@ Jolanda
Servus, liebe Jolanda!
Deine Beiträge lese ich immer mit Wohlwollen. Aus ihnen spricht Nachdenklichkeit, weibliche Warmherzigkeit im besten Wortsinne, Verständnis- und Verständigungsbereitschaft und vor allem keinerlei ideologische Scheuklappen-Voreingenommenheit, Höflichkeit und Freundlichkeit; alles Tugenden und Eigenschaften, die ich ganz allgemein und ungeheuer hochschätze und um die es ursächlich auch geht.
Normalerweise mag ich Dir auch thematisch kaum oder nur selten widersprechen; dieses Mal aber schon.
Ich glaube nicht, ein gewaltanwendendes Kind sei grundsätzlich ein verzweifeltes Kind. Im Einzelfall, speziell als traurige Folge einer wie auch immer gearteten, langjährigen Kindesmißhandlung, wird das zutreffen, keinesfalls aber für den heutigen Regelfall. Warum?
Der Spiegel hat zum wiederholten Male die besonders für Deutschland ruhmreiche Pisa-Studie und die hängt eng mit dem Thema Gewalt zusammen- zur Titel-Geschichte gemacht. Leider verfällt er aber in seiner typischen, spröden, nörgeligen Schreibe einem, i.e. seinem, grundsätzlichen, uralten, weil selbsteingebrockten und selbst mitverursachten Mega-Konglomerat an Denkfehlern. Einer der obersten Dampfplauderer und Ober(be)lehrer beim Spiegel ist Stefan Aust, seines Zeichens agitatorischer, ideologisierter und daher unbelehrbarer Alt-68-er. Typen wie er und eben maßgeblich der Spiegel haben die heutigen Zustände früher mitverursacht; jetzt verfallen sie darob aber in larmoyante, nicht zu überbietende, jammernde Heuchelei: Kindererziehung echte Erziehung, und die ist echte Schwerstarbeit!- sollte doch fortschrittlicherweise als reaktionäres Überbleibsel vergangener Epochen abgeschafft werden. Ganz nebenbei geben Aust und der Spiegel auch ein hervorragendes Beispiel dafür ab, wie gerne man hierzulande mit dem Finger auf andere zeigt, gleichzeitig aber vergißt, im selben Moment zeigen mindestens drei Finger zurück auf einen selbst und auf den penetrant stinkenden Scheißdreck, den man am eigenen Stecken pappen hat. Sucht man neben dem ganzen grauen Genörgel zudem nach konkreten Gegenvorschlägen, wird man bitter enttäuscht. Typisch Spiegel.
Die Pisa-Studie und die Gewalt unter Jugendlichen sind Abkömmlinge des selben (Un-)Geistes, demzufolge Liberalismus mit Libertinage und Freiheit mit Schrankenlosigkeit verwechselt wird. Die Sache fängt bei den ganz Kleinen an, wenn sie, so zwischen zwei bis ca. viereinhalb Jahren, im sogenannten Trotzkopfalter sind. Ein typisches Beispiel aus dem Alltag; jeder von uns hat´s schon mehr als einmal miterlebt: Im Supermarkt, z.B. in der Warteschlange an der Kasse, fängt der Sprößling wegen der geschickt in seiner Augenhöhe plazierten Süßigkeiten an zu quengeln. Die Eltern sagen nein. Der/die Kleine quengelt lauter. Die Eltern sagen immer noch nein. Der/die Kleine fängt zu brüllen an und packt kurzerhand das Stück Süßigkeit. Bevor die Eltern ihrem Kind das corpus delicti gewaltsam aus der Hand reißen müßten, geben sie schließlich um des lieben Friedens willen nach und lassen dem Sohnemann/der Tochterfrau die Süßigkeit. Was lernen wir daraus? Erstens: der Sprößling muß seine Eltern bereits sehr gut kennen und einschätzen können. Er weiß aus Erfahrung ganz genau, wie er es anstellen muß, um sich durchzusetzen; offensichtlich hat er das schon öfters so gemacht. Zweitens: die Eltern machen sich in die Hosen wegen der Meinung anderer, die um sie herum in der Warteschlange stehen und haben Angst, das zu tun, was notwendig wäre. Drittens und wichtigstens: was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, und/oder umgekehrt: Aus kleinen Tyrannen werden große Tyrannen.
Was bedeutet eigentlich Freiheit? Bedeutet sie, alles ist erlaubt und nix ist verboten? Nein. Nein, auf gar keinen Fall. Freiheit hängt eng mit ihrer Verantwortung zusammen; beide bedingen sich wechselseitig. Schrankenlosigkeit dagegen und um die handelt es sich- kennt keinerlei Verantwortung; vor nichts und vor niemandem. Verantwortete Freiheit bedeutet, Rechte und Pflichten und nur beides zusammen!- gleichzeitig wahrzunehmen. Rechte zu haben erlernt man normalerweise von ganz alleine, Pflichten dagegen nicht; sie müssen oftmals beigebracht werden; notfalls auch mit den Mitteln erzieherischer Gewalt und des Zwangs. Ich möchte nicht mißverstanden werden: ich rede auf keinen Fall der Kindesmißhandlung das Wort, aber: jeder, der Kinder hat, weiß, gerade Kinder im Trotzkopfalter sind Überzeugungsversuchen und Erklärungen gegenüber meist ganz einfach qua ihrem Alter!- nur sehr begrenzt zugänglich. Es hat keinen Zweck, nicht ernst gemeinte Grenzen ziehen zu wollen, Verbote, bzw. Anordnungen auszusprechen, ohne sie auch wirklich durchzusetzen. Und wenn man damit nicht beizeiten anfängt, dann kann man es sich später sparen: hat ein Kind nicht rechtzeitig gelernt, man muß auf dieser Welt eine ganze Reihe von Dingen einfach müssen, und sei es nur, zu lernen, was ein respektvoller, freundlicher Umgang miteinander von jedem einzelnen erfordert, dann lernt es das nie mehr. Ganz allgemein und sinngemäß der Kant´sche Kategorische Imperativ: was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg´ auch keinem andern zu, wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus, behandle jedermann so, wie Du selbst behandelt werden möchtest, etc. Aus kleinen Tyrannen werden große Tyrannen. Man mag über Friedrich Nietzsche geteilter Meinung sein, aber er hatte völlig recht, als er sagte: Man kann nicht mit dem Fliegenlernen anfangen, wenn man noch nicht einmal gehen gelernt hat. Wer als Kind nicht gelernt hat respektive beigebracht bekommen hat-, sich unterzuordnen, sich einzuordnen, nicht jeden Wunsch sofort erfüllt zu bekommen und daß die Welt sich auch um andere Mitmenschen dreht, der hat große bis größte Chancen, eine der ungezählten Karrieren als Top-Zivilversager hinzulegen, wie sie die Pisa-Studie die ja im Grunde nichts anderes belegt, als die irrige Annahme, obig genannte Pflichten existierten ausschließlich in den Hirnen Ewiggestriger, die den Jugendlichen die Freiheiten der Spaßgesellschaft nicht vergönnen- als Massenphänomen und jener Robert Steinhäuser oder andere jugendliche Gewalttäter als gar nicht mehr so seltene Einzelphänomene belegen. Robert Steinhäuser belegt indes noch einen weiteren Irrtum: er hatte, wie jeder andere, ein Recht auf Bildung, aber kein Recht auf ein Abitur; erst recht dann nicht, wenn er so blöd war, es sich selbst zu verbauen. Die Schuld und vor allem die Verantwortung hatte allein er und kein anderer. Ein kaum ausrottbarer Irrtum aus der sozialistischen Mottenkiste: schuld sind immer die anderen, besonders die böse Gesellschaft, aber niemals das Individuum selbst. Aus kleinen Tyrannen werden große.
Ein gewaltanwendendes Kind = ein verzweifeltes Kind? Nein, Jolanda, damit hast Du nicht recht. Ein gewaltanwendendes Kind ist simpel ausgedrückt- meistens ein verzogenes, ein ungezogenes Kind, meinetwegen auch ein Rotzlöffel, dem man beizeiten durchaus den Hintern hätte versohlen sollen, als es nötig gewesen wäre. Nichts weiter. In den allermeisten Fällen jedenfalls. Nur deswegen, weil meine Erklärungen so simpel, banal und plakativ sind und meinetwegen auch noch irrigerweise nach Baumschule riechen, müssen sie noch lange nicht falsch sein; geht man doch in Deutschland gerne den umgekehrten deutschen Sonderweg und verkompliziert künstlicherweise relativ einfache Zusammenhänge. Wären meine Ausführungen so sehr falsch, hätte die Menschheit nicht überlebt. So mancher sogenannte oder vermeintliche Fortschritt, wie der der antiautoritären Erziehung, entpuppt und erweist er sich somit bei näherer Betrachtung als himmelschreiendes Schwachsinnsgefasel und lächerlicher Irrtum; zweiteren sollte man sich ehrlicherweise auch eingestehen. Du glaubst mir nicht? Dann geh´ doch in eine nette Buchhandlung, und kauf Dir dort z.B., na, sagen wir, eine Habermas´sche Schwarte, wo er geschwollen über Pädagogik herumsülzt. Nimm Dir genügend Zeit und noch viel mehr Lust und Frustrationstoleranz zu Hilfe. Wenn Du das Glück hast, auch nur ein bisserl davon verstanden zu haben, wirst Du feststellen, man hätte das alles auch wesentlich einfacher, prägnanter, allgemeinverständlicher und vor allem mit nur einem Bruchteil der Worte genauso gut oder sogar noch wesentlich besser ausdrücken können. Bezeichnenderweise sind es immer genau die allergrößten Theorie-Pupser, die noch nie selbst ein Kind großgezogen haben, aber ihr Klugscheißer-Stinkmaul aufreißen und so tun, als hätten sie die Gescheitheit mit dem Schaufelbagger gefressen. Es stellt sich die Frage, warum denn nun die 68-er-Schießflöten aus der Frankfurter Schule immer noch- ernst genommen werden. Ganz einfach: hierzulande hat man heutzutage wegen der unsäglichen Bücherverbrennung im Dritten Reich zu viel Schiß, echten Scheiß auch als solchen zu bezeichnen, weswegen noch jeder somnambule Schwätzer Zeit, Ort und Gelegenheit nachgeschmissen bekommt, um eine eigene Soße anzurühren.
Was tun, sprach Zeus? Ein Patentrezept habe auch ich nicht: die Karre steckt viel zu tief im Dreck. Als erstes wäre ein Lot Ehrlichkeit schon ein großer Fortschritt; sich den eigenen, ideologischen Irrtum eingestehen und als zweites in der nicht allzu langen Vergangenheit zurückzuschauen und zu suchen, um herauszufinden, wann wo wie warum was besser (und meinetwegen auch, was nicht besser) war, denn: Früher war nicht immer nur alles schlecht. Bevor´s mir einer vorwirft: Ich meine damit keinesfalls die Zeit jenes dusseligen Adolf Gröfaz. Zugegeben: Eine Garantie auf ein wohlerzogenes Kind bekommt man keinesfalls, wenn man in der Erziehung von früh an auch die gebotene Strenge dort walten läßt, wo´s notwendig ist. Es ist aber doch auffällig, wie wenige Robert Steinhäusers und andere Galgenvögel früher die Erde bevölkert haben, und darauf muß man hinweisen. Erlaube Dir einen ehrlichen Blick zurück, und Du wirst möglicherweise schon bald fündig.
Mit freundlichen Grüßen,
carlos
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- @ Jolanda -
carlos,
25.05.2002, 18:40
- Re: @ Jolanda - Frau*****, 25.05.2002, 19:14
- Re: @ Jolanda - Jolanda, 27.05.2002, 16:55