Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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"Feminismus und Ideologie". Alexander Ulfig hat das Wort:

OlivER @, Saturday, 15.08.2009, 11:48 (vor 5979 Tagen)

Alexander Ulfig: "Feminismus und Ideologie"
http://www.brainlogs.de/blogs/blog/geschlechtsverwirrung/2009-05-06/alexander-ulfig-feminismus-und-ideologie

Der Philosoph und Publizist Alexander Ulfig ist an mich herangetreten mit der Bitte, seinen Essay "Qualifikation statt Gleichstellung. Schritte zu einer gerechteren Praxis der Stellenvergabe" hier zu veröffentlichen. Die sechs Kapitel werden von heute an in einer täglichen kleinen Serie erscheinen. Ich hoffe auf angeregte und sachliche Diskussionen. Heute also der erste Teil "Feminismus und Ideologie". Alexander Ulfig hat das Wort:

1. Feminismus und Ideologie

Moderne Ideologien haben aus dem Scheitern älterer Ideologien, wie z.B. des Kommunismus und des Nationalismus, gelernt. Ihre Strategien und Vorgehensweisen sind sehr subtil und raffiniert geworden. Sie haben Mechanismen entwickelt, die es ihnen ermöglichen, ohne physische Repression ihre Ziele konsequent und ohne Widerrede durchzusetzen. Trotzdem haben moderne Ideologien wie der Feminismus mit älteren Ideologien noch vieles gemeinsam.
Zunächst ist hier die Dichotomisierung der Gesellschaft zu nennen. Im Nationalismus herrscht die Dichotomie zwischen den Angehörigen der eigenen Nation und den Angehörigen anderer Nationen (z.B. zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen), im Kommunismus die zwischen Proletariern und Bourgeois, im Rassismus die zwischen Weißen und Schwarzen. Im Feminismus ist die grundlegende Dichotomie die zwischen Frauen und Männern. Das Geschlecht avanciert somit zur wichtigsten sozialen Kategorie.
In jeder Ideologie wird des Weiteren eine gesellschaftliche Gruppe gegenüber der anderen als überlegen betrachtet: im deutschen Nationalismus die Deutschen gegenüber Nicht-Deutschen, im Kommunismus die Proletarier gegenüber Bourgeois, im Rassismus Weiße gegenüber Schwarzen, im Feminismus Frauen gegenüber Männern. Frauen werden als weniger aggressiv und gewalttätig, einfühlsamer, fürsorglicher, ferner flexibler und kommunikativer als Männer dargestellt. Sie sind Männern moralisch überlegen. Die alte Dichotomie von Gut (Frau) und Böse (Mann) kommt hier deutlich zum Ausdruck. Eine von Frauen bestimmte Welt wäre friedlicher und humaner. Gestützt werden solche Idealisierungen durch pseudowissenschaftliche Rhetorik.
Eine Folge dieses Überlegenheitswahns ist die Zentrierung der öffentlichen Aufmerksamkeit auf die überlegene Gruppe. Frauen, ihren Bedürfnissen, Wünschen, Interessen, Zielen usw., wird in allen Bereichen der Gesellschaft und des Lebens besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Oft hat man den Eindruck, als ob die Gesellschaft nur aus Frauen bestünde. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Mainstream-Medien. Sie sind zu einem Instrument der feministischen Ideologie und der mit ihr einhergehenden Politik geworden. Immer mehr Sendungen funktionieren nach dem Muster „von Frauen - über Frauen – für Frauen“. Dabei werden Frauen als Frauen von allem Schlechten, Negativen und Bösen freigesprochen.
Der Feminismus ist mit seinen Themen und Forderungen in alle Bereiche des Lebens, in Politik, Recht, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Sprache, Kunst usw., eingedrungen. Dies macht seinen totalitären Charakter aus. Man kann nicht über Philosophie, Wissenschaft, Kunst usw. sprechen, ohne dass dabei gefordert wird, auf die Anzahl oder die Rolle von Frauen zu achten. Mit anderen Worten: Es ist nicht mehr möglich, über Philosophie als solche, Wissenschaft als solche und Kunst als solche zu sprechen. In der Ausstellung Impressionistinnen, die von 22. Februar bis 1. Juni. 2008 in Frankfurt am Main stattfand, ging es nicht um die Merkmale und Qualitäten der dort ausgestellten Kunstwerke, sondern alleine darum, dass sie von Frauen erschaffen wurden.
Der Anspruch des Feminismus zielt auf die Gestaltung des ganzen Lebens, d.h. nicht nur des öffentlichen, sondern auch des privaten. Der Feminismus hat einen starken Einfluss auf private Beziehungen zwischen Männern und Frauen und sogar auf die frühesten Interaktionen zwischen Jungen und Mädchen. Er mischt sich in die intimsten sexuellen und emotionalen Angelegenheiten von Männern und Frauen ein (sexual politics). Somit verändert er grundlegend ihr Selbstverständnis, ihre Identität.
Mit den meisten Ideologien ist ein Heilversprechen verbunden. Der Feminismus verspricht seinen Anhängerinnen die Befreiung von traditionellen Geschlechterrollen, von dem Unterdrücker Mann bzw. von dem Unterdrückungsmechanismus des Patriarchats, eigentlich die Befreiung von allem, was Frauen behindert. Zu dem Heilversprechen gehört die Schaffung von unbegrenzten Entfaltungs- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten für Frauen sowie einer besseren femininen Welt („die Zukunft gehört den Frauen“, „Planet der Frauen“). Menschen haben sich immer schon von Heilversprechen magisch angezogen gefühlt. Sie projizieren in sie ihre intimsten Wünsche und Hoffnungen.
Charakteristisch für den Diskurs der Ideologien und somit auch für den Diskurs des Feminismus sind unzulässige Verallgemeinerungen, die jeglicher empirischer Evidenz widersprechen. Feministische Ideologinnen sprechen von den Männern oder dem Mann als Gattungsbegriff. Sie sagen z.B. nicht: „Einige Männer sind gewalttätig“, was der Wahrheit entspräche, denn diese Aussage hätte nicht die erhoffte ideologische Wirkung. Man könnte mit ihr keine Politik machen. Statt dessen sagen sie: „Männer sind gewalttätig“, was impliziert, dass alle Männer im Prinzip, oder in ihrem Wesen oder von Natur aus gewalttätig sind.
Um politische Ziele zu erreichen, werden Frauen und Männer zu bestimmten Rollen stilisiert. Frauen sind Opfer, Männer sind Täter. Auch hier wird eine unzulässige Generalisierung vorgenommen: Alle Frauen sind als Frauen Opfer, Männer als Männer Täter. Dass es auch männliche Opfer gibt, dass eigentlich alle Menschen Produkte und somit auch Opfer der Sozialisation und der gesellschaftlichen Entwicklung sind, bleibt mit Absicht unerwähnt. Nur Frauen sind Opfer der Gesellschaft, nur sie sollen dafür Kompensationen erhalten. Anders formuliert: Die Stilisierung von Frauen als ewige Opfer hat die Funktion, politische Forderungen zu stellen. Die Opfer müssen eine Wiedergutmachung erfahren, und zwar u. a. durch die Vergabe von relevanten, interessanten und gut bezahlten Stellen. Mit dieser Strategie wird seit vier Jahrzehnten Politik gemacht, und zwar die erfolgreichste Politik der neueren Geschichte. Auch die oben erwähnten Bemühungen, Frauen als überlegen zu zeigen, und die permanente mediale Diskreditierung von Männern dienen dieser Strategie.
Ideologien sind mehr als rein intellektuelle Systeme. Sie trachten danach, ihre Ideen in die politische Praxis umzusetzen. Ihr Ziel ist es, politische Macht, genauer: Kontrolle über politische Ressourcen, z.B. staatliche Institutionen und politische Entscheidungen, zu erlangen. Ideologien streben danach, Institutionen zu etablieren, die ihren Machtbereich erweitern und sichern.

Prädikat: lesenswert!

O.


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