Unterhaltsrechtsreform stößt überwiegend auf Zustimmung
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Berlin: Mo, 16.10.2006 Redaktionsschluss: 16:45 Uhr (301)
Rechtsausschuss (Anhörung)
Unterhaltsrechtsreform stößt überwiegend auf Zustimmung
Berlin: (hib/BOB) Weitgehende Zustimmung hat am Montagnachmittag bei einer Expertenanhörung ein von der Bundesregierung vorgelegter Gesetzentwurf zur Reform des Unterhaltsrechts (16/1830) gefunden. So bezeichnete Professor Dieter Schwab (Universität Regensburg) es als durchaus wünschenswert, dass eine "maßvolle Korrektur" des Unterhaltsrechts" erfolge.
Das derzeit geltende Recht überziehe in einigen Fällen das gebotene Maß der nachehelichen Solidarität. Kritikwürdig aber sei, dass sich das Risiko eines Scheiterns der Ehe einseitig auf den Ehegatten verlagere, der wegen der Familie seine berufliche Entfaltung eingeschränkt habe.
Die wirtschaftlichen Folgen des Scheiterns einer "Hausfrauen-Ehe" gehen nach Ansicht Schwabs nach der geplanten Regelung weitgehend zu Lasten der - ehemaligen - Hausfrau. Die im Gesetzentwurf weit stärker als bisher vorgesehene Pflicht des Kinder betreuenden Elternteils könne zudem nicht ohne Rücksicht auf die bisher bestehenden Lebensverhältnisses der Ehegatten beurteilt werden.
Wenn beispielsweise die Kinder vor der Trennung mit Einverständnis beider Eltern halbtags den Kindergarten besucht hätten, im Übrigen aber von der teilerwerbstätigen Mutter betreut worden seien, so werde man nach der Trennung nicht einfach sagen können, nunmehr müssten die Kinder ganztags in den Kindergarten gehen, damit die nun allein erziehende Mutter erwerbstätig sein könne, so Schwab.
Nach der Ansicht von Professor Siegfried Willutzki aus Köln, des Ehrenvorsitzenden des Deutschen Familiengerichtstages, stellt der vorgelegte Entwurf des Unterhaltsänderungsgesetzes sicherlich keine Revolution des Unterhaltsrechtes dar.
Sie sei vielmehr das Ergebnis der Umsetzung der von Wissenschaft und Praxis entwickelten Verbesserungswünsche. Diese könnten zwar nicht den Anspruch einer Reform des Unterhaltsrechts erheben, aber sie stellten einen beachtlichen Fortschritt dar.
Zu Recht habe der Vorrang für Minderjährige fast ausnahmslos Zustimmung gefunden. Kinder hätten anders als Erwachsene keine Möglichkeit, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Klaus Schnitzer, Fachanwalt für Familienrecht in Euskirchen, hielt es mit Blick auf diese Tatsache für richtig, dass der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau zeitlich herabgesetzt werden soll.
Ähnlich äußerte sich Frank Klinkhammer, Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf. Beim Ehegattenunterhalt sei die Befristung auf sämtliche Unterhaltstatbestände ausgeweitet worden. In der bisherigen Rechtsprechung seien Defizite zu verzeichnen gewesen.
Auch er lobte den Entwurf: Er wähle mit seiner verstärkt auf das Kindeswohl gerichteten Augenmerk einen klaren und gut akzeptierten Ausgangspunkt, der konsequent umsetzt werde.
Auch Jutta Puls aus Hamburg, Vorsitzende der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages, begrüßte den Regierungsentwurf als "angemessene und notwendige Reaktion auf familiäre und gesellschaftliche Entwicklungen in Deutschland".
Er sei auch Ausdruck der sich verbreitenden Erkenntnis, dass es dringend geboten sei, das Kindeswohl zu stärken und - damit einhergehend - die unterhaltsrechtliche Position von Elternteilen, die Kinder betreuen, zu verbessern.
Die Eigenverantwortung von Ehegatten nach der Scheidung sei herauszufordern. Thomas Meysen aus Heidelberg, fachlicher Leiter des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht, machte deutlich, der Gesetzentwurf stoße auf uneingeschränkte Zustimmung, weil er die Maxime der Unterhaltsrechtsreform, Kinder unabhängig von der Beziehung ihrer Eltern in den Mittelpunkt zu stellen, beachte.
Er werde getragen von zwei zentralen Botschaften: Kinder gehen vor; Elternschaft zählt mehr als Ehe. Kritik äußerte Meysen, wie einige andere Experten auch, an der Regelung, dass die jungen volljährigen Kinder als vierte in Rangfolge regelmäßig leer ausgingen, wenn die Mittel für den Unterhalt knapp seien.
Er habe "Schwierigkeiten" zu verstehen, weshalb gerade diese Gruppe in der schwierigen Lebensphase des Eintritts ins Berufsleben - weiterhin - auf Sozialleistungen verwiesen werde.
Margret Diwell aus Berlin, Fachanwältin für Familienrecht, meinte, die vorgesehene Reform "entlaste die Männer, aber belaste die Frauen und Kinder". Es sei zum anderen unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls kritikwürdig, dass der auf den statistischen Daten von 1998 beruhende Mindestunterhalt nicht erhöht würde.
Die 38-jährige Mutter zweier 13- und 15-jähriger Jugendlicher, die für sieben Euro brutto an der Kasse der Tankstelle arbeite, werde ihre Wochenarbeitszeit um drei Stunden aufstocken müssen, zulasten der Versorgung ihrer Kinder.
Professor Marianne Breithaupt von der Fachhochschule Landshut nannte den Mindestbedarf von 334 Euro West und 308 Euro Ost sehr gering. Er reiche nicht aus zum Aufziehen eines Kindes auf bescheidenster Basis. Wie ein Gesetz durch einen so geringen Mindestunterhalt das Kindeswohl stärken will, sei nicht erklärt.
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