Wie wird ein Mann ein Mann? Gerald Hüther im Interview
Posted by Sylvia Göthel V&R under Autor des Monats, Buch des Monats,
Psychologie | Schlagworte: Das männliche Gehirn, Das schwache
Geschlecht, Gerald Hüther, Geschlechterrollen, Männer und Frauen | [2]
Comments
Gerald Hüther
Gerald Hüther
Gerald Hüther ist ein vielgefragter Mann. Letzte Woche diskutierte er
mit Gerd Scobel, Klaus Theweleit und Georg Uecker über den >Mythos
Mann«, im Oktober ist er zu Gast beim Göttinger Literaturherbst. Darum
freuen wir uns ganz besonders, dass er sich die Zeit genommen hat,
einige Fragen zu seinem kürzlich erschienenen Buch >Männer – das
schwache Geschlecht und sein Gehirn« zu beantworten.
1. Herr Hüther, in Ihrem neuen Buch gucken Sie dem Mann in den Kopf. Sie
beleuchten das männliche Gehirn, bis heute ein Mysterium für so manche
Frau. Vielen Dank, dass Sie Licht ins Dunkel der Frauen-, aber auch der
Männerwelt gebracht haben. Zunächst eine Frage, die uns Frauen brennend
interessiert: Können Männer tatsächlich besser rückwärts einparken?
Eigentlich wollte ich mit diesem Buch ja den Männern dabei helfen, etwas
besser zu verstehen, was in ihrem Oberstübchen so vorgeht.Dass das auch
Frauen interessiert, hatte ich gehofft. Entscheidend für die
Beziehungsgestaltung ist es aber sicher nicht, dass Männer im
Durchschnitt ihr räumliches Orientierungsvermögen besser trainiert
haben, ihr Hippocampus deshalb etwas stärker entwickelt und vernetzt ist
und sie deshalb vielleicht auch besser Autos einparken können.
2. Warum sind Männer und Frauen so unterschiedlich? Ist es genetisch
bedingt, dass sich Männer für Formel 1 und Computerspiele interessieren?
Liegt es allein am fehlenden Y-Chromosom, dass Frauen lieber shoppen
gehen, als Fußball zu gucken?
Um das herauszufinden, müssten Sie eigentlich das Buch lesen. Aber so
viel schon mal vorweg: es liegt daran, dass schon die kleinen Jungs mit
einem etwas anders gebauten Gehirn auf die Welt kommen. Und das liegt
wieder daran, dass deren Gehirn schon vor der Geburt mehr Testosteron
abbekommen hat. Dadurch sind, wenn man sich das Gehirn als Orchester
vorstellt, die Pauken und Trompeten etwas stärker nach vorn und die
melodietragenden, harmonischen Instrumente mehr nach hinten gerückt. Ja,
und mit so einem Hirnorchester machen schon die kleinen Jungs eine
andere Musik und sie interessieren sich damit auch für andere Dinge als
die Mädchen – freilich wieder nur im Durchschnitt.
3. Während Jahrzehnte lang die kleinen Mädchen als das schwache
Geschlecht galten, sind es heute die kleinen Jungs, die uns Sorge
bereiten. In der Schule fallen sie eher durch schlechtes Betragen als
durch gute Noten auf und jugendliche Amokläufer sind in der Regel
männlich. Müssen wir uns um die Männer von morgen ernstlich Sorgen
machen?
Ja, das glaube ich schon. Es ist ja jetzt schon ziemlich bedenklich in
welche Fehlentwicklungen immer mehr Jungen hineingeraten. Sie finden zu
wenige Aufgaben, an denen sie wachsen, Kompetenzen erwerben und zu
starken Persönlichkeiten heranreifen können. Ihnen fehlen
Herausforderungen und Abenteuer, um sich selbst kennenzulernen. Und sie
brauchen Gemeinschaften, in denen sie sich sicher und geborgen, zu denen
sie sich zugehörig fühlen, andere, mit denen sie gemeinsam Aufgaben
bewältigen und Visionen entwickeln und umsetzen. Das sollten auch nicht
immer nur Gleichaltrige sein, oder irgendwelche Superhelden aus den
Medien, sondern erwachsene Männer, die mit beiden Beinen im Leben
stehen. Die werden aber offenbar leider auch immer seltener.
4. Jahrhunderte lang waren die Geschlechterrollen klar definiert: Die
Frau kümmert sich um Haus und Kind, während der Mann, der Ernährer, für
die Versorgung der Familie verantwortlich ist. Ist der Mann, so wie wir
ihn von früher kennen, in Zeiten der Gleichberechtigung ein
Auslaufmodell? Oder anders gefragt: Was macht einen Mann heutzutage zu
einem Mann?
In jeder Kultur haben die Männer irgendwelche Rollen übernommen. Meist
freiwillig und meist schon von Kindesbeinen an. Ernährer, Geldbeschaffer
oder Beschützer, Erfinder, Abenteurer, Krieger und Verteidiger – es war
egal, was es war, nur eines musste es unbedingt sein: bedeutsam,
wichtig, geschätzt und halt-bietend. Auf ihrer Suche nach Halt und
Anerkennung sind Männer sehr leicht dazu zu bringen, alle möglichen
Aufgaben zu übernehmen und die dazugehörigen Rollen zu spielen – oft so
lange, bis sie sich mit diesen Rollen völlig identifizieren. Eine
besonders beliebte Rolle war die des Machthabers – über andere, vor
allem über Frauen. Das ist nun alles in relativ kurzer Zeit ins Wanken
geraten. Männer haben es heutzutage sehr schwer, eine Rolle zu finden,
die ihnen Anerkennung, Achtung und Bedeutsamkeit verschafft.
Viele dieser tradierten Rollen sind >out« oder werden inzwischen von
Frauen sehr kompetent besetzt. Männer sind so gezwungen, wieder zu
Suchenden zu werden. Und diese Suche beginnt nicht im Außen, sondern im
Innen, bei ihnen selbst. Der moderne Mann wäre einer, der seine Stärke
nutzt, um anderen zu helfen und nicht, wie das die alleingelassenen
Jungs heute noch immer üben, um andere in den Sack zu hauen und fertig
zu machen. Der moderne Mann müsste ein Liebender werden.
5. Herr Hüther, in Ihrem Buch beschreiben Sie 12 entscheidende
Stationen, die der Mann bei seiner gelungenen Transformation vom
schwachen Geschlecht zu echter Stärke durchläuft. Viele Wege sind
allerdings durch die auf tradierten Männerbildern fußende Erziehung oder
Dressur, wie Sie es auch nennen, vorgezeichnet und man ahnt, wohin sie
führen. Besteht die Hoffnung für den Mann, auch im höheren Alter diese
ausgetretenen Pfade der Männlichkeit zu verlassen?
Das ist ja die frohe Botschaft der modernen Hirnforschung: es geht und
zwar ein Leben lang, auch noch im Alter. Man(n) kann sich ändern, man(n)
kann sein Hirn noch einmal ganz anders benutzen als bisher. Dann ändern
sich dort auch die alten, eingefahrenen Verschaltungsmuster. Das kann
sehr viel Spaß machen und auch sehr beglückend sein. Aber von allein
passiert es eben nicht.
6. Wann würden Sie ein männliches Leben als geglückt bezeichnen?
Wenn sich ein Mann jeden Abend zu sich selbst sagen kann, dass das
wieder ein Tag war, an dem es ihm gelungen ist, einen oder mehrere
andere Menschen einzuladen, zu ermutigen oder gar zu inspirieren, noch
einmal eine andere, eine positivere Erfahrung als bisher zu machen, zu
entdecken, was in ihm oder in ihr steckt, was es heißt seine Potenziale
wirklich entfalten zu können.
Quelle: maennerrat news
http://www.maennerrat.de
gesamter Thread:
- Wie wird ein Mann ein Mann? Gerald Hüther im Interview -
Moni,
24.12.2009, 17:47
- Werden ??? - Wie soll ein Mann werden, was er schon ist ??? - Schwachsinnige Frage !!! (nT) - Swen, 24.12.2009, 17:59
- Wie wird ein Mann ein Mann? Gerald Hüther im Interview - Roslin, 24.12.2009, 18:12
- Wie wird ein Mann ein Mann? Gerald Hüther im Interview - Klausi, 24.12.2009, 18:15
- Mööööhööhö... - roser parks, 24.12.2009, 21:31