Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Väterradio: Kindesentzug im Frauenhaus

susu, Tuesday, 22.03.2005, 15:05 (vor 7013 Tagen) @ Maesi

Als Antwort auf: Re: Väterradio: Kindesentzug im Frauenhaus von Maesi am 21. März 2005 22:38:31:

Hallo Maesi

Ich bin nicht sicher, ob die Parteilichkeit im konkreten Einzelfall tatsaechlich von so grossem Nutzen ist. Wenn immer das Paar noch gespraechsbereit ist, sollte IMHO der systemische Ansatz gewaehlt werden. Ich sehe es aehnlich wie beim Alkoholismus, dort gibt es bei Paarbeziehungen auch den Alkoholiker und den Co-Alkoholiker; eine Therapie ist dann am ehesten erfolgversprechend, wenn beide (sowie das gesamte relevante Umfeld) miteinbezogen werden. Eine parteiliche Therapie (bzw. Hilfe) ist im Grunde genommen eine Bankrotterklaerung; es geht dann nicht mehr darum, eine Paarbeziehung zu retten, indem man die Verhaltensweisen der Beteiligten aendert sondern nur noch um eine mehr oder weniger reibungslose eine Trennung der Kontrahenden. Am schnellsten geht eine solche Trennung, wenn man einfach dem einen die ganze Schuldenlast aufbuerdet und dem anderen die Absolution erteilt - mit der Realitaet hat das aber in den meisten Faellen wenig zu tun.

Ja, aber diese Fälle sind eben nicht die Zielgruppe für die solche Angebote konzipiert sind. In Fällen, in denen tatsächlich einseitig Gewalt angewendet wird - die, ca 1/3 der gesammten Fälle ausmachen, soweit das Datenmaterial das hergibt - ist ein parteiliches Angebot ein adequates Mittel um die Hemmschwelle Hilfe aufzusuchen zu reduzieren. Für Angebote an Opfer sexueller Gewalt gilt entsprechendes.

IMHO gibt es noch ein weiteres Problem:
Frauenhausexperten beherrschen mit ihrer ganzen Parteilichkeit den Diskurs um Haeusliche Gewalt. Selbst wenn die Parteilichkeit notwendig ist, um im konkreten Fall den Opfern zu helfen, so ist sie andererseits schaedlich, wenn es um die politische Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema geht. Gerade weil diese parteilichen Helfer oftmals als Experten in Sachen Haeuslicher Gewalt auftreten, werden gewisse (unliebsame) wissenschaftliche Fakten so konsequent ignoriert - praktisch jede politische Kampagne gegen Haeusliche Gewalt sowie die Schulungen von Polizeibeamten und Richtern atmen den Geist dieser Frauen-sind-Opfer-und-Maenner-sind-Taeter-Parteilichkeit.

Das sehe ich auch so, wollte das aber mit meinem zweiten Punkt gesagt haben. Ich gehe nicht davon aus, daß die Daten zu diesem Thema bewust ignoriert werden, vielmehr treten sie hinter die persönliche Erfahrung zurück. Polizei und Justiz dürfen diese parteilichkeit nicht übernehmen.

Die Frauenhausbetreiberinnen haben ihre Kompetenzen schon lange ueberschritten. Sie sind laengst nicht mehr nur die selbstlosen Helfer von vor 25 oder 30 Jahren; sie sind vielmehr inzwischen zu Demagogen mutiert, die Politik, Verwaltung und Gesellschaft mit ihrem Halbwissen desinformieren - selbst wenn sie mit ihren Behauptungen in offensichtlichem Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. In letzter Konsequenz werden dabei die eigentlich unparteiischen Organe des Rechtsstaates vereinnahmt und korrumpiert. Und das ist IMHO weit gefaehrlicher als die drei vorher von Dir aufgefuehrten Probleme, weil dann eben nicht mehr bloss isoliert Missbrauchsfaelle auftreten (die gibt es naemlich immer), sondern nach und nach im Rechtsstaat die Parteilichkeit integraler Bestandteil des Systems selbst wird und damit zum Missbrauch geradezu einlaedt.

Die Frage ist, ob es ein bewustes Aushebeln des Rechststaates ist und die würde ich verneinen. Schau dir mal die Diskussionen in diesem Forum an, die ich über die biologischen Geschlechtsdefinitionen geführt habe. Da wird dann zunächst mal behautet die Wissenschaft treffe Aussage A und wenn ich dann erkläre, warum die Wissenschaft nicht A sagt, sondern B, kommt ein "aber A ist offensichtlich richtig". Wissenschaft hat solange den Charakter eines Fundaments für die meisten Leute, wie sie ihre Alltagsbeobachtungen stützt. Versetz dich in die Position einer Frau, die seit 25 Jahren ein Frauenhaus leitet. Die hat so viele Fälle miterlebt, wo eine bestimmte Situation gegeben war, daß die eine Studie in der steht, daß das vieleicht nur 10% der Fälle von häuslicher Gewalt sind, vieleicht abstrakt nachvollziehen, aber einfach nicht in Einklang mit ihren Erfahrungen bringen kann. Diese Gefahr besteht grundsätzlich immer.

Die Unparteilichkeit des Rechtsstaates ist aber sein wichtigstes Kapital; nur durch seine Unparteilichkeit ist der Staat glaubwuerdig und kann damit seine Autoritaet in Rechtsangelegenheiten aufrechterhalten. Wer hingegen von einem parteilichen (Un-)Rechtsstaat keine Chance auf ein gewisses Mindestmass an Gerechtigkeit erhaelt, wird diesen Staat auf Dauer nicht akzeptieren.

Dem stimme ich ebenfalls zu.

susu


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