Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Preisfrage zum Kandidatenwatch?

Garfield, Friday, 19.08.2005, 14:02 (vor 7416 Tagen) @ Christian

Als Antwort auf: Preisfrage zum Kandidatenwatch? von Christian am 18. August 2005 20:08:

Hallo Christian!

Da zeigt sich wieder der übliche Denkfehler, der von der Politik ja auch ganz bewußt gefördert wird. Man geht davon aus, daß das Rentensystem so funktionieren muß, daß die jüngeren Generationen die Renten finanzieren.

Tatsächlich war das aber anfangs nur als Übergangslösung gedacht. Und genau deshalb wird die Rente ja auch bis heute lediglich nach den Beiträgen berechnet, die der Rentner im Laufe seines Arbeitslebens eingezahlt hat und nicht nach der jeweiligen Bevölkerungszahl.

Die Probleme resultieren vor allem daraus, daß unsere Politiker es auch in Zeiten steigenden Wohlstandes nicht für nötig gehalten haben, das Rentensystem endlich so umzugestalten, wie es einst geplant war, nämlich so, daß mit den eingezahlten Beiträgen vernünftig gewirtschaftet wird und daß jeder seine Rente wirklich selbst finanziert.

Stattdessen hat man die Rücklagen der Rentenversicherungen immer weiter gekürzt und sie obendrein auch noch immer mehr mit versicherungsfremden Leistungen belastet, weshalb man dann natürlich auch zunehmend Steuergelder in die Rentenkassen hineinpumpen mußte. Und jetzt kommt noch das Problem oben drauf, daß es immer weniger Beitragszahler, aber gleichzeitig immer mehr Rentner gibt. Die abnehmende Zahl der Beitragszahler resultiert keineswegs - wie uns die Poltitik immer glauben machen möchte - aus einer abnehmenden Bevölkerungszahl. Denn tatsächlich hat sich die Bevölkerungszahl bisher noch gar nicht verringert. Das Problem resultiert vo allem aus der zunehmenden Erwerbslosigkeit und der damit verbundenen sinkenden Zahl der Effektiv-Beitragszahler. Deshalb kann es logischerweise auch nicht durch Zunahme der Bevölkerungszahl gelöst werden, sondern nur durch Senkung der Erwerbslosenzahlen und durch sinnvolle Reformen der Rentenversicherung. Für beides fehlt unseren Politikern aber die Motivation, und so versuchen sie - leider oft mit Erfolg - das Problem dadurch zu lösen, indem sie verschiedene Gruppen der Bevölkerung gegeneinander aufhetzen, um so vom wirklichen Problem abzulenken.

Ein Erziehungsgeld hätte folgende Wirkungen:

Es müßte zunächst einmal von den Erwerbstätigen finanziert werden. Vor allem die Pflichtversicherten ohne Kinder oder mit wenigen Kindern wären davon betroffen, weil sie ja obendrein mit ihren stagnierenden oder gar sinkenden Einkommen auch schon Arbeitslosengeld, Renten, Sozialleistungen, Pflegeleistungen und das Gesundheitswesen ganz oder teilweise finanzieren müssen. Die Finanzierung des Erziehunsgeldes käme dann noch obendrauf.

Zwar wird es vielleicht so laufen, daß für das Erziehungsgeld auch Sozialbeiträge usw. gezahlt werden müssen - aber das ändert rein gar nichts an dieser Situation, weil diese Beiträge ja nicht von den Empfängern selbst erarbeitet werden, sondern letztendlich ebenfalls von anderen.

Die bestehenden Probleme würden sich also noch verschärfen. Es wird da gern damit argumentiert, daß so ein Erziehungsgeld doch die Kaufkraft von Eltern stärken und so neue Arbeitsplätze schaffen würde. Da ein Wirtschaftssystem normalerweise aber kein Perpetuum Mobile ist, Geld also nicht aus dem Nichts kommt (es sei denn, man druckt zuviel davon und erzeugt damit eine hohe Inflationsrate), sondern immer von irgendjemandem erarbeitet werden muß, muß gleichzeitig zwangsläufig die Kaufkraft derjenigen, die dieses Erziehungseld effektiv finanzieren, in gleichem Maße sinken. Die Wirkung auf die Kaufkraft ist dann also in der Summe gleich Null. Da wir auch kein in sich abgeschlossenes Wirtschaftssystem haben, kann das Ganze sogar nach hinten losgehen:

Ein Erwerbstätiger kann sich durch sein gesunkenes Einkommen dann beispielsweise keinen Kino-Besuch mehr leisten. Geht es vielen Erwerbstätigen so, dann verringert sich die Zahl der Kinobesucher deutlich, einige Kinos müssen schließen und die Zahl der Erwerbslosen steigt weiter.

Gleichzeitig kauft vielleicht eine Mutter von ihrem durch Erziehungsgeld gestiegenen Einkommen ein zusätzliches Mützchen für ihr Kind. Wenn das viele Mütter tun, schafft das vielleicht einige zusätzliche Arbeitskräfte in der Textilindustrie. Leider entstehen die dann aber beispielsweise in China, denn viele Textilunternehmen lassen grundsätzlich nur noch in Asien produzieren. Schade aber auch, denn die Chinesen werden wenig Neigung zeigen, das deutsche Erziehungsgeld mit zu finanzieren.

Und so richtig hart wird es werden, wenn das Erziehungsgeld tatsächlich Erfolg hat und sich die Zahl der Kinder deutlich erhöht.

Die Chancen dafür stehen nämlich gar nicht schlecht. Gerade die gering bis durchschnittlich verdienenden Pflichtversicherten werden, wenn sie jetzt auch noch für ein Erziehungsgeld noch mehr von ihren Einkommen abgeben müssen und dann auch mit Nebenjob am Wochenende kaum noch die Miete zahlen können, massenhaft darüber nachdenken, ob es nicht doch besser ist, den Job einfach sausen zu lassen, jede Menge Kinder in die Welt zu setzen und dann einfach von Erziehungsgeld, Kindergeld und von Sozialleistungen zu leben.

So werden sich die Kosten für das Erziehungsgeld immer weiter erhöhen. Und nicht nur das: Bald überfluten die vielen Kinder dann die Schulen. Was dann? Auch noch mehr Geld für Bildung ausgeben? Woher soll das noch kommen? Also wird man die Zahl der Kinder in den Klassen erhöhen, mit dem Ergebnis, daß die Qualität der öffentlichen Schulen deutlich sinken wird. Wer dann seinem Kind noch eine berufliche Zukunft sichern möchte, muß es auf eine Privatschule schicken. Das kostet dann aber - das wird auch mit Erziehungsgeld schwierig.

Die Wirtschaft wird das nicht stören, weil sie ja ohnehin immer weniger Arbeitskräfte benötigen wird. Das Heer der perspektivlosen Erwerbstätigen wird sich aber weiter erhöhen, und die Masse von ihnen wird wiederum Erziehungsgeld als Lösung des Problems ansehen...

Die Kosten dafür werden also immer weiter steigen, und gleichzeitig werden auch die Sozialleistungen sowie das Gesundheits- und Pflegesystem immer schwerer zu finanzieren sein. Auch für Zuzahlungen in die Rentenkassen wird immer weniger Geld da sein, und die Beitragszahlungen werden mit steigender Erwerbslosigkeit weiter sinken. Die steigende Bevölkerungszahl wird daran so gut wie nichts ändern.

Es gibt dann nur noch eine Lösung: Radikale Kürzung sämtlicher Leistungen. Das Erziehungsgeld wird dann auch abgeschafft werden, weil man feststellen wird, daß die Bevölkerung wieder genügend gewachsen ist und daß die Masse der neu hinzu gekommenen Menschen eh dauerhaft erwerbslos bleibt.

Dann wird sich das Preisniveau für Kinderprodukte aber längst an das durch Erziehungsgeld künstlich erhöhte Einkommen von Eltern angepaßt haben. Zwar werden die Preise nun wieder sinken, aber sie werden nur langsam sinken. Für viele Eltern wird sich dann tatsächlich daraus das Problem ergeben, daß sie sich ihre Kinder nicht mehr leisten können.

Daraus muß dann zwangsläufig ein Massenelend entstehen, wie wir es hierzulande schon lange nicht mehr erlebt haben. Nicht, daß wir davon verschont bleiben würden, wenn es kein Erziehungsgeld gibt und der bisherige Kurs der Politik so weiter beibehalten wird. Aber mit der zusätzlichen Belastung durch ein Erziehungsgeld und dann auch durch einen Bevölkerungszuwachs würde alles noch viel schneller bergab gehen.

Freundliche Grüße
von Garfield


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