Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Gendiagnostikgesetz

Odin, Friday, 15.09.2006, 13:47 (vor 7023 Tagen)

Gentests
Einschränkungen nicht haltbar

Das Gendiagnostikgesetz ist längst überfällig. Wiederholt schon hat es in den letzten acht Jahren aus den Reihen der Regierenden geheißen, demnächst werde ein Gesetzentwurf vorgelegt. Nichts ist passiert. Stattdessen boten Diagnostik-Firmen zunehmend ihre Testkits auch auf dem freien Markt an, vor allem im Internet sind sie zu finden. Darunter sind auch einige, die sich mit der Bezeichnung "dubios" noch geschmeichelt fühlen müssen. Zu begrüßen ist, dass die Grünen die informelle Selbstbestimmung ganz groß in ihren Gesetzentwurf hineingeschrieben haben. So sollen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern keine prädiktiven Gentests aufzwingen dürfen. Ebenso sollen Versicherungen keinerlei Zugriff auf genetische Daten bekommen. Klar ist jetzt schon, dass das die Versicherungsunternehmen nicht hinnehmen werden. Sie werden zumindest darauf bestehen, dass beispielsweise vor Abschluss einer Lebensversicherung alle bis dato dem Versicherungsnehmer bekannten genetischen Risiken bekannt gegeben werden. Das entspricht übrigens der derzeitigen Rechtslage. Und sollte es im Bundestag eines Tages mal eine Mehrheit dafür geben, dass auch die Strafverfolgungsbehörden und Schleppfahnder die medizinischen Gendaten nicht nutzen dürfen, so ist doch fraglich, wie lange eine derartige Restriktion aufrechterhalten bleibt. Bei den Mautdaten hieß es auch einmal, sie dürfen ausschließlich zur Berechnung der Straßenbenutzungsgebühr verwendet werden. Es ist abzusehen, dass dies demnächst geändert wird.

http://www.taz.de/pt/2006/09/15/a0299.1/text

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Erkennbares Anliegen der Grünen ist es, die "Chancen" für die Genforschung "zu wahren". Mitunter tun sie noch mehr und stellen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zumindest zur Disposition. Zwar dürfen WissenschaftlerInnen genetische Daten und Proben von Körpersubstanzen nur gewinnen, beforschen und mindestens zehn Jahre aufbewahren, wenn der Betroffene zuvor aufgeklärt wurde und eingewilligt hat. Doch soll die Zustimmung nicht unbedingt auf ein konkretes Projekt begrenzt bleiben, wie dies etwa im Rahmen klinischer Studien Standard ist. Vielmehr mutet das grüne Gesetz potenziellen ProbandInnen weitere Einwilligungsvarianten zu: So sollen "SpenderInnen" die wissenschaftliche Nutzung ihrer Proben und Daten auch pauschal einräumen können, etwa für "biomedizinische Forschung" oder "allgemein zu Zwecken wissenschaftlicher Forschung". Derartige Blankoschecks sind maßgeschneidert für Biobanken, betrieben von Universitäten, Biotech- und Pharmafirmen. Auf Vorrat sammeln sie Daten und Körpersubstanzen für Forschungsprojekte, deren Inhalte, Ziele und Verantwortliche zum Zeitpunkt der "Spende" noch gar nicht feststehen. Das 1983 vom Bundesverfassungsgericht per Volkszählungsurteil etablierte Grundrecht, wonach jeder wissen können muss, wer was wann und zu welchem Zweck über ihn weiß, wird so praktisch unterlaufen. Das gilt auch für diese Klausel des grünen Gendiagnostikgesetzes: Sie besagt, dass ForscherInnen auf "bereits vorhandene" Proben und Daten, die aus früheren medizinischen Untersuchungen stammen, ausnahmsweise ohne Einwilligung der Betroffenen zugreifen können, wenn die Zustimmung "nur mit unverhältnismäßigem Aufwand" zu beschaffen ist. In solchen Fällen müssen die - zweckentfremdeten - Proben und Daten vor Beginn der Forschung anonymisiert werden.

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Schützen sollen die Paragrafen zudem Babys, Kinder und Jugendliche. Allerdings ermöglicht der grüne Entwurf, kranke Minderjährige mit Einwilligung der Eltern auch in Genforschungen einzubeziehen, die ihnen selbst nichts nützen. Außerdem dürfen "bereits vorhandene" Proben und Daten gesunder und kranker Kinder im Rahmen fremdnütziger Projekte analysiert werden, "soweit dies zur Erforschung multifaktoriell bedingter Erkrankungen unerlässlich ist". Solche Krankheiten, denen nicht nur, aber "auch genetische Dispositionen zugrunde liegen können", sind nach Kenntnis der Grünen zum Beispiel Epilepsie, Autismus, Übergewicht, Diabetes, Asthma, Neurodermitis und chronisch entzündliche Darmentzündungen.

Mehrheiten für den Gesetzentwurf sind im Bundestag nicht in Sicht. Passagen des Papiers könnten im Laufe dieser Legislaturperiode aber recycelt werden - von Parteien und Lobbygruppen, die weniger über Bürgerrechte reden als die Grünen.

http://www.taz.de/pt/2006/09/15/a0301.1/text

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Odin statt Jesus!
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