Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Noch mehr Realitätsverhunzung

Garfield, Tuesday, 19.07.2005, 19:36 (vor 7447 Tagen) @ Conny

Als Antwort auf: Re: Noch mehr Realitätsverhunzung von Conny am 19. Juli 2005 13:13:

Hallo Conny!

Vergewaltigung gilt schon sehr lange als Straftat. Selbst unter Piraten wurde eine Vergewaltigung schon im 17. Jahrhundert oft schwer bestraft.

Vergewaltigung hat ja in der Justiz überhaupt nur deshalb einen so hohen Stellenwert bekommen, weil in früheren Zeiten, als man eine Vaterschaft nicht nachweisen konnte und als es kaum Heilmittel gegen diverse Geschlechtskrankheiten gab, viele Männer eben mehr auf die Jungfräulichkeit einer Frau achteten.

Schon in früheren Jahrhunderten waren ja viele Frauen keineswegs keusch und züchtig, genausowenig wie die Männer. Da es die modernen Verhütungsmittel noch nicht gab, war eine Schwangerschaft immer möglich, und wenn der Vater unbekannt war oder eine Familie nicht ernähren konnte, dann gab es vor allem in Städten häufig nur vier Auswege: Entweder Umzug an einen anderen Ort, wo frau sich als Witwe ausgeben konnte, dann aber ihr Kind oft allein ernähren mußte, oder heimliche Abtreibung, oder heimliche Geburt mit anschließender Entsorgung des Kindes vor der nächstbesten Kirchentür (oder womöglich mit anschließender Tötung des Kindes) oder aber schnell einen einigermaßen tüchtigen Mann zu heiraten, der vielleicht nicht so attraktiv war, aber eine Familie ernähren konnte und dem frau das Kind als seines unterjubeln konnte. Die mittleren beiden Methoden waren riskant, die erste sehr mühselig, die letzte aber sehr sicher. Das Problem bestand dann allerdings darin, so schnell einen Mann für eine baldige Heirat zu finden. Wenn die Schwangerschaft bemerkt wurde, war es ja schon höchste Zeit.

Die Männer versuchten dem - und bald auch dem Risiko von Geschlechtskrankheiten - eben vorzubeugen, indem sie großen Wert auf Jungfräulichkeit legten. Auch die Eltern der jungen Männer legten darauf Wert, vor allem, wenn sie vermögend waren. Man wollte sichergehen, daß das irgendwann zu vererbende Vermögen auch an ein Kind vom eigenen Fleisch und Blut geht und nicht an das Kind irgendeines armen Schluckers oder Herumtreibers. Und als es dann zum guten Ton gehörte, daß eine Braut noch Jungfrau sein mußte, kam noch dazu, daß man den Ruf der Familie nicht durch Heirat des Sohnes mit einer Frau mit zweifelhafter Vergangenheit schädigen wollte. Deshalb ging man dann manchmal sogar so weit, nach der Hochzeitsnacht ein blutbeflecktes Laken aus dem Fenster zu hängen, damit die werten Mitmenschen auch ja sehen, daß die Braut keusch und jungfräulich war. Das wirkt noch bis heute nach, denn auch heute noch werden die allermeisten Eltern wohl kaum laut losjubeln, wenn ihr Sohn ihnen erklärt, daß er beabsichtigt, eine ehemalige Prostituierte oder Pornodarstellerin zu heiraten.

Somit war Jungfräulichkeit für Frauen und auch für die Eltern der Frauen sehr wichtig. Je besser der Ruf einer jungen Frau war, umso weniger mußten die Eltern in ihre Mitgift investieren. Und umso höhere Anforderungen konnte eine Frau an ihren zukünftigen Ehemann stellen.

Daher rührte auch der Brauch der "Morgengabe". Das war ein Geschenk des Ehemannes an die Ehefrau nach der Hochzeitsnacht, und es galt als Entschädigung für die verlorene Jungfräulichkeit. Wenn der Mann sehr reich war, konnten zu dieser "Morgengabe" auch schon mal beträchtliche Ländereien gehören.

Wenn eine Frau ihre Jungfräulichkeit durch eigene Entscheidung, also durch von ihr gewollten Sex vor der Ehe verlor, dann sah man es so, daß sie selbst daran schuld hatte. Alle ihr daraus erwachsenen Nachteile wurden dann mehr oder weniger als gerechte Strafe für ihr "sündhaftes" Verhalten betrachtet.

Wenn sie jedoch vergewaltigt wurde, dann sah man das nicht als ihr Verschulden an. Weil aber davon auszugehen war, daß diese Vergewaltigung aufgrund der damals herrschenden Sitten das gesamte Leben einer Frau stark beeinträchtigen konnte, wurde sie als Schwerverbrechen betrachtet, und der Täter wurde üblicherweise entsprechend hart bestraft.

Diese Tradition hat sich ja auch noch bis heute erhalten, obwohl Jungfräulichkeit für viele Menschen hierzulande heute keinen hohen Stellenwert mehr hat.

Freundliche Grüße
von Garfield



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