Moin Narro,
Tach och Hemsut,
wie du weißt, lebe auch ich in einer Patchworkfamilie.
Stimmt. Aber ich weiß auch, dass diese Art zu leben bei Dir gewissen Zwängen folgt, nicht aber irgendeinem Larifari. Und vor allem weißt Du, wie auch ich, daß jede Trennung der Eltern für Kinder einer Katastrophe gleich kommt.
Das Problem wird in dem Artikel recht gut beschrieben:
es sind die Brüche, die auch nach der Trennung die Kinder weiter belasten.
Nein, es sind nicht nur Brüche, die die Kinder belasten. Zahllose, scheinbare Kleinigkeiten - der Urlaub, der nicht mehr mit Mama und Papa gemeinsamstatt findet, gemeinsame Mahlzeiten, die nicht mehr gemeinsam
zelebriert werden usw., usf...- belasten das kindliche Urvertrauen, ob wir es wollen oder nicht.
Ich habe erlebt, wie rühernd Dein Partner (Scheiß- Wort, habe aber im mom kein anderes) sich um deine Kinder kümmert, ein Idealzustand ist es aber vermutlich dennoch nicht. Vielleicht eher eine Tragik, dass er nicht der "richtige " Papi ist, der von Anbeginn da war. Und ich sage ganz offen: bis heute verfluche ich den Tag , an dem ich geschieden wurde. Nicht, weil ich meiner Ex-Gattin eine Träne nachweinte, aber ich weiß, was mein Sohn ganz im Stillen mit sich ausmachen mußte. Bis heute grüble ich darüber, ob die Scheidung recht war...
Wenn Papa alle vier Wochen eine neue
Freundin hat und Mama ihren Lover als "neuen Papa" vorstellt, kann das
nicht funktionieren. Kinder haben sehr feine Antennen, die von den
Erwachsenen oft genug ignoriert werden. Nicht umsonst heißt es immer, man
solle eine gewisse Zeit warten, bis man den Next oder die Next den Kindern
vorstellt.
ebben
Eine Trennung der Eltern muß nicht zwangsläufig dazu führen, daß die
Partnerschaft zum Next ebenfalls nur ein Mindesthaltbarkeitsdatum hat.
Nein , natürlich nicht.
Auf
jeden Fall wäre das wünschenswert für die Kinder, die dadurch lernen, daß
es zwar zu Trennungen kommen kann, das jedoch nicht zwingend bei allen
Beziehungen so sein muß.
Schau, ich fände es viel besser, wenn Kinder sich darauf verlassen könnten, dass Eltern, also Mutter und Vater zusammen eine Einheit bilden, die auch Widrigkeiten des Lebens gemeinsam meistern, ich fände es großartig, wenn Kinder lernten, dass, wenn in Ausnahmefällen Ehen scheitern, alle Beteidigten alles in ihrer Macht stehende tun, um die Folgen für die Kinder so schmerzarm zu halten wie irgend möglich. Und die ihren Kindern die Gewissheit vermitteln, sie seien eben nicht beliebige Objekte, die sich elterlicher Launen beugen müssen.
Derzeit läuft die Karre jedoch in die andere Richtung: Kinder lernen, wie schnell Eltern sich trennen und dabei die Bedürfnisse der Kinder hinten anstellen.
Problematischer als eine Patchworkfamilie, in der jeder sein Platz hat,
sehe ich das Tun einiger Exen, den Kindern ihren Neuen als Papa zu
verkaufen. Damit das funktioniert, muß der "alte Papa" natürlich eliminiert
werden, d.h. Umgangsvereitelung, Ausgrenzung usw. Eine "heile Welt" muß her
- zumindest nach außen.
Das hängt von der Art der Patchworkfamilie ab- meine ich. Soweit sie auf 4 " Elternteile" beschränkt bleibt, mag manches angehen, jeder seinen Platz finden. Aber mir scheint, diese Art der Scheidungsfamilien, bilden eine Ausnahme, so, wie verantwortungsvolles Trennen wohl nicht die Regel ist. Die Erwachsenen, nehmen ihre Selbstverwirklichung - meine Beobachtung nach - viel zu wichtig. Ein kontinuierlich wachsender Flickenteppich, zusammengestückelt aus diversen beschädigten Familienresten - neinn, ich glaube nicht an die oftmals behauptete Wohltat solcher Konstellationen.
Bei uns ist der Papa der Papa und der Max der Max (nur nicht für den
sprachlosen Knappen wie du weißt - da ist alles "baba").
Was die Freundinnen meines Ex angehen, interessiert mich das ungefähr so
sehr wie der sprichwörtliche Sack Reis in China - auch wenn das meinem Ex
wiederum nicht paßt.
Alles in allem kann Patchwork funktionieren, wenn
wirklich alle an einem Strang ziehen. Zumindest sind wir näher dran an
einer "Familie" als viele meiner Bekannten, deren Ehemänner im Irak oder
Afghanistan sind und deren Kinder sich an die restlichen verfügbaren Papas
der Klassenkameraden hängen, weil das männliche Rollenvorbild zuhause
komplett fehlt. Wobei dasselbe für jeden AE-Haushalt auch gilt...
Nein, das ist durchaus nicht vergleichbar. Die einen sind schicksalshaft außer Landes,womöglich in wichtigem Auftrage für die Gemeinschaft,- das kann Kinder stolz machen. Bei den anderen muss die Abwesenheit des Vaters oder der Mutter oft genug als ungerecht gelten, weil im Kinderauge willkürlich herbeigeführt.
Natürlich weiß ich auch, dass Familien, also auch Kinder schon immer unter Belastungen, wie Krieg oder arbeitsbedingte Abwesenheiten litten. Aber es zählt wohl zu den modernen Märchen, dass temporär abwesende Väter, von Kindern viel viel negativer gesehen werden würden, als irgendein liebenswürdiger Ersatz. Würdest Du Deinen Freundinnen wegen des Engagements der Väter im Ausland Trennung empfehlen? Weil bei Euch die Patchwork - Familie besser funktioniert, als die Ursprungsfamilie? Nö Hemsut, das glaube ich nicht.Ja, Ich weiß, wie sehr ihr Euch müht, erfolgreich müht eine "normale" Familien zu leben, aber bei allem Respekt: Du weißt selbst, dass das den Kindern nicht so ohne weiters leicht fällt. Doch das Leben ist manchmal, wie es ist. Soweit, so gut und schlecht.
Was mich an solchen Artikeln, wie dem in Rede stehenden, stört, ist die Suggestion, die von ihnen ausgeht; ganz unabhängig von seinem Wahrheitsgehalt. Die Pressefuzzis besitzen zahlreiche, sehr subtile Mittel mit Wahrheiten zu lügen. Geschickte Fragen finden die erwünschten Antworten. Der Rest ist Wichtung des Redakteurs.Ich erinnere mich noch gut, wieviele Artikel schon behaupteten, Patchwork - Familien seien besonders erstrebenswert, ließe Kinder mehr Sozialkompetenz erleben, nicht vereinzeln usw. Traditionelle Familien seien eher ein entwicklungshindernis.In Wahrheit rechtfertigten sich die schreiberInnen für ihren eigenen hedionistischen Lebensstil.
Kein Wunder, dass in Metropolen wie Berlin mehr als 50 % der Ehen geschieden werden, das Klima der Sorglosigkeit wirkt da als Treibhaus, die Überzeugung, ein bisschen Patchwork sei nicht weiter schlimm...
So wie dieser Artikel gestrickt ist, läuft er in ähnliche Richtung: Trennung und Scheidung nicht als ultima ratio behandeln, sondern als das Normalste auf der Welt. Von ein paar Problemchen in Jugendjahren abgesehen - kein Problem. Die Verniedlichung des Elends, welches unausweichlich mit dem Problem Trennung einhergeht - das ist es, was ich zu kritisieren habe. Nicht mehr und nicht weniger.
Herzlicher Gruß - Hemsut
Herzlichst zurück
Narro
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Extemplo simul pares esse coeperint, superiores erunt-
Den Augenblick, sowie sie anfangen, euch gleich zu sein, werden sie eure Herren sein.