Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Wählertäuschung ist vorprogrammiert mit Überhangmandate

Christian, Saturday, 19.09.2009, 00:04 (vor 5945 Tagen)

44 Prozent könnten zur Kanzlermehrheit reichen

Wahlforscher rechnen bei der Bundestagswahl in gut einer Woche mit etlichen Überhangmandaten. Davon dürfte wegen der SPD-Schwäche vor allem die CDU profitieren. Experten halten ein Szenario für möglich, bei dem Union und FDP nur auf diesem Weg eine Kanzlermehrheit erreichen würden.

http://www.welt.de/politik/bundestagswahl/article4565579/44-Prozent-koennten-zur-Kanzlermehrheit-reichen.html

Wählertäuschung ist vorprogrammiert mit Überhangmandate

Moveman, der III., Saturday, 19.09.2009, 01:47 (vor 5945 Tagen) @ Christian

44 Prozent könnten zur Kanzlermehrheit reichen

Wahlforscher rechnen bei der Bundestagswahl in gut einer Woche mit
etlichen Überhangmandaten. Davon dürfte wegen der SPD-Schwäche vor allem
die CDU profitieren. Experten halten ein Szenario für möglich, bei dem
Union und FDP nur auf diesem Weg eine Kanzlermehrheit erreichen würden.

http://www.welt.de/politik/bundestagswahl/article4565579/44-Prozent-koennten-zur-Kanzlermehrheit-reichen.html

Wer zum Thema mehr wissen will, also Wahlfolgen und Parteienfinanzierung, der lese bei Prof. von Arnim nach. Verhältniswahlrecht bundesrepublikanischer Prägung ist grundsätzlich ein Überhangsmandat gegen die Demokratie. Und wie immer will es keiner gewusst haben. Frage mal den durchschnittliche Wähler, aktuell Piraten, was er über das Wahlrecht weiss und, speziell nach den Strukturen, wenn es schon um Teilhabe geht. Es ist ein Grauen, welch Unkenntnis herrscht. Bundesrat, Bundesversammlung, Bundestag, Bundesgesetz, Bundeskrieg und keiner geht hin. Mit solchen Laffen muss man Staat machen. Die Etablierten freut es zumindest. Und die Doofen könnten Partei werden oder Musik machen.

Wählertäuschung ist vorprogrammiert mit Überhangmandate

Ralf, NRW, Saturday, 19.09.2009, 05:39 (vor 5945 Tagen) @ Christian

Man kann Überhangmandate gut oder schlecht finden, "Wählertäuschung" sind sie aber definitiv nicht.

Sowohl ein reines Mehrheitswahlrecht (ins Paralament kommen ausschließlich diejenigen, die in ihrem Wahlkreis die meisten Stimmen geholt haben) als auch ein reines Verhältniswahlrecht (die Sitzverteilung im Parlament entspricht möglichst genau dem Gesamtstimmenanteil einer Partei) sind demokratisch zu rechtfertigen.

Das deutsche System mit seiner Mischung aus Personal- und Verhältniswahl liegt irgendwo dazwischen, insgesamt tendiert es - bis eben auf die Überhangmandate - mehr zu einer Verhältniswahl.

Dagegen ist absolut nichts einzuwenden.

Gruß Ralf

--
*** Ich bin doch nicht genderblödgestreamt! ***

Wählertäuschung ist vorprogrammiert mit Überhangmandate

Tom, Saturday, 19.09.2009, 14:53 (vor 5944 Tagen) @ Ralf

Das deutsche System mit seiner Mischung aus Personal- und Verhältniswahl
liegt irgendwo dazwischen, insgesamt tendiert es - bis eben auf die
Überhangmandate - mehr zu einer Verhältniswahl.

Dagegen ist absolut nichts einzuwenden."


Das sehe ich anders. Überhangmandate werden das Ergebnis, das bei einer reinen Verhältniswahl herauskäme, um maximal 2% verfälschen. Wir haben also quasi zu 98% ein Verhältniswahlrecht und nur zu 2% ein Personalwahlrecht. Nur: die Mehrheit der Wahlbürger weiß das schlichtweg nicht, die Wähler glauben , wir hätten ein reines Verhältniswahlrecht. Und deshalb werden die Wähler es als sehr ungerecht empfinden, wenn Parteien mit 46% der Stimmen gegen eine Opposition mit 47% der Stimmen regieren können. Wenn es wirklich dazu kommt - diesmal durchaus möglich - wird das ein heißes Thema werden.

Also: Ich habe etwas dagegen einzuwenden. Einfach aus Gründen der Gerechtigkeit, auch wenn in diesem konkreten Fall die Partei, die davon begünstigt wird, mir immer noch lieber ist als die andere....

Wählertäuschung ist vorprogrammiert mit Überhangmandate

Nihilator ⌂, Bayern, Saturday, 19.09.2009, 18:03 (vor 5944 Tagen) @ Ralf

Das deutsche System mit seiner Mischung aus Personal- und Verhältniswahl
liegt irgendwo dazwischen, insgesamt tendiert es - bis eben auf die
Überhangmandate - mehr zu einer Verhältniswahl.

Dagegen ist absolut nichts einzuwenden.

Dagegen ist sehr wohl etwas einzuwenden, Ralf. Es führt zu dem Kuriosum, daß mehr Stimmen weniger Sitze bedeuten können, einem negativen Stimmrecht, daß also eine gewisse Anzahl Wähler genau das Gegenteil von dem bekommen, wofür sie gestimmt haben. Damit setzt sich das Grundgesetzgericht auseinander.

Warum muß es überhaupt Überhangmandate geben? Wäre es nicht richtig, daß die Sitzverteilung exakt das Ergebnis der Verhältniswahl wiedergeben muß? Dann fielen eben ein paar Direktkandidaten heraus, die mit den schwächsten Ergebnissen. Alternativ zögen Direktkandidaten anderer Parteien ein, die nur Zweitplazierte wurden.

Ein noch gravierenderer Webfehler -der eigentliche des Systems- besteht aber m.E. darin, daß Spitzenpolitiker gleichzeitig direkt und auf Spitzenplätzen der Landesliste kandidieren. Beides wird parteiintern ausgekungelt, anders als etwa in den USA. Wenn also das Stimmvieh, sagen wir mal, von einem Herrn Steinmeier die Schnauze derart voll hätte, daß der in seinem Wahlkreis nur noch 0,5% bekäme, würde er uns trotzdem todsicher erhalten bleiben. Zumindest, solange seine Partei die 5%-Hürde schafft. Das heißt, der Wähler entscheidet gar nicht über das Personal, das tun die Parteien. Einen Spitzenpolitiker wird man gar nicht los, es sei denn, man verwehrt seiner ganzen Partei den Einzug in den Bundestag.

Was hat das mit repräsentativer Demokratie zu tun? Das ist Parteiendiktatur, nur nicht mit einer, sondern mit 5 oder 6. Es ist ebenso undemokratisch wie die Wahlen in der DDR mit Einheitsliste. Wobei man dort wenigstens noch richtig "nein" zu einzelnen oder allen Kandidaten sagen konnte.


Grüßla,
nihi

--
CETERUM CENSEO FEMINISMUM ESSE DELENDUM.

MÖSE=BÖSE

Fast ein Jahr lang suchte sie Hilfe bei Psychiatern, dann wandte sie sich Allah zu.


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Wählertäuschung ist vorprogrammiert mit Überhangmandate

Ralf, NRW, Saturday, 19.09.2009, 21:07 (vor 5944 Tagen) @ Nihilator

Hi Nihi,

Dagegen ist sehr wohl etwas einzuwenden, Ralf. Es führt zu dem Kuriosum,
daß mehr Stimmen weniger Sitze bedeuten können, einem negativen Stimmrecht,
daß also eine gewisse Anzahl Wähler genau das Gegenteil von dem bekommen,
wofür sie gestimmt haben. Damit setzt sich das Grundgesetzgericht
auseinander.

habe ich auch gelesen, ich halte das aber im Prinzip für Luxusproblemchen, schon deshalb, weil es völlig "neutral" ist in dem Sinne, dass es nicht von vornherein eine bestimmte politische Partei oder Richtung bevorzugt.


Warum muß es überhaupt Überhangmandate geben? Wäre es nicht richtig, daß
die Sitzverteilung exakt das Ergebnis der Verhältniswahl wiedergeben muß?

Wie gesagt, da gibt es einfach verschiedene Ansätze. Ich selbst finde auch eine Verhältniswahl insgesamt gerechter (insbesondere auch gegenüber kleineren Parteien), nichtsdestotrotz würde ich aber selbst ein reines Mehrheitswahlrecht (wie z.B. in England) nicht pauschal als "undemokratisch" bezeichnen. Da kommt dann insbesondere dieser Punkt zum Tragen:

Wenn also das Stimmvieh, sagen
wir mal, von einem Herrn Steinmeier die Schnauze derart voll hätte, daß der
in seinem Wahlkreis nur noch 0,5% bekäme, würde er uns trotzdem todsicher
erhalten bleiben.

Eben, und das scheint mir ein prinzipielles Problem eines reinen Verhältniswahlrechts zu sein. Mich hatte mal ein Engländer ganz verblüfft gefragt: "Dann kann also bei Euch jemand ins Parlament kommen, ohne überhaupt persönlich gewählt worden zu sein?".

Das deutsche System ist ein Versuch, die Vorteile beider Systeme miteinander zu kombinieren. Dass man da evtl. im Detail noch bessere Verfahren entwickeln könnte, mag durchaus sein.

Wenn man aber die Extreme "reines Mehrheitswahlrecht" und "reines Verähltniswahlrecht" gegenüberstellt und akzeptiert, dass letzlich beide Systeme demokratisch legitimierbar sind, dann kann man leicht erkennen, dass das exakte Sitzberechnungsverfahren gar nicht so wichtig ist, sofern es nicht pauschal eine bestimmte politische Richtung von vornherein bevorzugt oder benachteiligt.

Ich gehe sogar lästerlicherweise davon aus, dass viele von denen, die jetzt gerade über Überhangmandate meckern (Du bist damit selbstverständlich nicht gemeint), das System gar nicht verstanden haben, vielleicht noch nicht mal den Unterschied zwischen Mehrheits- und Verhältniswahlrecht kennen, geschweige denn die feinen Nuancen.

Gruß Ralf

--
*** Ich bin doch nicht genderblödgestreamt! ***

Wählertäuschung ist vorprogrammiert mit Überhangmandate

Tom, Saturday, 19.09.2009, 22:09 (vor 5944 Tagen) @ Ralf

"Das deutsche System ist ein Versuch, die Vorteile beider Systeme
miteinander zu kombinieren. Dass man da evtl. im Detail noch bessere
Verfahren entwickeln könnte, mag durchaus sein."

Genau darum geht's, und das ist möglich. Beispiel:

NRW stehen 100 Mandate zu, 50 über Liste, 50 direkt über Wahlkreise.

Wahlergebnis (kleine weggelassen):

CDU 35%
SPD 20%
FDP 15%
Grü 15%
LIN 15%

Die Parteien bekommen genauso viel Sitze wie Prozent, weil es ja 100 Mandate gibt. Aber: die CDU hat 45 der 50 Wahlkreise gewonnen, bekommt also nicht 35 sondern 45 Sitze, 10 Überhangmanndate.Das heißt: Sie hat nur 35% der Stimmen bekommen, stellt aber 45:110% der Manndate. ca. 41 % der Manndate mit nur 35% der Stimmen. Man müßte also die anderen Parteien proportional zur erreichten Prozentzahl über Liste auffüllen:

CDU 45
SPD 26
FDP 19
Grü 19
Lin 19

Gesamt: 128 (ca.) Das wäre gerecht, die direkt gewählten sind drin und das Verhältnis der Parteien wäre auch korrekt wiedergegeben. Problem: Nicht nur 10, sondern 28 zusätzliche Abgeordnete, NRW wäre überpräsentiert. (Wenn wir dann ganz korrekt sein wollten, müßten wir die übrigen Bundesländer proportional zu NRW auffüllen, dann hätten wir im ganzen Bundestag 28% mehr Abgeordnete als vorgesehen)

War aber auch ein konstruiertes, extrem gewähltes Beispiel. Normalerweise gibt es nicht so viele Überhangmandate.

Wählertäuschung ist vorprogrammiert mit Überhangmandate

Steve_, Saturday, 19.09.2009, 15:32 (vor 5944 Tagen) @ Christian

Wahlforscher rechnen bei der Bundestagswahl in gut einer Woche mit
etlichen Überhangmandaten. Davon dürfte wegen der SPD-Schwäche vor allem
die CDU profitieren. Experten halten ein Szenario für möglich, bei dem
Union und FDP nur auf diesem Weg eine Kanzlermehrheit erreichen würden.

Ich denke nicht, daß es soweit kommt. Sollte der Fall eintreten, würde die CDU diesen "Wahlsieg" politisch nicht überleben

Wählertäuschung ist vorprogrammiert mit Überhangmandate

Tom, Saturday, 19.09.2009, 17:40 (vor 5944 Tagen) @ Steve_

"Ich denke nicht, daß es soweit kommt."

Wahrscheinlich nicht: Die Umfragen sind seit Monaten unglaublich stabil, CDU/FDP haben seit Monaten immer genau 5-7% Vorsprung vor den anderen, bei allen Instituten. (diese Stabilität ist schon fast verdächtig....)

Als sicher kann zudem gelten, daß die CDU durch Überhangmandate mehr Sitze erhalten wird, als ihr nach Verhältniswahlrecht zustünden. ca. 1-2% mehr.

Die drei anderen liegen also nicht 5-7% hinten, sondern faktisch 6,5-8,5%.
Was allerdings in der letzten woche noch alles passiert: nobody knows...

"Würde bewahren - Stimme verweigern"

Dragman, Vogelsberg, Saturday, 19.09.2009, 17:02 (vor 5944 Tagen) @ Christian

Das Verhältniswahlrecht ist das eigentlich Undemokratische. Es zwingt den Wähler, Personen zu wählen, die er nicht wählen will. Weiter sorgt es dafür, dass von den 598 Sitzen im Bundestag jetzt schon 90% vergeben sind, was die "Wahl" sehr stark einschränkt. Wie sich die Mischpoke dann letztlich zusammenrauft ist egal. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Besonders im Zeichen des totalitären Sozialdemokratismus femifaschistischer Prägung. Da spielen Überhangmandate nun wirklich keine Rolle mehr. Es sei denn, man glaubt an den Zinnober. Für diesen Fall ist man aber in der Kirche besser aufgehoben. Wahlverweigerer entziehen dem System das Vertrauen. Das könnte Schule machen, deshalb diffamiert man sie als "Spasten und Schweinebacken". Die Mädels haben gut beim Klumpfuß gelernt. Respekt.

--
Vergil: "Varium et mutabile semper femina." (Immer schwankend und wechselnd ist das Weib.)

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