Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Damit der Text nicht verloren geht

pappa_in_austria, wien, Sunday, 11.10.2009, 13:48 (vor 5923 Tagen) @ sonnenlilie

Hier der komplette Artikel:


„Hort des Männerhasses“
„Männerrechtler“ will Frauenhäuser schließen

Der „Männerrechtler“ und Soziologe GerhardAmendt, Uni Bremen,
sieht in Frauenhäusern eine „Welt des Männerhasses“.
Konsequenterweise plädierte er für derenAbschaffung.
Wie stichhaltig sind seine Behauptungen?

Eine sympathisch wirkende Frau spielt mit einem Mädchen im Sandkasten.
Die Sonne scheint. Sie lachen sich vertrauensvoll an.
Mit dieser Szene aus dem Frauenhaus Bad Kreuznach wirbt die
ARD-Fernsehlotterie zur Primetime für ihr „Megalos“.
Mit ihren Mitteln unterstützt sie offenbar auch Frauenhäuser –
deren öffentliche Finanzierung in den meisten Bundesländern ungesichert ist.
Ein Trugbild, meint Soziologe und „Männerrechtler“ Gerhard Amendt.
Mitnichten seien Frauenhäuser harmlose Orte, an denen Frauen und Kinder
entspannt leben.
Ganz im Gegenteil, Frauenhäuser seien „eine Welt des Männerhasses“,
bewohnt von „Ideologinnen“, denen es „narzisstische Hochgefühle“ beschere,
mit „antipatriarchaler Kampfrhetorik“ Frauen „in die Opferposition“
zu „manipulieren“. „Professionalität ist nicht ihr Ziel“, behauptet der Autor.
Sie seien vielmehr „parteilich, was ein Synonym dafür ist, dass sie Frauen
als Opfer sehen, denen böse männliche Mächte gegenüberstehen“.
Frauenhäuser, so sein Schluss, gehörten schleunigst abgeschafft.

Die Zeitung „Die Welt“ räumte Amendt dafür im Juni eine ganze Seite frei –
und organisierte gleich noch eine Internet-Abstimmung über die
Existenzberechtigung der Frauenhäuser.
Angesichts von 20 000 Frauen, die jährlich Zuflucht im Frauenhaus suchen, ist
Amendts Vorschlag nicht nachvollziehbar.
Nicht wenige werden von der Polizei dorthin gebracht, weil diese keine andere
Möglichkeit sieht, Frauen und Kinder vor schweren Gewalttaten zu schützen.
In Nordrhein-Westfalen sind 2007 196 Betroffene in Frauenhäuser geflüchtet,
die zwangsverheiratet werden sollten.
Die allgemeine Anerkennung der Frauenhäuser zeigte sich zuletzt 2008 in einer
Bundestagsanhörung mit dem Ziel, deren desolate Finanzierung zu verbessern.
Für Amendt ist das ein großer Fehler.

Unkenntnis der Realität

Heißt „Parteilichkeit“, dass man Frauen zu Opfern und Männer zu Tätern stilisiert?
Nein, sagt Viktoria Nawrath, Geschäftsführerin der Frauenhauskoordinierung,
die diemeisten der 358 Frauenhäuser in Deutschland vertritt.
Sie bescheinigt Amendt „große Unkenntnis der Realität von Frauenhaus-Arbeit“.
In vielen Berufen sei Parteilichkeit für die Klientel geradezu die Voraussetzung
für professionelles Arbeiten, so etwa bei Anwältinnen, Beratern und
Therapeutinnen.
Amendt belegt sein Urteil mit einem Gutachten des Männerforschers Peter Döge
über Thüringer Frauenhäuser. Darin werden Studien zitiert, nach denen Frauen
in Paarkonflikten ebenso gewalttätig seien wie Männer.
Allerdings beachtet der Autor nicht weiter, dass die Verletzungsfolgen dieser
Paargewalt sehr unterschiedlich ausfallen.
Die Soziologin Carol Hagemann-White, Expertin für häusliche Gewalt, meint,
dass man womöglich zwei Gewaltformen unterscheiden müsse.
Die „gewöhnliche Paargewalt“, die aus Streitigkeiten erwächst, sei offenbar
weniger folgenschwer als die sehr viel seltenere „patriarchale Kontrollgewalt“,
bei der eine Frau um Leib und Leben fürchtet. Genau diese Klientel flüchte ins
Frauenhaus.
„Bei den Frauenhausbewohnerinnen waren Häufigkeit und Schwere der
erlebten Gewalttaten weit, weit schlimmer“ als bei der Vergleichsgruppe aus
der Gesamtbevölkerung, so Hagemann-White.

„Noteinrichtungen“

Döge will die Frauenhäuser übrigens nicht abschaffen. Im Gegenteil, er bescheinigt
ihnen einen positiven volkswirtschaftlichen Nutzen. Doch geht er ebenso wie Amendt
davon aus, dass im Frauenhaus zumeist an „gewöhnlicher Paargewalt“ Beteiligte wohnten.
Dieser sei mit der so genannten „systemischen“ Beratung von Frau und Mann besser
beizukommen als mit der „parteilichen“ Beratung für Frauen.
Hagemann-White widerspricht: „Die Frauenhäuser wurden nicht dafür eingerichtet,
im Gesamtfeld familiärer Gewalt zu arbeiten“, präzisiert sie deren Funktion.
Es seien reine Noteinrichtungen. Gelte es, einen Paarkonflikt zu bearbeiten,
so vermittelten Frauenhäuser die Beteiligten in Beratungen,
in denen durchaus auch „systemisch“ gearbeitet wird.
Wohin mit den 20 000 Frauen, die vor„patriarchaler Kontrollgewalt“ fliehen,
wenn es keine Frauenhäuser mehr gibt?
Amendt hat eine Antwort: Beratungsstellen sollen „in Notfällen Männer wie
Frauen mit Kindern vorübergehend sicheren Aufenthalt bieten“, schlägt er vor.
Genau das aber tun sie schon heute:
Sie bringen Frauen mit Kindern in Frauenhäuser.
Was vielleicht fehlt, sind Schutzräume für Männer, die vor Frauengewalt fliehen.
Denn bisher ist nicht erforscht, ob sich hinter so mancher „gewöhnlicher Paargewalt“
nicht auch eine extrem gewalttätige Frau verbirgt – und ein männliches Opfer,
das vor Scham nicht zur Polizei zu gehen wagt.
Heide Oestreich, Redakteurin der „taz“


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