge.

Dies u.a. deshalb nicht, weil ich die Zusammenarbeit mit Frauen, die in der Arbeit wirklich toll mitziehen, tagtäglich als Glück empfinde.

Und auch deshalb nicht, weil an gemischtgeschlechtlichen Arbeitsplätze ständig eine unterschwellige erotische Spannung herrscht und mancher Flirt das Leben schöner macht.

Wie furchtbar, sich vorzustellen, daß die Frauen brav zu Hause bei Mann und Kindern sitzen und es nichts zum Flirten gibt!

Und wenn man halt die Berufstätigkeit beider Ehepartner bejaht, folgt daraus ganz automatisch, daß ...

a) ... viele Menschen im Hinblick auf ihr berufliches Fortkommen Single bleiben;

b) ... diejenigen, die heiraten, sich die Zeugung von Kindern dreimal überlegen, und

c) ... diejenigen, die sich für Kinder entscheiden, Ganztagsbetreuungseinrichtungen brauchen.

So, da habe ich Euch einige Denkanstöße und Einblicke in mein Inneres gegeben. Mal sehen, was ich am Montag so als Rückmeldung vorfinde.

Ein schönes Wochenende wünscht Euch allen

Euer

Ekki

--
Ich will ficken, ohne zu zeugen oder zu zahlen.
Lustschreie sind mir wichtiger als Babygeplärr.


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