Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Antwort an Adam

Lecithin, Monday, 18.09.2006, 23:53 (vor 7021 Tagen)

Hallo Adam,

komme erst jetzt dazu, Dir zu antworten: Aber besser später, als nie.

Was mich an diesen Analogien aus der Tierwelt besonders amüsiert, ist die Tatsache, dass der moderne Mensch im Geiste jedwede Metamorphose vorwärts und rückwärts durchmacht: Egal, ob er sich dem Affen zugehörig fühlt, wie Du auch bemerkt hast, oder wie hier, sich ein Besipiel nimmt am Alltagsleben der Fische oder ihn auch die Geschlechtslosigkeit der Amöbe fasziniert. Solche Metamorphosen, für die die große Mutter Natur zig Millionen Jahre benötigt vermittels ihrer einzigartigen Genialität, möchte er in einer Legislaturperiode via Gesetzesänderung schaffen. Er möchte sich in kurzer Zeit in einen Blaubarsch verwandeln oder in absehbarer Zeit gar den Sprung ins Reich der Wirbellosen schaffen. Natürlich meint er, als Blaubarsch immer noch einen gepflegten Eiskaffee trinken zu können *lol*

Auf den Gedanken, sich vorher ersteinmal in einen friedliebenden Menschen zu verwandeln, der wirklich Herr seiner Sinne ist und damit als Krone dieser Schöpfung gelten kann, auf diesen Gedanken kommt er nicht. Das ist ihm ungleich weiter entfernt, als die Möglichkeit einer Transformation seines Äusseren. Auch Analogien, die auf die Möglichkeit von Friedfertigkeit im Tierreich verweisen, blendet er aus. Es ist ihm zu langweilig, wenn er seine Ahnungen und sein eigentliches Gewissen bestätigt sieht im Tierreich und so orientiert er sich am Abstrusen, am "Weitentfernten". Man möchte meinen, der Mensch will allles sein, nur nicht ein Mensch.

Es ist ein eigenartiger Drang, insich selbst den gesunden Menschenvertand zu zerstören. Dabei bemerkt er nicht den Unsinn: Wäre ich ein Blaubarsch, würde ich auch ohne Gerichtsverhandlung und ohne Gewissen den Schreiberling fressen dürfen, das dürfte man mir nichtmal zum Vorwurf machen. Aber der Schreiberling erdenkt es sich nicht, weil es zu gerade ist. Er bemerkt nicht, welche Konsequenzen seine Gedanken haben, mit denen er eine Analogie bildet, die auf das Tierreich deutet, gleichzeitig er sich aber beim Schreiben geschützt fühlen kann durch eben den Humanismus der Menschenrasse, den er selbst als altmodisch und unpassend anprangern möchte. In ihm sind nur Fiktion und tonnenweise Worthülsen. Es ist Entertainment auf Kosten unseres geistigen Wohlseins. Der Schreiberling möchte selbst niemals wirklich Blaubarsch sein, sondern tut nur ganz dolle originell. In seinem Sprung ins Reich der Phantasie nimmt sich der Schreiberling als originell und wichtig wahr und erkennt auch nicht, dass er nicht nur nicht in der Lage ist, sich in absehbarer Zeit mit bewusstem Willen etwa Kiemen oder Flossen wachsen zu lassen oder auch in ein Weibchen zu verwandeln, nein er kann sich in absehbarer Zeit nichteinmal erfolgreich das Rauchen abgewöhnen, aber er schwadroniert, fabuliert und kolportiert, was das Zeug hält.

In einem Punkt meine ich, Dich beruhigen zu können: Es ist nicht durchgängiger Zynismus. Die treibenden Kräfte sind in ihrem Machtwillen sicher sehr zynisch. Aber darumherum akkumuliert sich bewusstlose Dummheit, kurzsichtiges Geschäftsinteresse und anderes. Das macht dann den Hauptteil aus. Diese Mechanik kennen zynische Machthaber und brauchen lediglich etwas induzieren, um dann die Kolonne der Blödheit in Bewegung zu setzen. Manchmal, glaube ich, ensteht Blödheit einfach so am hellichten Tag unter blauem Himmel und Sonnenschein und erst dann "docken" sich Machthaber an, sie sich oft erstaunt sind, wie einfach es ist, die Leute hinters Licht zu führen.

PS: Vielleicht hat der kompostmoderne Mensch (herzlichen Dank für dieses schöne Wort!) bemerkt, dass es zu schwierig ist, nach oben sich zu entwickeln und sich nach vorne zu orientieren. Nun sucht er unten im Algentümpel und in der Pferdescheisse nach seiner Heimat.

Normalerweise hinken alle Analogien, sonst wären sie die Sache selbst. Eine echte Analogie aber hinkt nur in der Nebensache und erklärt die Hauptsache. In der Kompostmoderne aber ist das Hinken die Regel und die kompostmoderne Analogie hinkt in der Hauptsache UND in der Nebensache. *lol*

Gruß!
Lecithin

Frage an Lecithin

Nikos, Athen, Tuesday, 19.09.2006, 10:21 (vor 7020 Tagen) @ Lecithin

Wieso können Menschen nicht einfach Würmer werden? Ist doch viel angenehmer: Keine Staus mehr, kein Krieg, keine Arbeitslosigkeit und Armut, kein Hunger, sehr geringe Umweltverschmutzung, keine Glasdecken bei der Bossetagen, usw usw. Hast Du das gemeint?

--
*Es gibt KEINEN Grund für eine Nicht-Feministin, einem Mann, den sie liebt, KEINEN Kaffee zu machen!*

Antwort an Lecithin

Dummschwätzer, Tuesday, 19.09.2006, 12:11 (vor 7020 Tagen) @ Lecithin

Hallo Lecithin,

toller Beitrag. Lecithin ist gut fürs Gehirn.
Dazu ein kleines Gedicht.

Wenn ich ein Mundschmiss (vornehme Form von Maulwurf) wär',
und auch zwei Schaufeln hätt'
grüb ich mich ein.
Weil ich kein Mundschmiss bin,
und keine Schaufeln hab,
lass' ich es sein.

Antwort an Adam

Adam, Tuesday, 19.09.2006, 15:59 (vor 7020 Tagen) @ Lecithin

Hallo Lecithin,

Er möchte sich
in kurzer Zeit in einen Blaubarsch verwandeln oder in absehbarer Zeit gar
den Sprung ins Reich der Wirbellosen schaffen. Natürlich meint er, als
Blaubarsch immer noch einen gepflegten Eiskaffee trinken zu können *lol*

Er möchte sich eben jederzeit in einen Blaubarsch verwandeln können, der sich jederzeit in einen Menschen verwandeln kann. DIES aber ist kein Blaubarsch mehr, sondern ein Phantasiegespinst. Hier wäre folglich gerade eine qualitative Differenz aufzuspüren gewesen (zoon logon echon).


Auf den Gedanken, sich vorher ersteinmal in einen friedliebenden Menschen
zu verwandeln, der wirklich Herr seiner Sinne ist und damit als Krone
dieser Schöpfung gelten kann, auf diesen Gedanken kommt er nicht.

Schlimmer noch: ihm ist der Begriff "Krone der Schöpfung" zutiefst suspekt. Warum? Weil er nicht mehr an eine Schöpfung glaubt? Möglich, doch beträfe dies allen die Region des Faktischen. Warum reicht hier die Einbildungskraft nicht über ein vorgestelltes Blaubarschdasein hinaus?

Man möchte meinen, der Mensch will allles sein, nur
nicht ein Mensch.

Eben. Denn: Tiere haben es leichter. Ihnen fehlt die Last der Verantwortung, der Moral, des Sollens - wie man es auch nennen will -, die das Gewicht der Krone bestimmt, die man zugunsten eines unbeschwerten Aufgehens in Trieb und Instinkt den Orkus hinabschleudert.

Es ist ein eigenartiger Drang, insich selbst den gesunden Menschenvertand
zu zerstören. Dabei bemerkt er nicht den Unsinn: Wäre ich ein Blaubarsch,
würde ich auch ohne Gerichtsverhandlung und ohne Gewissen den
Schreiberling fressen dürfen, das dürfte man mir nichtmal zum Vorwurf
machen. Aber der Schreiberling erdenkt es sich nicht, weil es zu gerade
ist. Er bemerkt nicht, welche Konsequenzen seine Gedanken haben, mit denen
er eine Analogie bildet, die auf das Tierreich deutet, gleichzeitig er sich
aber beim Schreiben geschützt fühlen kann durch eben den Humanismus der
Menschenrasse, den er selbst als altmodisch und unpassend anprangern
möchte.

Nunja, ich sehe, ich widerhole nur das mit anderen Worten, was hier schon steht. Sehe das also ganz ähnlich.


PS: Vielleicht hat der kompostmoderne Mensch (herzlichen Dank für dieses
schöne Wort!) bemerkt, dass es zu schwierig ist, nach oben sich zu
entwickeln und sich nach vorne zu orientieren. Nun sucht er unten im
Algentümpel und in der Pferdescheisse nach seiner Heimat.

Es ist dies auch ein Reflex, der uns nur allzu vertraut sein müßte: das Sich-selbst-nicht-leiden-können ist eine Attitüde etwa vieler Deutscher angesichts eines bestimmten in der Tat nicht ruhmreichen Ausschnitts ihrer Geschichte. Dies Haltung ist etwas, das sich der Form nach ziemlich genau in den oktroyierten und oft eben auch freiwillig übernommenen Männerselbsthaß des Zeitgeistes übertragen hat. Der biologische Minderwertigkeitskomplex ist eine weitere Spielart davon und wie schon der Komplex angesichts feministischer Forderungen nicht mehr eine deutsche Besonderheit. Einige betreiben dies wissend; diese nenne ich zynisch.

Aber es liegt hier ein ähnliches oft narzistisches Gedankenmuster zugrunde: Selbstkritik ist etwas positives, also betreiben wir dergleichen um jeden Preis. (Damit will ich nichts gegen differenzierte Selbstkritik gesagt haben.)

Der Mensch fühlt sich eben oft besser, wenn er sich schlechter machen kann.


Gruß
Adam

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