Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

Archiv 1 - 20.06.2001 - 20.05.2006

67114 Postings in 8047 Threads

[Homepage] - [Archiv 1] - [Archiv 2] - [Forum]

Re: Frauen und Kinder zuerst....

Stefan G., Saturday, 01.03.2003, 20:47 (vor 7747 Tagen) @ Jolanda

Als Antwort auf: Re: Frauen und Kinder zuerst.... von Jolanda am 01. März 2003 00:00:56:

Hallo Jolanda!

Hallo Stefan
Ich weiss nicht, woher dieses "Frauen und Kinder" zuerst resultiert. Ich denke zu der Zeit, wo das "eingeführt" wurde, da hatten vor allem die Männer das Sagen in der Gesellschaft.

Ich denke, es stammt wohl aus einer Zeit, in der die Verantwortungsbereiche noch klar definiert waren, Maenner fuer die Kriegsfuehrung zustaendig waren und Frauen fuer die Pflege und Fuersorge der Kinder. Da es in allen Kulturen oberstes Gebot war und ist, Kinder zu schuetzen, hielt man es auch fuer notwendig, Frauen zu schuetzen. Wahrscheinlich resultiert es auch aus einem gewissen Ehrbegriff - naemlich den Schwaecheren und damit die Frauen zu schuetzen oder im Kriegsfall aus der Gefahrenzone zu bringen, weil man wohl kaum erwarten konnte, dass sich eine Frau gegen einen 2-Meter grossen 100 Kilo schweren Kraftprotz mit Schild und Schwert bewaffnet, erfolgreich wehren kann. Insgesamt gibt es da wohl sehr viele Gruende. Ich glaube aber, dass die biologistische Interpretation (Frauen sind wertvoller als Maenner) noch aus dem letzten Jahrhundert stammt und weniger in der aelteren Geschichte zu suchen ist.

Ich denke, das war so ein Gentleman-Effekt, der Beschützerinstinkt für seine "Brut" zu sorgen und sich immer vor sie zu stellen. Der Mann als Held der Familie, ein tragischer Held zugegeben, wenn er dann auf dem Schiff "absaufen" muss dafür.

Das habe ich auch nie richtig verstanden. Ich weiss nicht, ob dieser Beschuetzerinstinkt biologisch implementiert ist oder kulturell aufgepfropft wurde. Es mag vielleicht auch damit zusammenhaengen, dass Frauen sich durch ein solches Verhalten stark beeindrucken lassen. Wenn der Waelsung in Wagners Oper das Schwert gegen den Hunding erhebt, dann nicht nur aus einer alten Feindschaft heraus, sondern auch deswegen, weil er die Sieglinde damit beeindrucken und am Ende als Frau erobern will, was ja auch sehr gut funktioniert, wenn auch nicht sehr lange.

Warum man dieses Frauen und Kinder zuerst bis in die heutige Zeit rüber gerettet hat, das weiss ich nicht, was meinst du denn?

Zum Teil wird es unbewusst verwendet - gewissermassen aus Gewohnheit, wobei es dann auch die absurdesten Formen annehmen kann. Vielerorts scheint es auch politisch opportun zu sein - als Rechtfertigung bestimmter politischer Aktionen. Ich erinnere an den Eingriff der NATO in Jugoslawien, der auch mit der Begruendung gerechtfertigt wurde, dass die Serben ein Dorf ueberfallen haben, wobei auch Frauen getoetet wurden. Dass bereits im Vorfeld der Auseinandersetzung mehrere 1000 maennliche Zivilisten getoetet wurden, zum Teil aufgrund von Strafaktionen, zum Teil aber auch, weil man verhindern wollte, dass diese Maenner von feindlichen Truppen rekrutiert werden, wurde kaum in den Medien erwaehnt. Die Menschen kuemmern sich nicht darum, wenn Maenner getoetet werden - aber wenn eine Frau im Krieg umkommt, loest dies eher Entsetzen aus. Andererseits wuerde ich auch sagen, dass sich das biologistische Argument noch bis heute haelt. Viele sind der Ansicht, dass das Leben einer Frau wertvoller ist als das Leben eines Mannes und deswegen besonders geschuetzt werden muss - auch wenn keine plausiblen Argumente genannt werden koennen, die diese Ansicht stuetzen.

Wenn ich die Ansprüche der Frauen heute so betrachte, dann muss ich sagen, es gibt keinen Grund mehr für "Frauen und Kinder" zuerst.
Entweder ein "Kinder zuerst" oder ein "Familien mit Kindern" zuerst.
Ich denke nicht, dass wir als Frauen immer nach Gleichberechtigung schreien können, aber trotzdem sämtliche "weiblichen" Privilegien mit einer mir unverständlichen Selbstverständlichkeit auch weiterhin einfordern können.

Naja, ich wuerde es heute so sehen: eine Frage der Loyalitaet! Alles im Leben ist ein Geben und Nehmen. Banales Beispiel: heute wird oftmals geschimpft, Maenner seien Frauen gegenueber nicht mehr so galant, hoeflich und hilfsbereit wie das frueher einmal der Fall war. Ich finde gewisse Hoeflichkeiten und Braeuche im Umgang miteinander schoen, weil sie auch ein Zeichen von Respekt sind. Aber alles sollte auf Gegenseitigkeit basieren. Wenn man frueher als Mann auf der Strasse einer Frau begegnete, dann nahm man den Hut ab und verbeugte sich, was mit einem hoeflichen Knicks und einem Laecheln zurueckgegeben wurde. Man respektierte sich gegenseitig. Wenn man einer Frau half, dann wurde man zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Heute ist es so, dass viele Frauen einfach gewisse Dinge beanspruchen, aber nicht mehr bereit sind, eine Gegenleistung anzubieten. Wenn man einer Frau beim Tragen der Einkaufstueten hilft und am Ende den Spruch kassiert: "zum Einkaufstueten tragen sind Maenner gerade noch gut genug!" (habe ich schonmal beobachtet), dann frage ich mich als Mann schon, warum ich einer Frau noch helfen soll. Ich bin durchaus bereit, fuer einen anderen Menschen Opfer zu bringen - aber nur dann, wenn ich weiss, dass dieser Mensch eine solche Geste auch durch eigene Leistung verdient hat.

Wenn schon, dann müssen sowohl Rechte wie auch Pflichten an beide Geschlechter in gleichem Masse zugeteilt werden.

Vollkommen richtig!

Und was ich anstrebe, warum ich mich hier engagiere, das ist, weil ich glaube, dass Gleichberechtigung für uns Frauen heisst, anzufangen auch sogenannte "männlichen" Pflichten zu erfüllen und sogenannte "weiblichen" Rechte abzugeben.
Wir können nicht immer nur fordern, wir müssen wieder lernen zuzuhören, vor allem auch den Männern zuzuhören. Es wird immer so getan, als ob der Frust und die Wut der Männer etwas wären, dass uns Frauen gar nichts angeht, dass uns auch gar nicht interessieren muss.

Genau das ist das Problem. Wenn beide Seiten mehr aufeinander zugehen wuerden, wenn sich beide Seiten mehr bewegen wuerden und bereit waeren, die eigene Position zu ueberdenken und neu zu bewerten, dann waere das Verhaeltnis zwischen Frauen und Maennern wesentlich angehnehmer und friedfertiger als dies derzeit der Fall ist.

Und genau das sehe ich ganz anders. Gleichberechtigung zu erschaffen, das Gleichgewicht wieder herzustellen, davon profitieren doch nicht nur die Männer, davon würden auch wir Frauen profitieren.

Dein Wort in Gottes Ohr! :-)

Gruss
Stefan


gesamter Thread:

 

powered by my little forum