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Geldmaschine gegen Gebärmaschine (Allgemein)

Li Ho Den ⌂, Saturday, 10.05.2014, 10:53 (vor 3641 Tagen)

Geldmaschine gegen Gebärmaschine

Gestern erschien in der taz ein Artikel mit dem Titel “Erzeuger und Geldmaschine“. Dort wird die unzureichende Gesetzeslage im Falle von Trennungs- und Scheidungskindern beklagt – oder genauer, die Ungerechtigkeit von Unterhaltspflichten – die vor allem die Väter betrifft. Konkret wird der Fall von “Ralf” porträtiert.

Die Geschichte von Ralf in Kurzfassung:

Ralf und Claudia haben sich getrennt. Ralf kümmert sich jetzt, nach der Trennung, um seine Kinder jeweils sechs, die Muter acht Tage im Zwei-Wochen-Rhythmus. Eigentlich hätte es genau hälftig verteilt sein sollen, jeder je eine Woche, aber Claudia “kam damit nicht klar”. Vor Gericht hätte sie das alleinige Sorgerecht zugesprochen bekommen: Weil sie, als die Kinder kamen, zu Hause blieb und er “das Geld ranschaffte” und sie somit mehr Zeit mit den Kindern verbrachte, weil sie “das Modell Helikopter” pflegte. Seinen anderen Erziehungsstil, der auf darauf beruhte, nicht ständig über alles zu wachen, statt dessen die Kinder mehr ausprobieren zu lassen, aber dafür auch mal strengere Ansagen zu machen, hat sie vor Gericht gegen ihn verwandt. Nun muss er jedoch den vollen Kindesunterhalt an die Mutter bezahlen, und das, obwohl er ja fast die Hälfte der Betreuungsarbeit leistet, und damit natürlich auch entsprechende Extra-Kosten für die Kinder tragen muss. Fazit: Das ist ungerecht, denn natürlich hat auch er bei diesem Betreuungsmodell Kosten für die Kinder zu tragen – ein Kinderzimmer mit Ausstattung, Essen und Bekleidung usw. – nur er muss hier zusätzlich den Unterhalt bezahlen (der ja eigentlich dafür gedacht ist, einem alleinerziehenden und damit auch -zahlendem Elternteil einen Teil dieser Kosten zu erstatten). Also folgert Ralf:

Kein Wunder, dass sich Väter vorkommen wie eine Geldmaschine. Wer sich um seine Kinder mehr kümmern will als die üblichen zwei Wochenenden im Monat, wird massiv bestraft.

System sieht Ralf darin, ein System, das gegen ihn und alle Männer arbeitet. Er würde ja gern mehr Zeit mit den Kindern verbringen, sogar Arbeitszeit reduzieren, aber er muss den Unterhalt bezahlen. Deshalb bleibt ihm kein Ausweg, außer:

Schwarzarbeiten, damit er nicht noch mehr Unterhalt zahlen muss. So will es das System.

Ich will “Ralf” nicht unrecht tun. Er klingt eigentlich, als wäre er ein ganz normaler Typ, in jedem Fall ein Vater, dem seine Kinder nicht egal sind. Aber “Claudia” kommt in dieser Erzählung wirklich beschissen weg – und dabei klingt es eigentlich auch, als wäre sie vielleicht ganz okay. Da sie überhaupt nicht zu Wort kommt, möchte ich einmal die im Artikel genannten Fakten aus ihrer Perspektive berichten.

Claudia und Ralf haben sich getrennt. Während Claudia sich seit der Geburt der Kinder hauptsächlich um sie gekümmert hat – sie war die erste Zeit ganz zu Hause geblieben und auch später hat sie mehr Zeit in die Kinder investiert – hat Ralf immer weiter gearbeitet. Zwar hat auch er sich um die Kinder gekümmert, aber immer nur, wenn es in seine Arbeitszeit passte. Und auch sonst musste die Kinderbetreuung in Ralfs Leben eingepasst werden, nicht umgekehrt. So ist er zwar mit ihnen auf den Spielplatz gegangen, hat dort aber Zeitung gelesen, statt auch mal den Ball zu kullern oder die Schaukel anzustoßen. Er nannte das “einen anderen Erziehungsstil” oder “mehr allein ausprobieren” lassen. Wenn die Kinder dann doch mal störten, wurde er schnell laut – “strenge Ansagen” nannte er das. Jetzt, nach der Trennung, wollte Ralf sich auf einmal die Hälfte der Zeit um die Kinder kümmern. Eine Woche er, eine Woche sie. Claudia aber hatte Bedenken – so war es bisher nie gewesen, die Kinder waren immer mehr bei ihr gewesen, es geht ihnen gut, sie sind ein gut eingespieltes Team, warum daran etwas ändern? Zumal auch Ralf es bis zur Trennung völlig in Ordnung fand, dass sie die Hauptverantwortung für die Kinder übernahm. Jetzt auf einmal nennt er das das “Modell Helikopter”. Aber gut, sie will nicht unfair sein, auch Ralf soll seine Kinder und die Kinder ihren Vater haben, also einigt sie sich mit ihm auf das Modell “sechs Tage er, acht Tage sie” – obwohl sie das nicht müsste, denn sie hat das alleinige Sorgerecht. Aber sie möchte ein gutes Verhältnis zwischen Vater und Kindern.
Aber nun beschwert er sich über den Unterhalt: Er mache so viel, da wäre es unfair, dass er Kindesunterhalt in der vollen Höhe zahlen muss. Dass sie auch lange finanzielle Einbußen hatte und wahrscheinlich immer noch hat, weil sie zu Hause geblieben ist bzw. nicht Vollzeit gearbeitet hat, sieht er nicht. Einen Teil seines Verdienstes gibt er sowieso nicht an, sondern arbeitet schwarz – sie und “das System” zwinge ihn quasi dazu, meint er. Eigentlich würde er angeblich gerne Arbeitszeit reduzieren, aber er meint, das ginge ja nicht, denn wo solle dann das Geld für den Unterhalt herkommen? Dabei müsste er ja weniger Unterhalt zahlen, wenn er tatsächlich weniger arbeiten und verdienen würde.

Soweit die Fakten aus der Perspektive “Claudia”. Leider ist damit die einfache Moral, die der Artikel bis hierher vermittelt hatte – Gesetze und Rechtsprechung müssen sich modernen Gegebenheiten anpassen, damit Väter nicht über Gebühr benachteiligt werden – im Eimer. Ist also eigentlich alles bestens, so wie es ist?

Wahrscheinlich nicht. Natürlich bleibt es ein Fakt, dass moderne Familienmodelle – ob getrennt oder zusammen lebende Eltern – in der Politik wenig berücksichtigt werden.

Eine einfache Änderung des Unterhaltsrechts, bei dem die genauen Betreuungszeiten eins zu eins auf den Unterhalt angerechnet würden, hätte aber einen entscheidenden Haken: Der Streit um die Betreuung der Kinder würde damit sicher in vielen Fällen erst richtig angefacht: Denn jede Stunde Mehrbetreuung wäre bares Geld wert. Man kann sich vorstellen, wie sich dann unter dem Deckmantel der Elternliebe ein erbitterter Kampf um die Betreuungszeiten entzündet – inklusive der Fälle, wo vollmundig angekündigt wird, man würde sich selbstverständlich immer genau die Hälfte der Zeit um die Kinder kümmern, in der Realität diese Bereitschaft dann aber im Falle dringender Termine oder kranker Kinder, die nicht in Schule oder Kindergarten gehen können, schnell abnimmt. Der schwächere Teil in diesem Kampf wäre in jedem Fall der Elternteil, der weniger verdient (vielleicht, weil er oder sie in der Vergangenheit bereit war, die Karriere hinter die Kinderbetreuung zu stellen, die oder der einen Arbeitsvertrag unterbrochen hat, um Elternzeit zu nehmen und deshalb eine Beförderungsstufe verpasst hat, der oder die in Teilzeit arbeitet, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden, oder die aufgrund ihres Geschlechts sowieso weniger Gehalt bezieht). Der schwächere Teil wäre außerdem die Person, die einknickt, wenn der andere Elternteil plötzlich verkündet, das Kind wegen eines unerwarteten Arbeitstermins nicht abholen könne oder der unmöglich wegen eines kranken Kindes zu Hause bleiben könne. Dieser Elternteil bliebe dann nämlich im Zweifelsfall auf der Verantwortung und den damit verbundenen Opfern sitzen – ohne Unterhalt. Und den allerschwächsten Part hätte auch in diesem Szenario das betreffende Kind.

Insofern ist eine Trennung zwischen Betreuungszeiten und Unterhaltsverpflichtungen, so künstlich oder auch ungerecht dies manchmal auch aussehen mag, vielleicht doch nicht ganz unvernünftig. Natürlich kann eine Schieflage entstehen – dazu braucht man auch gar keine Extrembeispiele. Denn in jeder Konstellation, in der sich beide getrennt lebenden Elternteile um die Kinder kümmern, egal ob hälftig oder unbalanciert – wenn ein regelmäßiger normaler Umgang gepflegt wird, sind Extrakosten kaum zu vermeiden. Das Kind braucht bei jedem Elternteil ein Zimmer, viele Dinge müssen doppelt angeschafft werden, oft entstehen sogar noch Fahrtkosten vom einen zum anderen Wohnort. Das kann in Einzelfällen hart sein, manchmal vielleicht sogar zu hart.

Aber statt sich über gierige Helikoptermütter und die Unterhaltsregelungen und Familiengerichte, die diese blind unterstützen, aufzuregen, könnte man ja auch einmal in eine ganz andere Richtung denken. Ich will ja gar nicht erst mit auch für Männer (!) attraktiven Teilzeit-Arbeitsmodellen anfangen. Aber wie wäre es denn zum Beispiel mit einer Steuergesetzgebung, die endlich nicht mehr verheirateten Paaren, sondern Eltern – auch getrennt lebenden – Steuervorteile sichert? Wo dann zum Beispiel ein Vater auch das Kinderzimmer, das er unterhält, zusätzlich zu seinen Unterhaltszahlungen als besondere Belastung steuerlich geltend machen könnte? Oder ein Elterngeld, das nicht von vornherein suggeriert, der weniger verdienende Elternteil solle doch lieber ganz zu Hause bleiben – und damit eine Rollenverteilung einleitet, die vielleicht manch einer nicht mehr so will?

Vielleicht wäre das ja ein wirklicher Schritt zur Versöhnung im kalten Krieg zwischen Geldmaschine und Gebärmaschine. Und somit im Sinne des Kindeswohls.

http://drmutti.wordpress.com/2014/05/05/geldmaschine-gegen-gebarmaschine/

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