Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Re: Frauen werden in der Medizin exrem benacheiligt!

santana, Wednesday, 19.02.2003, 15:31 (vor 7740 Tagen) @ Ferdi

Als Antwort auf: Re: Frauen werden in der Medizin exrem benacheiligt! von Ferdi am 19. Februar 2003 11:08:24:

Sie sterben häufiger an Herzinfarkten und erhalten seltener eine Bypass-Operation. Sie kriegen öfters Fehldiagnosen. Sie werden als wehleidig und ihre Beschwerden als vorwiegen psychosomatisch eingeschätzt.
Arzneimitteltest fanden bis vor kurzem nur an Männern statt, da dies billiger war. Denn Männer können nicht schwange werden und ihr Hormonhaushalt schwankt nicht so wie bei Frauen.
MARIANNE LEGATO: Evas Rippe. Die Entdeckung der weiblichen Medizin. Köln 2002, 346 Seiten

...und die Erde ist eine Scheibe!

GAnz so einfach ist es wohl nicht.

http://www.faz.net/IN/INtemplates/faznet/default.asp?
tpl=faz/content.asp&arttype=IH&doc={7B09142A-F4EC-4FD1-9139-8FA0B79BDDEB}
&rub={2A936BB1-8BB4-4BBA-8134-C9AD285C8C81}

(kann sein, dass der Artikel mittlerweile nur noch kostenpflichtig abrufbar ist)
------Zitat Anfang------------
Männliche Medizin, weibliche Opfer: Frauen werden von Žrzten benachteiligt
/ Von Annette Bolz

[..]
Denn Heidrun Hübler hatte einen Herzinfarkt erlitten, wie sich später
herausstellte. Doch offensichtlich nahm der Arzt die Frau und ihre Klagen
nicht ernst. Und das ist typisch. Noch immer gilt der Herzinfarkt weithin
als Männerkrankheit - und dies, obwohl mittlerweile 53 Prozent der Frauen
daran sterben. Die Symptome sind jedoch bei Männern und Frauen
unterschiedlich. Während Patienten meist über Schmerzen im linken Oberarm
klagen, schildern Patientinnen eher Brust-, Bauch- oder Rückenschmerzen,
Übelkeit und Atemnot.

Viele Krankheiten zeigen bei Männern und Frauen unterschiedliche Symptome,
und sie verlaufen auch nicht gleichartig. Zudem wirken einige wichtige
Medikamente geschlechtsspezifisch (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
vom 6.1.2002). [...]
Derartige Unkenntnis kostet viele Frauen die Gesundheit, einige sogar das
Leben.

Doch Ärzte schludern nicht nur bei der Diagnose, wenn es um Frauen und ihre Beschwerden geht, sondern sie behandeln die Frauen auch oft schlechter als die Männer. Sie geben ihnen billigere und schlechtere Medikamente, enthalten ihnen innovative Therapien vor, kümmern sich weniger um sie, nehmen Beschwerden über medikamentöse Nebenwirkungen weniger ernst und lassen sie häufiger sterben.

[..]
Beispiel Asthma: Ärzte erkennen die Asthmasymptome von Mädchen oft nicht.
Das zeigt eine Studie von Claudia Kühni vom Kinderspital im schweizerischen St. Gallen, in der 4500 Kinder untersucht wurden. Es stellte sich heraus, daá Mädchen und Jungen gleich häufig unter verengten Atemwegen leiden - entgegen der Lehrbuchweisheit, Asthma sei beim männlichen Geschlecht hufiger. Nur wegen dieses Dogmas werde, glaubt Kühni, die Asthma-Diagnose bei Jungen doppelt so häufig gestellt wie bei Mädchen. "Die Benachteiligung der Frauen ist schon in den Lehrbüchern zementiert", sagt die Ärztin. Denn die in der Universität gelernten Häufigkeitsraten von Krankheiten beeinflussen das ärztliche Ratespiel um die Diagnose.

Auch in der Therapie sind Mädchen benachteiligt. "Bei Mädchen müssen
Asthmasymptome schwerer als bei Jungen sein, damit die gleichen
therapeutischen Maánahmen angewandt werden", kritisiert Kühni. "Die Buben
melden ihre Beschwerden deutlicher an, auch die Eltern nehmen die
Beschwerden von Buben ernster", spekuliert Felix Sennhauser, leitender Arzt am St. Gallener Kinderspital: "Es kann aber auch sein, daá Asthmasymptome geschlechtsspezifisch unterschiedlich wahrgenommen werden". Kurzatmige Mädchen, na und?

[...]

Beispiel Osteoporose: Meist wird der Schwund der Knochenmasse als
Erkrankung von Frauen nach der Menopause angesehen. Tatsächlich erkranken
jedoch auch Männer daran: Von drei Osteoporose-Kranken ist einer männlichen Geschlechts. Doch seltsamerweise tragen Frauen im Vergleich zu Männern ein zweifach erhöhtes Risiko, sich deshalb Knochenbrüche zuzuziehen. Denn beim Knochenmasseschwund wird unterschiedlich therapiert: Nur 17 Prozent der Frauen mit Osteoporose bekommen Medikamente dagegen verschrieben, und wenn, dann generell die schlechteren, beklagt Cornelia Goesmann, Vizepräsidentin der Ärztekammer Niedersachsen.

Beispiel Herzinfarkt: Nach der lebensbedrohlichen Herzattacke kommen
Frauen durchschnittlich 73 Minuten später in die Notaufnahme als Männer. Je mehr Zeit jedoch verlorengeht, desto schlechter sieht die Prognose aus.
Frauen bekommen zudem h„ufiger solche Medikamente, die nicht dem Stand der
Forschung entsprechen, stellte die nordrhein-westfälische Enquete-
Kommission "Zukunft einer frauengerechten Gesundheitsversorgung in NRW"
fest. Während M„nnern eine Kombination aus Aspirin, Betablockern, ACE-
Hemmern und Staninen selbstverständlich verabreicht wird, werden Frauen
nach einem Herzinfarkt meist mit weniger und veralteten Präparaten
abgespeist.

Auch die nichtmedikamentöse Behandlung von Herzinfarkten sieht bei Frauen
schlechter aus. So ist es möglich, nach einem akuten Infarkt die Gefäße mit einem Ballonkatheter zu dehnen, um Komplikationen und weiteren Infarkten vorzubeugen (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 5.5.2002). Dies wird bei 22 Prozent der Männer gemacht, aber nur bei 14 Prozent der Frauen.
"Der Grad der Versorgung ist bei Frauen niedriger", das bestätigt Adnan
Kastrati vom Deutschen Herzzentrum in München.

Beispiel Unfallmedizin: Weibliche Unfallopfer werden seltener reanimiert.
Das belegt eine Studie von Peter Sefrin von der Universität Würzburg. Bei
Notarzteinsätzen des Rettungsdienstes Bayern wurden zwei Drittel der Männer reanimiert, aber nur ein Drittel der Frauen. Auáerdem geben Ärzte bei Frauen eher auf, Ärztinnen hingegen setzen ihre Bemühungen um das Leben bei beiden Geschlechtern gleich lange fort.

Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) kommt nach einer
umfangreichen Datenanalyse zu dem Schluá, "daß Frauen bei gleichen
Krankheiten anders behandelt werden als Männer und bei
geschlechtsspezifischen Krankheiten oftmals nicht adäquat oder optimal
behandelt werden". Insbesondere beklagt der Verband, daß Frauen eher mit
billigen, schlechten oder gar umstrittenen Medikamenten gefüttert werden,
während Männer oft spezifischere, innovativere und teurere Medikamente oder nichtmedikamentöse Therapien genießen.

Die Fehlversorgung von Frauen hat viele Ursachen. Eine davon ist die
ärztliche Ausbildung in den Universitäten. Noch immer gilt der Mann als Maß aller Dinge, auch in der Medizin. Folglich werden in Lehrbüchern,
Seminaren, Vorlesungen üblicherweise die Symptome und Krankheitsverläufe
von Männern vorgestellt. "Bei Frauen ist das vermutlich ähnlich", heißt es
dann auf Nachfragen der Medizin-Studentinnen.

Was in die Lehrbücher kommt und was in den Universitäten vorgetragen wird,
richtet sich nicht zuletzt danach, was in der Fachpresse publiziert wird.
Ulrike Maschewsky-Schneider, Gesundheitswissenschaftlerin an der
Technischen Universität Berlin, schaute sich die medizinischen
Fachveröffentlichungen genauer an. Sie stellte fest, daß nur etwa 40
Prozent aller Studien über das Gesundheitswesen geschlechtsspezifische
Aspekte berücksichtigen. "Das reicht nicht aus", sagt Maschewsky-Schneider, "allerdings hatte ich befürchtet, es sei wesentlich schlimmer." Immerhin, ein positives Ergebnis ihrer Studien: Zumindest im Gesundheitswesen wächst die Bereitschaft der Forscher, Frauen nicht nur in ihre Studien einzubeziehen, sondern auch die Daten getrennt zu analysieren. Denn nur so lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede dingfest machen.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 28.7.2002

------Zitat Ende------------

Ich finde nicht, dass das so einfach vom Tisch zu wischen ist.
Und es widerspricht auch nicht der Beobachtung, dass auf anderen medizinischen Gebieten männerspezifische Dinge zu wenig erforscht werden.
Vielleicht wird einfach bisher dem GEschlechtsaspekt bei Diagnose udn Therapie zu wenig Bedeutung beigemessen?

mfg

santana


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