Selbsterlösung, Umerziehungsprogramme, Opferidentität
... die Hämmer kommen weiter unten. Ich weiß, daß der Text lang ist.
Ohne Absätze ist der Text aber unlesbar!
In der Studentenrevolte sucht die Generation der Töchter und Söhne jetzt nach einem radikal anderen Weg. Ich würde ihn als Weg der Selbsterlösung bezeichnen. Und nun schlägt die Stunde der Ideologen. Sie wollen nicht die Gesellschaft modernisieren, wie die rebellierenden französischen Studenten in Paris. Sie treten als Retter auf. Sie nehmen sich der deutschen Gesellschaft an wie Ärzte, die sich von einer völlig anderen Lebensweise Genesung für ihren Patienten versprechen.
Sie wollen den neuen Menschen, die neue Gesellschaft und den neuen Staat. Sie verfolgen ein psychologisches Umerziehungsprogramm und verknüpfen es mit der Verheißung, dass die moralischen Folgeschäden der Hitlerzeit ein für alle Mal behebbar seien. […] Aus der Heilsbotschaft eines Rudi Dutschke, der mit enormem Sendungsbewusstein von der historischen Chance spricht, die ganze Welt von Krieg und Ungerechtigkeit zu befreien, spricht der tief empfundene Erlösungswunsch, von dem die ganze Generation durchdrungen ist. Damals war das nicht so leicht zu durchschauen, weil wir diesen Erlösungswunsch alle mehr oder weniger geteilt haben. Heute sehen wir das.
Und heute lässt sich auch nachvollziehen, wie konsequent sich diese deutsche Kulturrevolution auf ihr eigentliches Ziel zubewegt hat: die Befreiung von der Schuld der Väter. Es beginnt damit, dass sich die Achtundsechziger selbst zu Opfern einer fortdauernden totalitären Unterdrückung erklären. Sie wechseln also die Seiten und damit die Identität. Nicht mehr die Söhne und Töchter von Tätern, sondern deren Opfer wollen sie jetzt sein. Für Wohlstandskinder in einer demokratischen Wohlstandsgesellschaft bedeutet das, dass sie unentwegt das Erbe der Hitlerzeit beschwören und überall Nazis und Faschismus am Werk sehen und ihre Unterdrückung so weit übertreiben müssen, dass die neue Opferidentität trotz Wohlstand und demokratischer Freiheit plausibel wird.
Selbsterlösung, das hat ja religiöse Dimensionen. 
Umerziehungsprogramme, Kulturrevolution, das erinnert an sozialistische (Irr)wegen in Russland und China.
Opferidentität, der Pfeiler des Feminismus.
Ich lese gerade Klaus Rainer Röhl "Linke Lebenslügen", der den Feminismus (neben Drogenszene und Terrorismus) als dritte monströse Nachgeburt von 68 bezeichnet.
Der Text ist aber zu lang und zu unstrukturiert, um (ganz) gelesen zu werden. 
Noch eine interessante These:
Die deutsche Politik soll sich nicht mehr an nationalen Interessen, am Machbaren und Zweckmä8igen orientieren, wie in aller Welt üblich, sondern an dem, was moralisch wünschenswert ist, und das hei8t im Klartext: an einem kompromisslosen Pazifismus, an einer weitgehenden Solidarität mit allen, die für sich reklamieren können, Opfer zu sein, sowie an Vorstellungen von Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit, die dem Sozialismus abgewonnen sind. […] Aus Sicht der Ideologen hat der gute, der mit einem Gewissen ausgestattete Staat verschiedene Vorzüge. Er soll die Gewähr dafür bieten, dass sich die Deutschen künftig vorbildlich benehmen. Er soll aller Welt die Ernsthaftigkeit des deutschen Läuterungsprozesses vor Augen führen. Er soll aber auch dem Einzelnen erlauben, alle Verantwortung vertrauensvoll an diesen Staat abzutreten, damit er sich selbst ungeahnte Freiheiten nehmen kann. Genau das scheint mir gemeint zu sein, wenn die Achtundsechziger von Selbstverwirklichung sprechen.
Der Feminismus strebt die Selbstverwirklichung der Frauen ja auch dadurch an, indem der Staat via Grundgesetz verpflichtet wurde, die "Diskriminierung" der Frauen aktiv zu bekämpfen und dazu mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet wurde in die Familiensphäre einzugreifen (Kindesentzug durch Jugendamt, Kriminalisierung von Ehemännern durch "Vergewaltigung in der Ehe", Aufhebung der Unverletzlichkeit der Wohnung durch "Gewaltschutzgesetz", usw.) Verantwortung für die eigene Selbstverwirklichung verlangen die Feministinnen ja von den Frauen nicht. Breitflächig wird ja staatlich zu garantierende Frauenquote statt Leistung und Eingenverantwortung ersetzt.
Die Verantwortung dafür, dass die Gesellschaft nicht auf Abwege gerät, ist beim moralischen Staat ja bestens aufgehoben; folglich kann der Einzelne sich nun ungehemmt seinem Lebensglück widmen.
Wunderbar, die "Schöne neue Welt" ist schwer am kommen.
Deshalb brauchen wir auch jede Menge Gesetze: Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen, Raucherverbot, Erziehungsverbot (Zwang zu antiautoritärer Erziehung) etc.
Aber mit der Idee der Selbstverwirklichung verbinden sich große Hoffnungen. Als befreites Triebwesen, gewissermaßen in seinen natürlichen Urzustand zurückversetzt, soll der Mensch gegen alle Einflüsse der Zivilisation immun werden und die Lust an gesellschaftlichen Unterschieden und Hierarchien verlieren.
Die Kulturrevolution soll uns also zu einer vorkulturellen Gesellschaft zurückführen?!?? Der Genderismus fordert ja auch eine Abkehr von kulturellen Errungenshaften, da diese ja Männer, aber besonders Frauen "erst zu Frauen machen, die aber nicht als Frauen geboren wurden".
Alle Bücher, Lieder, Gemälde, Theaterstücke und andere Kulturgüter, die der Gender-Ideologie nicht entsprechen müssten als "entartete Kunst und Kultur" ausgemerzt werden. Viel bleibt dann nicht übrig.
Ob sich die Gender-Ideologen diese Konsequenz in einer ruhigen Minute mal zu Ende gedacht haben?!??
Frustrationsvermeidung ist das Zauberwort der antiautoritären Erziehung, und Frustrationen bleiben Kindern nur erspart, wenn ihnen die Begegnung mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit und die Bekanntschaft mit den Regeln des Zusammenlebens erspart bleiben.
Die Glückspille hat 68 uns ja mit den Drogen beschert. Und die antiautoritäre Erziehung erspart der Jugend "die Begegnung mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit und die Bekanntschaft mit den Regeln des Zusammenlebens". "Schöne neue Welt", ick hör dir trapsen!
Notker Wolf OSB, Dr.phil, geb. 1940 in Bad Grönenbach im Allgäu ist seit 2000 Abtprimas des Benediktinerordens und damit höchster Repräsentant von mehr als 800 Klöstern und Abteien auf der ganzen Welt.
Interessant, dass sich der Abtprimas mit den "Segnungen" der 68er so intensiv beschäftigt. Offen bleibt mir die Frage, ob er meint in seinen Klöstern und Abteien "auf der ganzen Welt" ein besseres Gesellschaftsmodell zu betreiben.
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gesamter Thread:
- Brillanter Text zu 1968 und den Folgen -
Max,
02.09.2009, 00:43
- Musik als Freiheitsersatz -
Mus Lim,
02.09.2009, 01:30
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Adam,
02.09.2009, 03:18
- Musik als Freiheitsersatz - Maxx, 02.09.2009, 03:35
- Musik als Freiheitsersatz -
Max,
02.09.2009, 09:03
- Selbsterlösung, Umerziehungsprogramme, Opferidentität -
Mus Lim,
02.09.2009, 12:31
- Alles halb so schlimm - Hemsut, 02.09.2009, 12:34
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Max,
03.09.2009, 13:50
- Kernaussagen - Mus Lim, 03.09.2009, 15:39
- Selbsterlösung, Umerziehungsprogramme, Opferidentität -
Mus Lim,
02.09.2009, 12:31
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Adam,
02.09.2009, 03:18
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Adam,
02.09.2009, 03:16
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Max,
02.09.2009, 09:01
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Adam,
02.09.2009, 22:13
- Danke!
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Max,
02.09.2009, 09:01
- Brillanter Text zu 1968 und den Folgen - Ugo, 02.09.2009, 12:46
- Empfehlung: liberal fascism - artie1, 02.09.2009, 13:01
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Mus Lim,
02.09.2009, 01:30