Buchauszug
Bei den ersten Ehegesprächen macht Frau M. ihrem Mann häufig Vorwürfe: Da sie schon berufstätig sei, müsse er ihr mehr im Haushalt
helfen. Es sei nicht auszuhalten, daß er abends immer so müde sei und nur noch fernsehen wolle. Herr M. sitzt größtenteils lächelnd dabei, ohne etwas darauf zu erwidern.
BERATER: ?Ich könnte mir vorstellen, daß es gar nicht so angenehm ist, wenn Ihre Frau Ihnen so viel Vorwürfe macht?" HERR M.: ? Nee. " (lächelt weiter)
BERATER: ?Vielleicht können Sie ihr darauf antworten?" HERR M.: ?Ach, ich weiß nicht." (lächelt)
BERATER: ?Sie lächeln, wenn Sie das sagen. Und Sie lächeln auch, wenn Ihre Frau mit Ihnen schimpft. Was heißt das für Sie?" HERR M.: ?Hab' ich gar nicht gemerkt. "
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BERATER: ?Lächeln Sie mal weiter und versuchen Sie zu spüren, was das für Sie bedeutet. "
HERR M.: ?Ach, ich weiß nicht. Vielleicht hab' ich's einfach aufgegeben."
BERATER: ?Was haben Sie aufgegeben?" HERR M.: ?Ihr zu sagen, wie das ist." BERATER: ?Sagen Sie es ihr jetzt!"
HERR M.: ?Guck mal, ich tu doch auch 'ne ganze Menge. Ich fahre einkaufen, ich hole Johanna ab, und dann hol' ich dich ab. Und ich muß ja auch um 5 Uhr aufstehen, dann kannst du noch schlafen." FRAU M.: ?Na, aber trotzdem. Abends ist mit dir überhaupt nichts mehr anzufangen. Ich muß dann noch was machen und du schläfst einfach vorm Fernseher ein. "
HERR M.: (lächelt)
BERATER: ?Sie lächeln wieder." HERR M.: ?Ja."
BERATER: ?Ich stelle mir vor, ich würde ganz schön sauer werden, wenn ich soviel tun muß und dann solche Vorwürfe zu hören kriege. " HERR M.: ?Ach nein."
FRAU M.: (zum Berater)? Es wäre vielleicht anders, wenn ich nicht arbeiten würde. "
BERATER: ?Sagen Sie das zu Ihrem Mann."
FRAU M.: ?Was meinst du, würden wir uns dann besser verstehen?" HERR M.: (zuckt die Schultern)
BERATER: ?Sagen Sie ihr, wie Sie darüber denken!"
HERR M.: (Lange Pause) ?Es ist ja nur... weil... also... ich schlafe ja nur vorm Fernseher ein..." (verstummt, sieht seine Frau an) BERATER: (zu Herrn M.) ?Ja?"
HERR M.: (keine Antwort)
BERATER: (zu Frau M.) ?Wissen Sie, was er meint?" FRAU M.: ?Ich glaube."
BERATER: ?Fragen Sie ihn, ob das stimmt, was Sie vermuten!" FRAU M.: ?Weil ich nicht mit dir schlafe?" HERR M.: ?Mhm. "
(langes Schweigen)
BERATER: ?Was ist los mit dem Schlafen?"
Das Thema Geschlechtsverkehr spielt über viele Gespräche hin eine große Rolle. Herr M. leidet sehr darunter, daß sie so selten (ungefähr drei Mal pro Monat) miteinander schlafen. Austausch von Zärtlichkeiten und Streicheln findet zwischen beiden fast überhaupt nicht statt.
Auf die Arbeit an den sexuellen Beziehungen zwischen beiden komme ich später noch zu sprechen.
Bei einem Teil der Gespräche arbeite ich in Gegenwart von Herrn M. sehr intensiv mit seiner Frau allein. Für ihn ist es erleichternd, auf diese Weise zu erleben, welche Probleme seine Frau hat und wie diese sich auf die Beziehung auswirken. Diese Entlastung ermöglicht es ihm, auch seine eigenen Schwierigkeiten zu sehen und als Folge davon selbst Veränderungen anzustreben.
FRAU M.: ?Ich hab' jetzt gemerkt, eigentlich möchte ich schon mit ihm schlafen."
BERATER: ?Eigentlich?"
FRAU M.: ,,...Er soll das nicht merken."
BERATER: ?Stellen Sie sich mal vor, Ihr Mann wüßte ganz genau, wie sehr Sie ihn lieb haben... können Sie sich das vorstellen?" (sie nickt) ?Was befürchten Sie?"
FRAU M.: ?Ach, das sind wieder diese Hintergedanken: daß ihm nichts mehr an mir liegt, eben wie die Männer so sind. "
Wir hatten schon mehrfach über ihre ?automatischen Hintergedanken" gesprochen. Zumindest teilweise ist ihr deutlich, daß sie nicht der Realität entsprechen und daß sie sich auf diese Weise daran hindert, ihrem Mann so viel Liebe zu zeigen, wie sie manchmal gern möchte.
BERATER: ?Sie wissen, daß Ihr Mann nicht so ist?"
FRAU M.: ?Ja, ich weiß es, und trotzdem denke ich immer, es ist anders. "
BERATER: ?Sagen Sie sich mal den Satz: Mein Mann hat mich sehr lieb und ich kann mich darauf verlassen', und achten Sie gleichzeitig darauf, was Ihr Hintergedanke sagt. "
FRAU M.: ?Mein Mann hat mich sehr lieb und ich kann mich drauf verlassen. Der Hintergedanke sagt: Das stimmt nicht, fall da nicht drauf rein."
BERATER: ?Wer könnte das zu Ihnen gesagt haben: Fall da nicht drauf rein'?"
FRAU M.: ?Meine Mutter früher, aber das sagt sie heute nicht mehr." BERATER: (holt leeren Stuhl) ?Auf diesem Stuhl, das ist jetzt Ihre Mutter. Können Sie sich mal da hinsetzen und all das sagen, was Ihre Mutter gesagt hat? Die Männer sind alle Schweine?... " FRAU M.: ?ja, die Männer sind alle Schweine, die wollen nur mit dir ins Bett, und hinterher behandeln sie dich wie Dreck. Die sind alle so
wie dein Vater." (Der erste Vater war Alkoholiker und hat seine Frau vor den Augen der Kinder misshandelt.) ?Paß bloß auf, daß ich dich nie mit einem erwische. Wenn du dir'n Kind andrehen läßt, bring ich dich um."
BERATER: (zeigt auf den anderen Stuhl... sie wechselt den Platz) ?So, und jetzt antworten Sie Ihrer Mutter mal!"
FRAU M.: (sieht mich erstaunt an) ?Ich hab da nie was dazu gesagt." BERATER: ?Dann tun Sie es jetzt." FRAU M.: ?Ich weiß nicht."
BERATER: ?Mutti, du hast ganz recht, alle Männer sind genauso, wie du es gesagt hast."
FRAU M.: ?Nein." BERATER: ?Lauter!" FRAU M.: ?Nein."
BERATER: ?Hat sie das gehört?" FRAU M.: ?Ich weiß nicht." BERATER: ?Antworten Sie ihr!"
FRAU M.: ?Das stimmt nicht, was du sagst. Wolfgang ist wohl anders. Sogar, wenn ich nicht mit ihm schlafe, ist er nett. Und es wird auch nicht immer schlimmer mit ihm. " (zum Berater) ?Aber wenn er was getrunken hat, dann denke ich, daß sie recht hat. Wenn ich ihr das erzähle, sagt sie auch immer: Paß auf, so fing das bei Vater auch an.- BERATER: ?Ich habe den Eindruck, Sie möchten, daß Ihre Mutter
recht hat?"
FRAU M.: ?Wieso?"
BERATER: ?Sie tun alles, damit er aufhört, nett zu sein. Sie meckern dauernd an ihm rum, Sie schlafen nicht mit ihm." FRAU M.: ?So hab' ich das noch gar nicht gesehen. Ich möchte doch, daß er nicht so ist."
BERATER: ?Auf die Probe gestellt haben Sie ihn lange genug. Wissen müßten Sie jetzt schon, daß Ihr Mann kein Schwein ist. Sie können ihn natürlich auch so lange schlecht behandeln, bis er seinen Hut nimmt und geht. "
FRAU M.: ?Ich kann es einfach nicht glauben."
BERATER: ?Wenn Sie wollen, können Sie es schon glauben. FRAU M.: ?Mhm. "
BERATER: ?Ich stelle mir vor, daß Sie auch was davon haben, wenn Sie Ihrem Mann so viel Schlechtigkeit zuschreiben." FRAU M.: (energisch) ?Nein."
BERATER: ?Ich glaube, Ihr Mann wird auf diese Weise immer braver. Er spielt das Spiel mit und beweist Ihnen immer mehr, wie lieb er Sie
hat. Und Sie glauben's ihm nicht. - Ich kann mir nicht vorstellen, daß er das länger als noch ein Jahr aushalten kann. "
FRAU M.: ?ja, und dann trinkt er, und dann ist alles kaputt." (Pause) BERATER: ?Und was wollen Sie?"
FRAU M.: ?Ich möchte damit aufhören."
BERATER: ?Womit?"
FRAU M.: ?Ich möchte ja lieb zu ihm sein."
BERATER: ?Aber?"
FRAU M.: ?Dann kommt wieder der Hintergedanke."
aus "Gestaltberatung" von Dorothea Rahm
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