Mannsein ist ein Risiko an sich
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"Mannsein ist ein Risiko an sich"
Arztbesuch, Frauensache? Männer, die gesund leben? Debatte um die Diskrepanz der Geschlechter in Gesundheitsfragen - Eine STANDARD-Diskussion
Noch immer ist es für Männer keine Selbstverständlichkeit, sich aktiv um die eigene Gesundheit zu kümmern. Warum Männer solche Ignoranten sind, diskutierte Bert Ehgartner mit Sozialmediziner Michael Kunze und dem Epidemiologen Marcus Müllner.
STANDARD: Männer sterben im Schnitt sechs Jahre früher als Frauen und sind vor ihrem Tod doppelt so lange pflegebedürftig. Haben Männer genetisch die schlechteren Karten?
Kunze: Das im Verhältnis zum X-Chromosom der Frauen kleinere Y ist natürlich ein Nachteil. Mannsein ist ein Risiko an sich. Auch der riskantere Lebensstil ist sicher zum Teil genetisch gesteuert. Männer rauchen mehr, trinken mehr, leben gefährlicher.
Müllner: Ich glaube, die Evolution hat noch gar nicht Zeit gehabt, darüber nachzudenken, was mit uns nach dem 30. Lebensjahr passieren soll. Denn viel älter werden wir - als Gruppe - erst seit rund 200 Jahren.
Kunze: In der Tat ist die biochemische Anpassung beim Menschen hinter der Lebenserwartung zurückgeblieben. Wir haben noch immer den Stoffwechsel eines bewegungsorientierten Steinzeitmenschen, obwohl wir die meiste Zeit im Büro sitzen. Und wir bräuchten eine viel größere Leber bei unserem Alkoholkonsum.
STANDARD: Welche Rolle spielt die Erziehung? Sind Männer in ihrem Gesundheits-Selbstbild noch immer durch Sprüche wie "ein Indianer kennt keinen Schmerz" geprägt?
Müllner: Wir bekommen dieses Rollenverhalten natürlich zum Teil anerzogen. Aber es steckt in Wahrheit viel tiefer. Nehmen Sie nur als Beispiel, wie sich Männer Frauen nähern. Ein Mann versteht Freundlichkeit viel eher als sexuelle Aufforderung. Weil er hat ja nichts zu verlieren. Bestenfalls kann er sich vermehren, im schlechtesten Fall kriegt er eine Abfuhr. Wir glauben oft nur, dass wir uns entscheiden. Der wirkliche Impetus liegt aber jenseits unseres Bewusstseins.
Kunze: Die Sozialisation des Menschen erfährt gerade einen Wandel, der nicht immer zum Vorteil der Frauen ist. Wenn sie vermehrt mit dem Motorrad rasen, Alkohol trinken und rauchen. Von der Epidemiologie gescheiter wär es gewesen, dass Männer eher klassisch weibliche Tugenden annehmen als umgekehrt.
Müllner: Ich laufe sehr viel, und da mache ich oft die Beobachtung, dass es Frauen gar nicht interessiert, wenn sie von jemandem überholt werden. Männer hingegen, auch wenn sie noch so schlecht trainiert sind, halten es nicht aus, wenn ihnen jemand vorläuft. Das hat wenig mit Erziehung zu tun, das sitzt viel tiefer.
STANDARD: Besonders der Laufsport zeigt, dass sich Männer - über die diversen Messwerte - regelrecht als Maschinen begreifen, die man tunen kann. Ist es ein Grundproblem der Männer, dass sie zu ihrem Körper so eine technische Beziehung haben?
Kunze: Ein defensiverer Lebensstil wäre für den Mann sicher nützlich. Aber dem steht eben die hormonelle Situation gegenüber. Das ist ja der Witz des Testosterons, dass es antreibt, dass es Leistung bringt, die dann auch zur Aggressivität führen kann. Und der liebe Gott oder die Evolution wollte schon die Frau schützen, weil die wird gebraucht für die Kinder. Wir sind ja an der ganzen Geschichte nur kurzfristig beteiligt.
Müllner: Sich etwas Gutes zu tun als Mann ist zudem nicht so einfach. Da können wir nicht einfach die Frauen kopieren. Ich beispielsweise find es ganz schrecklich, mich einzucremen.
Kunze: Dadurch, dass es schon sehr lange Frauenärzte gibt, ist auch die Beziehung des weiblichen Geschlechts zur Medizin eine andere. Die Frau ist gewöhnt, regelmäßig zum Arzt zu gehen. Wir sind das nicht gewöhnt. Es gibt ja auch keinen wirklichen Männerarzt.
STANDARD: Als solche präsentieren sich doch Andrologen?
Kunze: Ja, das behaupten sie. Aber es gibt auch einen Mann oberhalb des Nabels. Bisher hat man die ganze Männermedizin eher auf Prostata und Potenzstörungen beschränkt. Aber ein Mann hat schon auch einen Kopf.
STANDARD: Was kann man denn vonseiten der Medizin tun, um das Leben der Männer insgesamt zu verbessern und zu verlängern?
Müllner: Wenn man sich die derzeit greifbare Evidenz zu den einzelnen Präventions-Maßnahmen ansieht, dann ist das de facto eher mager. Selbst wenn es gelingen würde, mit einem Schlag alle 30-Jährigen zum Sport zu bringen, dann verlängert man - nach den verfügbaren Daten - ihre Lebenserwartung bestenfalls um sechs Monate. Auch wenn Bewegung natürlich die Lebensqualität verbessert. Bleibt als Ratschlag, die Zeit, die man hat, möglichst gut zu nutzen und zu genießen.
Kunze: Wobei das Genießen aber eine unendliche Bandbreite hat. Der eine kriegt den Kick, wenn er einen Marathon läuft, und der andere glaubt, das einzig Wahre ist das Glaserl Wein. Aber rein rechnerisch wissen wir schon, dass wir die Lebenserwartung der Männer wesentlich erhöhen könnten, wenn man nur das Tabakproblem in den Griff kriegt. Wenn wir wollen, dass die jungen Burschen nicht anfangen zu rauchen, ist ein hoher Preis die beste Abschreckung. Mit der Betonung des Risikos des Rauchens haben wir hingegen die Testosteronträger sogar eher angelockt als abgeschreckt.
STANDARD: Muss man die Männer also anders ansprechen?
Kunze: Frauen sind viel mehr an Gesundheit interessiert. Sie haben ein natürliches Interesse am Wohlergehen ihrer Kinder, und dafür wollen sie auch selbst gesund bleiben. Bei Männern hingegen sind solche Zehn-Minuten-Checks, wie sie die Apotheken anbieten, sinnvoll, weil die Zugangsschwelle niedrig ist. Und uns ist es lieber, die Männer lassen sich das Cholesterin zumindest ein Mal messen als gar nie.
Müllner: Aber da kommen ja nur bestimmte Leute hin, so wie zu Gesundenuntersuchungen. Die sind jünger, gesünder, sozioökonomisch besser gestellt. Da erwischt man nicht jene, bei denen wirklich viel gutzumachen wäre. Und was macht man dann, wenn der Blutdruck bestimmt, was meist mit Übergewicht einhergeht?. Der Satz: Nehmen's 20 Kilo ab, geht da rein und da wieder raus.
Kunze: Wenn wir ein Gewichtsreduktionsprogramm anbieten, kommen 85 Prozent Frauen. Männer trauen sich nicht her.
Müllner: Wenn man wirklich Effekte setzen will, muss das eine gesundheitspolitische Metaebene darstellen, wo man wirklich Sport so sehr fördert, dass das der großen Gruppe der Bevölkerung in Fleisch und Blut übergeht. Dass man sich gar nicht mehr vorstellen kann, sich nicht regelmäßig zu bewegen. Das muss ganz wo anders stattfinden. Was wir Mediziner sagen, ist lieb, aber mehr schon nicht.
STANDARD: Nun ist die Mammografie-Reihenuntersuchung mit Erinnerungssystem vielerorts schon Realität. Bei Männern gibt es - beispielsweise beim Prostatakarzinom - nichts Derartiges. Warum?
Müllner: Es gibt bestimmte Kriterien, wann ein Screening sinnvoll ist. Auf das Prostatakarzinom trifft jedoch fast nichts davon zu. Auch der PSA-Bluttest zur Früherkennung ist problematisch. Es gibt so viele Gründe, warum der Wert erhöht sein kann. Und dann hat man einen armen Mann da sitzen, wo man als Arzt nicht wirklich weiß, was man nun tun soll: zuschauen, chemisch oder chirurgisch kastrieren oder ganz radikal operieren - mit einer Riesenkomplikationsrate. Das ist nicht Vorsorge-geeignet.
Kunze: Wir brauchen endlich eine Ethik der Gesundheits-Vorsorge, in der festgelegt ist, was wir den Leuten sagen. Mit einer genauen Nutzen-Risiko Abklärung. Denn eine Vorsorgemaßnahme darf niemals Schaden anrichten.
STANDARD: Was soll man außer dem Rauchstopp Männern denn raten?
Müllner: Das ist letztlich ein Dilemma. Deshalb ist auch meine subjektive Botschaft, dass wir im Rahmen des Möglichen das tun sollten, was uns Freude spendet. Vielleicht ist es anders, wenn ich einmal älter bin. Aber zur Zeit denke ich, dass ein plötzlicher Herztod im Alter von zirka 74 Jahren für mich eine ganz gute Vorstellung ist.
Kunze: Die Golden Agers, die 50-plus-Generation, die sind agil, haben Geld, sind vielfach schon in Pension. Sie müssen sich mal mit denen unterhalten: Die reden vor allem über Meniskus, Kreuzband und andere Sportverletzungen. Das wäre bis vor Kurzem undenkbar gewesen, wie sich das Leben im Alter verändert hat.
STANDARD: Verkraften Männer den Ruhestand tatsächlich leicht?
Kunze: Sie können schon in ein psychisches Loch fallen. Und das macht enorme Spannungen, wenn der Mann plötzlich zu Hause ist. Er weiß nicht, was gebraucht wird, will aber einkaufen gehen, hängt herum. Viele bereiten sich aber fantastisch vor, mit Feuerwehr und Sportverein und freuen sich auf die Pension. Andere sitzen nur noch im Wirtshaus und bewegen sich gar nicht mehr.
STANDARD: Kommen nicht schon in den Schulen mit dem Zwang zum Stillsitzen vor allem die Bedürfnisse der Buben zu kurz?
Kunze: Schulen sind tatsächlich eher Mädchenschulen. Das beginnt schon damit, dass meistens Lehrerinnen in den Volksschulen unterrichten und dass Mädchen in der Schule auch bessere Leistungen bringen, was dann schon auf die kleinen Männer einen Leistungsdruck ausübt. Wir sollten wieder mehr männliche Lehrer haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.1.2007)
02. Jänner 2007
16:09
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roser parks,
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- Mannsein ist ein Risiko an sich -
Kurti,
04.01.2007, 21:23
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roser parks,
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Nihilator,
04.01.2007, 22:52
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Nihilator,
04.01.2007, 22:52
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MrX,
05.01.2007, 00:34
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Kurti,
05.01.2007, 04:16
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