Positive Diskriminierung: Differenzierungsverbot vs. Egalisierungsgebot
Die Bundesverfassung der Schweiz enthält im Art. 8 Abs. 3 zwei Sätze, die sich gegenseitig widersprechen. So besagt Art. 8 Abs. 3 Satz 1: „Mann und Frau sind gleichberechtigt“ (Differenzierungsverbot); der nachfolgende Art. 8 Abs. 3 Satz 2 hingegen: „Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit“ (Egalisierungsgebot). Mit dem Satz 1 wird also verfassungsmässig die Gleichberechtigung garantiert, mit dem Satz 2 hingegen die Gleichstellung. Das Dumme daran ist nur, dass Gleichstellung und Gleichberechtigung in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen, bzw. sie schliessen sich gegenseitig sogar aus. Dieser Sachverhalt wird bspw. an den Quotenregelungen ersichtlich: Zum Erlangen einer „tatsächlichen Gleichstellung“ wird eine Frauenquote aufgestellt, was damit einhergehend aber zu einer Diskriminierung von Männern führt. Denn die Höhergewichtung von Satz 2 (Gleichstellung) macht den (ebenfalls verfassungsmässig garantierten!) Satz 1 (Gleichberechtigung) obsolet. Eine positive Diskriminierung findet folglich immer dann statt, wenn der Satz 2 über den Satz 1 gestellt wird: Die "positiven" Auswirkungen, die mit der Anwendung des Satzes 2 verbunden sind, werden höher gewichtet als die negativen, die mit der Verletzung des Satzes 1 einhergehen.
Das Kriterium für eine solche Gewichtung liegt für das Bundesverfassungsgericht bei der Verhältnismäßigkeit. Satz 2 darf also solange auf Kosten von Satz 1 angewendet werden, wie es noch verhältnismäßig ist. Nun ist aber die „Verhältnismässigkeit“ ein höchst relativer Begriff, der völlig willkürlich im Kontext des jeweiligen Zeitgeistes ausgelegt wird. Im feministischen Zeitgeist geht es dann natürlich um die Verhältnismäßigkeit der Männerdiskriminierung. Die Frage lautet dann: Wann ist es noch verhältnismässig, einen Mann zu diskriminieren, um dadurch eine Gleichstellung der Frau zu garantieren? Feministen werden darauf natürlich antworten: Es ist immer verhältnismässig.
Aufgrund von Bundesgerichtsurteilen (basierend auf der Rechtssprechung zur „Solothurner Quoteninitiative“ (BGE 123 I 152), „Urner Quoteninitiative“ (BGE 125 I 21) und „Ausschreibung einer Assistenzprofessur nur für Frauen“ (BGE 131 II 361)) und dem „Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann“ (GlG) lässt sich die aktuelle Lage zur (erlaubten positiven) Diskriminierung von Männern folgendermassen zusammenfassen: „Staatliche positive Massnahmen, welche tatsächliche Nachteile oder historische Diskriminierungen der Frauen ausgleichen und ihre Teilhabe an Ressourcen und politischer Macht fördern wollen, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes gestützt auf Art. 8 Abs. 3 Satz 2 (Egalisierungsgebot) grundsätzlich zulässig. Aber sie berühren den verfassungsrechtlich geschützten Anspruch der Männer auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung aufgrund des Geschlechtes. Massnahmen zur Förderung von Frauen sind zulässig, soweit sie nicht unzulässigerweise in die verfassungsmässigen Rechte der betroffenen Männer eingreifen. Das heisst, sie sind zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, geeignet und erforderlich sind, um das gesetzte Ziel zu erreichen, und für die betroffenen Männer zumutbar sind (BGE 131 II 361 E.52, 125 I 21 E.3e/cc; vgl. dazu auch unten, Text zu Quoten N. 137 ff.). Für den Bereich des Erwerbslebens bestimmt Art. 3 Abs. 3 GlG hingegen ausdrücklich, dass „angemessene Massnahmen“ zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung nicht als Diskriminierung (der betroffenen Männer) betrachtet werden. Allerdings gilt dies nicht als genügende gesetzliche Grundlage für öffentliche Massnahmen zugunsten der benachteiligten Frauen.“ (zitiert aus: Dritter Bericht der Schweiz über die Umsetzung des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), S. 25, Quelle).
D.h. konkret: Im „Bereich des Erwerbslebens“ stellt der Gesetzesartikel Art. 3 Abs. 3 GlG klar, dass Männerdiskriminierung zulässig ist, dabei aber nicht als Diskriminierung bezeichnet werden darf. Männerdiskriminierung stellt also keine Diskriminierung dar (sie ist ja positiv). Somit ist hier der Widerspruch zwischen Satz 2 (Gleichstellung) und Satz 1 (Gleichberechtigung) aufgelöst worden, da Männerdiskriminierung gar nicht mehr durch den Satz 1 (Gleichberechtigung) geschützt wird. Dies ist ein absolut katastrophaler Befund, da hier Gesetzesartikel Verfassungsartikel aushebeln, womit zugleich das oberste Prinzip des Rechtsstaates eliminiert wird: Kein Gesetzesartikel darf gegen die Verfassung verstossen (die Verfassung stellt das höchste Rechtsgut dar)!
In anderen Bereichen sind Diskriminierungen von Männern dann zulässig, wenn sie „für die betroffenen Männer zumutbar sind“. Die Verhältnismässigkeit beurteilt sich daher aus der Zumutbarkeit für Männer bei deren Diskriminierungen. Oder anders – in einem rassistischen Kontext – ausgedrückt: Die Diskriminierung von Juden ist dann zulässig, wenn sie für die betroffenen Juden zumutbar ist. Was für die Männer zumutbar ist, bestimmt natürlich der feministische Zeitgeist (für die Juden war dies der nationalsozialistische Zeitgeist) – also eine völlig willkürlich festgelegte Variable (legitimiert in der Instanz des Bundesverfassungsgerichtes). Bei den Quotenregelungen (natürlich zugunsten der Frauen) zeigt sich dies dann bspw. gemäss BGE 131 II 361 folgendermassen: Strikte Quotenregelungen sind nicht zulässig, flexible hingegen schon, da diese verhältnismässig sind. Bezogen auf die Vergabe einer Assistenzprofessur ist damit gemeint: Die Stellenausschreibung darf in diesem Fall nicht nur an Frauen gerichtet sein (strikte Quotenregelung), ebenfalls auch Männer müssen sich bewerben können. Letztlich sagt das aber nur aus, dass auch Bewerbungen von Männern beurteilt werden müssen. Auf der nächsten Stufe ist dann aber eine Männerdiskriminierung ohne Weiteres möglich, da ja die Frauen in den Professuren unterrepräsentiert sind und daher mit der Diskriminierung der Männer das positive Ziel der Gleichstellung erreicht werden kann. Und genau so läuft es gegenwärtig bei den Berufungsverfahren an den Universitäten ab (beginnend mit dem Satz: Bewerbungen von Frauen sind ausdrücklich erwünscht).
Also: Entweder gibt es Gleichberechtigung oder Gleichstellung. Wer den Feminismus bekämpfen will, muss auch das Egalisierungsgebot (Satz 2) bekämpfen.
Gruss, Amplus