Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: IN 9 EU-LÄNDERN MIT 65 IN PENSION

Maesi, Saturday, 06.04.2002, 13:07 (vor 8647 Tagen) @ Joachim

Als Antwort auf: Re: IN 9 EU-LÄNDERN MIT 65 IN PENSION von Joachim am 20. März 2002 20:42:15:

Hallo Joachim

Ich weiss, ich bin ein bisschen spaet mit meiner Antwort auf Dein Posting (hatte leider bisher keine Zeit dazu).

jaoachim, warum forderst du nicht einfach "männer sollen auch ab 60 jahren in rente gehen können"?
das wärs doch, oder?

nein, schon aus prinzip nicht, wehrpflicht und sonstige benachteiligungen von männer sollen auch auf frauen ausgedehnt werden, damit euch endlich ein bewusstsein über die benachteiligung von männer klar wird, sonst würdet ihr nie die benachteiligung der männer kennen lernen und ihr sollt es am eigenen leib erfahren müssen, was männer alles erleiden müssen....

Ich halte solche Revanchegedanken fuer kontraproduktiv. Beim Pensionsalter muss aus Gleichstellungsgruenden eine Angleichung vorgenommen werden. Ob jetzt alle mit 65 oder 60 oder irgendwo dazwischen in Rente gehen, ist eine Frage, die mit der Gleichberechtigung gar nichts zu tun hat.
Eine Wehrpflicht fuer alle (Maenner und Frauen) ist voellig unrealistisch, soviele Wehrpflichtige (selbst nach Ausmusterung der Dienstuntauglichen) koennte das Heer gar nicht gebrauchen. Realistisch waere hoechstens eine allgemeine Dienstpflicht fuer alle, allenfalls mit Wahlmoeglichkeit (Sozialer Dienst oder Wehrdienst). Ob eine allgemeine Dienstpflicht akzeptiert wuerde, muss unter politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten ohne Einbezug von Geschlechterpolitik ausgeleuchtet werden.

hier einige punkte: männer sind unterhaltszahler, meistens ohne rechte, kindesentzug steht an der tagesordnung, werden finanziell massiv ausgebeutet, wehrpflicht/zivildienst werden nur männer auferlegt, warum gibt es fast ausschliesslich nur obdachlose männer?

Du zaehlst hier gleich mehrere Problemfelder auf. Die ganze Unterhaltsproblematik hat ihre Wurzeln in einer Sicht, die eigentlich aus dem 19. Jahrhundert stammt: Frau wird von Mann geschwaengert, aber nicht geheiratet; fortan hat er nicht nur fuer das Kind sondern auch fuer die uneheliche Mutter finanziell aufzukommen, da sie gemaess dem damals herrschenden buergerlichen Weltbild gar nicht erwerbstaetig zu sein brauchte. Diese Weltsicht ist heutzutage ein Anachronismus. Frauen sind heute erwerbstaetig (waren sie uebrigens auch damals schon, zumindest in der Klasse der Werktaetigen) und wollen es auch sein. Eine Unterhaltspflicht gegenueber dem Expartner (nach Scheidung oder Trennung) ist deshalb unsinnig.
Interessanterweise ist in diesem Bereich die feministische Ideologie voellig inkonsequent. Einerseits werden dieselben Karrieremoeglichkeiten fuer Frauen wie Maenner gefordert und zwar unabhaengig davon, ob Kinder vorhanden sind oder nicht; andererseits werden zur Begruendung der nachehelichen Unterhaltspflicht des Mannes gegenueber der Expartnerin wiederum die Kinder vorgeschoben, indem behauptet wird, die Mutter koenne gar nicht Vollzeit arbeiten gehen. Reaktionaere Kreise und auf den Vorteil ihrer eigenen Klientel bedachte, feministische Kreise gehen hier eine unheilige Allianz ein. Bei dem feministischen Partnerschaftsgesaeusel handelt es sich meist bloss um Lippenbekenntnisse, denn wenn es hart auf hart kommt, darf die muetterliche Entscheidungshoheit ueber die Kinder (Muttermacht) keinesfalls angezweifelt oder gar angetastet werden.
Die Muttermacht ('nur die Mutter weiss, was das beste fuer ihre Kinder ist') wurde vom Feminismus bereitwillig in ihrer Weltanschauung adaptiert, als offenbar wurde, dass viele Frauen diese Macht gar nicht mit den Vaetern teilen wollen. Es gibt Umfragen, die belegen, dass die Mehrheit der Frauen den Vater in der Kindererziehung fuer unwichtig und somit entbehrlich oder wenigstens beliebig austauschbar haelt. Feministischerseits wird die Entbehrlichkeit von Vaetern zusaetzlich ideologisch untermauert (vgl. 'Alleinerziehen als Befreiung' von Anita Heiliger), oder die Vaeter mittels grenzenlos aufgeblasener Opferzahlen von misshandelten Kindern gar als schaedlich hingestellt; bei entsprechender Gelegenheit wird natuerlich trotzdem die Abwesenheit und das angebliche Desinteresse der Vaeter sowie die damit verbundene Doppelbelastung der Muetter lauthals beklagt.
Eine Untersuchung ueber den Zusammenhang zwischen Obdachlosigkeit von Maennern und deren finanzielle Ausbeutung durch Expartnerinnen waere in der Tat interessant.
Das Problemfeld Wehrpflicht/Zivildienst ist genau genommen keine logische Einheit; Wehrdienst und Zivildienst haben nichts miteinander zu tun. Der Zivildienst wurde lediglich geschaffen fuer jene Maenner, die keinen Wehrdienst leisten wollen oder koennen. Die Frage einer Dienstpflicht hat nur insoweit etwas mit der Gleichstellungsfrage zu tun, als derzeit eine verfassungsmaessig abgesegnete Maennerdiskriminierung stattfindet; sobald diese Diskriminierung beseitigt ist, ist es keine Angelegenheit der Gleichstellungspolitik mehr. Es muss dann vielmehr die Frage gestellt werden, ob eine (wie auch immer geartete) Dienstpflicht sinnvoll ist, und ob sie demokratisch legitimiert ist. Sofern diese beiden Bedingungen zutreffen, steht IMHO einer Dienstpflicht nichts im Wege. Der Vergleich der Dienstpflicht mit 'Sklavendienst' waere dann nicht (mehr) zutreffend, da jeder von der Dienstpflicht betroffen waere.
Mit Sklaverei wird normalerweise die unentgeltliche Arbeit spezieller Menschengruppen (eben der Sklaven) gemeint, die von anderen Gruppen durch ihren sozialen Status unterscheidbar ist bzw. war; Sklaven waren weitgehend oder gar voellig rechtlos. Ausserdem war der Sklavenstatus normalerweise unbefristet, d.h. wenn jemand erstmal Sklave war, dann blieb er es auch; er war auch nicht in der Lage aus eigener Kraft diesen Status zu aendern sondern war in dieser Beziehung vom guten Willen seines Herrn abhaengig. Eine Dienstpflicht ist demgegenueber befristet auf eine bestimmte Dauer, der Dienstpflichtige ist keineswegs rechtlos und er hat auch keinen tieferen sozialen Status inne als andere nicht dienstpflichtige Menschen. Dein Vergleich hinkt deshalb, und ich waere ich Dir dankbar, wenn Du den geschichtlich erheblich vorbelasteten Begriff 'Sklavendienst' nicht mehr verwenden wuerdest, da er auf die Lage von Dienstpflichtigen nicht zutrifft
Dass bisher nur Maenner der Dienstpflicht unterliegen ist natuerlich nichtsdestotrotz blanker Sexismus. Mir ist bisher kein einziges ernstzunehmendes Argument untergekommen, das diese diskriminierende Ungleichbehandlung rechtfertigt. Die feministische Argumentation laeuft meist darauf hinaus, dass die Maennerwehrpflicht ja von Maennern eingefuehrt wurde, und die Frauen das gar nie gewollt haetten. Das ist natuerlich Unsinn, denn die Wehrpflicht in der BRD wurde IMHO 1957 (?) wiedereingefuehrt; da die Frauen zu diesem Zeitpunkt wahlberechtigt waren, muessen sie indirekt auch die Verantwortung fuer diesen Bundestagsentscheid zusammen mit den wahlberechtigten Maennern uebernehmen.
Verstaendlicherweise sperren sich Frauen generell gegen die Uebernahme zusaetzlicher Pflichten oder den Abbau ihrer bisherigen Privilegien (z.B. Heraufsetzung ihres Rentenalters). Frauen werden jedoch lernen muessen politische Kompromisse einzugehen bei der Gleichstellung der Geschlechter.
Bei der Maennerdiskriminierung bezueglich des Rentenalters ist ein generelles Rentenalter bei 60 Jahren allein schon aus finanziellen Gruenden unrealistisch, es sei denn, es wuerden die Rentenbeitraege erhoeht und/oder die Renten herabgesetzt. Ob das eine oder andere politisch und wirtschaftlich durchsetzbar ist, steht hingegen auf einem anderen (nicht geschlechterpolitischen) Blatt.

Gruss

Maesi


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