Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Verbote: Über den Giftnebel staatlicher Fürsorge

Christine ⌂, Sunday, 18.03.2007, 11:06 (vor 6850 Tagen) @ Christine

Die Legislative glaubt, sie könne mit Verboten böse Gelüste tilgen, und die Obrigkeit nutzt jede Gelegenheit zur Verkündung ihrer angeblich schützenden Mission, empört sich der Soziologe Wolfgang Sofsky auf WELT ONLINE. Und stellt fest: Die ganze Verbieterei bringt nichts.

Früher durfte man den Rasen nicht betreten, Gelüste verbannte man in Sperrbezirke, verfemte Filme, Bücher und Wörter setzte man auf den Index. Nun greifen neue Verbote in den Alltag der Sinne ein. In den rauchfreien Zonen breitet sich der Giftnebel staatlicher Fürsorge aus. Räume sollen nicht mehr mit Glühbirnen beleuchtet, an den Bildschirmen sollen keine Pixelfiguren mehr beschossen, bei Tisch soll nicht mehr wahllos geschlemmt, am Stammtisch niemand mehr verlästert werden, und sonntags hat das Automobil in der Garage zu bleiben. Immer weiter gerät der Untertan unter die Fuchtel selbst ernannter Gesundheitsapostel, Toleranzprüfer, Klima- oder Sittenwächter.

Man sollte die Propaganda des Verbots niemals wörtlich nehmen. Nicht immer geht es um Sicherheit, Klimaschutz oder Volksgesundheit, um die Obhut bedrohter Minderheiten oder gekränkter Mehrheiten. Mitnichten sollen die Menschen voreinander geschützt oder der einzelne vor Sucht und Versuchung bewahrt werden. Längst erfasst die Verbotspolitik auch Bereiche, in denen ein Schaden entweder Privatsache oder höchstenfalls Ansichtssache ist.

Die offizielle Begründung ist oft nur ein Vorwand für individuelle Profilierung und staatlich verordneten Freiheitsentzug. Das Regime der Untersagung zielt zuerst auf die Ausdehnung von Macht und Einfluss. Verbote sind wie Befehle. Sie fordern prompten Gehorsam. Der totale Rechtsstaat will die Gesellschaft erziehen und steuern. Nicht das Gemeinwesen der Individuen, die Justiz soll über das Tun und Lassen der Menschen bestimmen.

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Vor Genüssen wird ausdrücklich gewarnt

Sobald der Staat die Gesellschaft erobert hat, ist es mit der Freiheit der Bürger vorbei. Die Gesellschaft ist sich ihrer Macht nicht mehr sicher. Mehr und mehr dringt sie selbst auf die Überwachung ihrer selbst. Milde und Nachsicht sind ihr ebenso unmöglich wie das Vertrauen auf die Selbstregulation im Konflikt-Fall. So selbstverständlich ist den Untertanen die Inflation der Vorschriften, dass ihnen der Freiheitsverlust gar nicht mehr auffällt.

Verbote bestimmen das Tempo der Fortbewegung, die Rationierung des Parkraums und die Zufahrt zu den Innenstädten. Verordnungen regeln die Kauf- und Konsumzeiten, sie untersagen steuerfreie Arbeiten, riskante Wetten und zufälliges Spielglück. Vor Genüssen wird ausdrücklich gewarnt, exzessive Gelüste werden gebrandmarkt, und der Rausch, in dem sich der Untertan gelegentlich von der Last seiner selbst befreit, unterliegt schon immer argwöhnischer Dauerbeobachtung.

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Verbote fordern ständige Überwachung. Der Staat als Hüter der Sittlichkeit - das ist ein Vollbeschäftigungsprogramm für Heerscharen von Alarmrufern, Denunzianten und Anklägern. Keine Norm ohne Strafe. Der Abschreckungseffekt ist jedoch gering. Die allermeisten Übeltäter spekulieren darauf, nicht ertappt zu werden. An eigenen Lastern sind stets die anderen schuld. Und wer erwischt wurde, der schiebt seine missliche Lage meist nicht sich selbst, sondern den Aufpassern zu. Je mehr Normen, desto mehr Untaten und desto umfangreicher die Kontrollbürokratie. Nicht bessere Sitten sind das Ziel staatlicher Verbotspolitik, sondern das Wachstum des Apparats.

Verbote erscheinen vielen als erstes Mittel der Zivilisation. Es sind keineswegs nur die beharrenden Kräfte, die auf das Allheilmittel der Repression setzen. Häufig sind es gerade die Gutgläubigen im Lande, die auf das Zerplatzen ihrer Illusionen mit Wut und drakonischen Maßnahmen reagieren. Erweisen sich Laster als untilgbare menschliche Neigung, ist der moralische Kater groß. Offenbar ist dem Gattungswesen weder mit Erziehung oder Dauerberatung noch mit gutem Willen so recht beizukommen. Aber auch Verbote schaffen die Übel der Freiheit nicht aus der Welt, auch der geknebelte Mensch wird niemals so sein, wie er sein soll. Auf Dauer hat Zwang noch niemanden gebessert. Verbote sind ebenso hilflos wie Appelle an höhere Werte. Das Handeln der Menschen richtet sich im Allgemeinen nicht nach auferlegten Normen. Was einer taugt, sagt ihm nicht die Pflicht, sondern die Tugend. Tugenden jedoch sind schon seit langem in Verruf, seit jener Zeit nämlich, als man begann, alle Verantwortung dem Staat zu übertragen und Unsitten mit törichten Verboten zu bekämpfen.

Der komplette Text ist hier zu finden

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7. Familienbericht http://dip.bundestag.de/btd/16/013/1601360.pdf
Seite 234, Familienarbeit: - Väter 70 Std. - Mütter 46 Std.
Siehe auch: http://www.wgvdl.com/forum/index.php?id=12360

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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein


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