Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Frauen in die Produktion

DschinDschin, Thursday, 05.04.2007, 13:40 (vor 6832 Tagen)

http://www.finanztreff.de/ftreff/news.htm?id=27005772&sektion=wirtschaftpolitik&u=0&k=0

03.04.2007 - 12:20 Uhr
FTD: Frauen in die Produktion

In der Kinderbetreuungsdebatte lassen sich die Frauen auf eine gefährliche Logik ein. Ziel ist es nicht, ihnen das Leben zwischen Kind und Karriere zu erleichtern. Es geht um ihre Arbeitskraft.
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Mit den Siegen ist es im Leben wie mit den Träumen und den Märchenprinzen: Alle drei sind am begehrenswertesten, solange man von fern sehnsüchtig auf ihren funkelnden Glanz starrt. In der Hand erweist sich die Sternschnuppe als ordinärer Gesteinsbrocken.

Die Emanzipation hat einen Sieg errungen, vielleicht den größten in ihrer Geschichte. Wir Frauen haben das im Getümmel des Alltags gar nicht richtig bemerkt. Doch nach der Debatte um die Kinderbetreuung können wir es lauthals herausschreien: Gewonnen! Niemand, wirklich niemand bestreitet mehr den Frauen das Recht, Karriere zu machen. Der Dreiklang aus "Kinder, Küche, Kirche" erklingt heute so selten wie gregorianischer Gesang auf MTV. Als der Bischof Walter Mixa mit seinem Spruch über weibliche "Gebärmaschinen" provozierte, blieb er im anschließenden Proteststurm ganz allein. Wo nur sind all die reaktionären alten Säcke geblieben, die trachten, die Frau an den Herd zu fesseln?

Und Mixa hat doch recht

Der Sieg ist total, und er ist schal. Denn etwas stimmt nicht. Gekämpft haben die Frauen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Jetzt bekommen sie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das ist viel mehr als ein semantischer Unterschied.

Im ersten Fall geht es darum, Frauen ein Recht auf ein Second Life jenseits des Windelwechselns zuzuerkennen. Die Generation unserer Mütter weiß, was damit gemeint ist. Wollte sie arbeiten, bekam sie vom Ehemann oft zu hören: "Ich verdiene genug, dass du zu Hause bleiben kannst." Nur Rabenmütter forderten "Selbstverwirklichung". Ihren Töchtern sagten diese Frauen: Du hast die Chance, du kannst beides haben. Seitdem versuchen sich die Töchter tapfer an Kind + Karriere.

Zugegeben, die praktische Umsetzung des Modells ist auch heute ein Überlebenskampf. Wer kennt nicht die Geschichten junger Paare, die die Hochzeit aufschieben, weil Alleinerziehende bessere Chancen auf einen Krippenplatz für das Baby haben? Das aber ändert nichts daran, dass der Wertewandel in der Gesellschaft stattgefunden hat. Die Politik vollzieht den wieder einmal nur nach

Ein wenig weibliches Misstrauen wäre deshalb klug: Denn neuer Ausgangspunkt sind nicht individuelle Lebensentwürfe, sondern ökonomische Erfordernisse. Beides, das Lamento über den Kindermangel wie das Credo der Vereinbarkeit, leitet sich aus der demografischen Gleichung ab: Deutschland schrumpft, also brauchen wir mehr Babys und mehr arbeitende Mütter. Wo aber Geburten nur ein Versprechen auf die Zukunft darstellen, ist jede zusätzlich werktätige Mutter ein unmittelbarer Wohlstandsjoker. Sie zahlt Steuern, Renten-, Arbeitslosen-, Krankenkassenbeiträge. Und das teure Ehegattensplitting und die beitragsfreie Mitversicherung erledigen sich quasi von selbst.

Mixa hatte recht mit seiner Analyse: Das weibliche Humankapital soll nicht Möhrenbrei anrühren, sondern das Bruttosozialprodukt mehren. Zwar liegt die Erwerbsquote der Frauen mit einem Kind in Deutschland schon bei über 70 Prozent. Doch die skandinavischen Rekordwerte von 80 Prozent machen Ökonomen sinnlich. Was für ein Potenzial für die Wirtschaft! Und das Land bräuchte viel weniger Zuwanderer: Frauen statt Inder.

Im wirklichen Leben mag solche Motivforschung schnurzegal sein. Wenn verzweifelte Eltern eine Kita finden und davon die Gesellschaft profitiert, warum nicht? Familienpolitik ist eben, auch wenn das Wort verpönt ist, Bevölkerungspolitik. Jedenfalls dann, wenn sie erkennt, dass eine Gesellschaft Kinder braucht, um zu existieren, und darüber nachdenkt, die Gebärfreudigkeit zu steigern.

Doch Frauen, seid wachsam! Die Überschneidung zwischen gesellschaftlichen und persönlichen Interessen könnte ein neues Leitbild zementieren: "Mutti an der Werkbank" statt "Mutti am Herd"". Es ist schon merkwürdig, wie viel Lob die DDR in Sachen Kinderbetreuung posthum erfährt. Ja, da gab es Kinderbetreuung zuhauf
- damit sich die Frauen in den Produktionsprozess einfügten.

Erzieher Staat

Von der Leyens Kita-Offensive trifft auf ein neu erwachtes Staatsvertrauen, das zum Beispiel Kindergartenpflicht für die richtige Antwort auf Erziehungsmängel hält. Dazu passt auch, dass die Diskussion über bezahlte Hausfrauenarbeit verstummt ist. Und die aktuelle Wahrnehmung seltsam verzerrt: Denn wo, bitte, ist Wahlfreiheit, wenn der Staat Kitas subventioniert und leer ausgeht, wer seinen Nachwuchs zu Hause aufzieht?

Auffällig wenig wird dabei über die Qualität der staatlichen Kitas diskutiert. Lieber streitet man den alten Streit, ob Kinder ganz prinzipiell dort oder daheim glücklicher aufwachsen - als käme es am Ende nicht einzig darauf an, wie viel Liebe und Fürsorge sie erfahren. In welchem Modell das zu verwirklichen ist, sollte Sache der Eltern bleiben.

Kluge Emanzipation ist nicht die, die aus Frauen die besseren Traditionsmänner macht. Die emanzipierte Frau lebt, was sie für richtig hält. Eine Bekannte berichtete kürzlich mal wieder über den täglichen Wahnsinn zwischen Familie und Beruf. Wahrscheinlich werde ihre Tochter sie eines Tages fragen, warum sie sich das eigentlich angetan habe. Hausfrau sei doch cool.

Autor/Autoren: Ines Zöttl

(c) FTD

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Barbarus hic ergo sum, quia non intellegor ulli.


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