Verschwörungstheorie: Sind Eliten gut oder böse?

Mus Lim, Wednesday, 08.07.2009, 22:27 (vor 6015 Tagen) @ der Letzte der rauskam

Die Wahrheit ist schon lange zu finden. Man muß es natürlich wollen
und es nicht zu einer "Verschwörungstheorie" umdefinieren.

Ich tue mich schwer mit diesen Dingen und bin vorsichtig.
Ich bin immer tief beeindruckt, wenn Menschen aufstehen und uns die Welt ganz einfach erklären können. Dann hat man die kleine verstehbare Welt, in der Gut und Böse eindeutig zuordbar sind und man freut sich daran. Der kleine ohnmächtige Mensch hat immer eine gewisse Freude daran, wenn er auf die Großen und Mächtigen, die Eliten zeigen kann und sie für alles Übel der Welt verantwortlich machen kann. Dann fühlt er sich gleich viel besser und er fühlt sich weniger ohnmächtig. Dieses Gefühl und Bedürfnis muss befriedigt werden und es wird bedient.

Ich habe da so ein Déjà Vu-Erlebnis:
Vor meiner Konversion zum Islam war ich in der christlichen Szene unterwegs und da haben Prediger gerne den eschatologischen Entwurf an die Wand gemalt, Jesus würde die kleinen unterdrückten Menschen beistehen und in das Paradies geleiten und die großen machtvollen Menschen würden in der Hölle für ihre ungerechten Taten büßen müssen.

Ich finde, die Bilder ähneln sich und sprechen die gleichen Bedürfnisse an.
Zwei Gedanken möchte ich in diesem Zusammenhang anbringen.

1.
Die Bilderberg-Treffen sind für sich genommen gar kein Skandal. Die Reichen und Mächtigen haben sich immer unter ihresgleichen getroffen, das war nie anders. Ob sie das früher auf ihren adligen Herrensitzen und Palästen getan haben oder heute in Congress-Zentren bzw. Hotels macht keinen qualitätiven Unterschied.
Skandalös ist vielmehr, dass man dem gemeinen Volk vorgaukelt, "alle Gewalt ginge vom Volk aus", nur weil man der Herrschaft das Etikett "demokratisch" angeheftet hat und die Herrschenden beschlossen haben um die Macht nicht mehr mit Säbel und Kanonen auszufechten sondern es mit Wahlkampf und Medienbeeinflussung tun.

Diese kritischen Bilderberg-Berichterstatter tun so, als wenn da Eliten heimlich die Demokratie wieder abschaffen wollten. Das ist natürlich falsch in dem Sinne, dass die Eliten nie die Macht verloren hatten und es die Demokratie, wie sie gemeinhin immer dargestellt wird als "Wir sind das Volk"-Illusion, nie gegeben hat. Politik läuft seit sehr langer Zeit nach dem Motto "Panem et circensis" (Brot und Spiele). Zum Brot gehören Hartz4 und soziale Mindestsicherungen und die Spiele sind heute Unterhaltung in Fernsehen und im Parlament durch die Politkasper.

Über naive Sätze wie "Wir sind das Volk!" oder "Mehr Demokratie wagen." haben die Eliten sehr wahrscheinlich immer nur nachsichtig gelächelt. Denn auch Kanzler Brandt dürfte bewusst gewesen sein, dass Deutschland kein souveränes Land ist und das Volk über die wahren Verhältnisse hinters Licht geführt wird.

2.
Bei aller Eliten-Schelte muss man immer bedenken, dass die Nicht-Elite, d.h. die Masse, nicht per se gut ist.
Wozu der Einzeln in der Masse in der Lage ist, weiß man, wenn man sich S. Freuds "Massenspychologie und Ich-Analyse" in Erinnerung ruft.
Der Ansatz, die Herrschenden und Eliten seien böse und der beherrschte Bürger gut, führt zu keinem sinnvollen Ergebnis.

3.
Natürlich ist es legitim zu fordern, dass Herrschaft transparent werden soll. Man muss aber ehrlicherweise davon ausgehen, dass Herrschaft nie transparent war. Wenn wir das wirklich wollen, haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Herrschaftswissen ist ja gerade dadurch Herrschaftswissen, weil das Wissen nicht frei zugänglich ist, sonst wäre es kein Herrschaftswissen.

Was mir irgendwie nicht passt ist der Pessimismus dieser Panikmacher. Wir sind nicht etwa auf dem Weg von der Freiheit zum Totalitarismus.
Richtig ist: Wir sind bei der Freiheit noch gar nicht richtig angekommen, wir haben höchstens einige Zipfel der Freiheit schon zu fassen bekommen und wir sind noch auf dem weiten langen Weg zur Freiheit unterwegs.

Ich sehe es optimistischer: Wir haben mit der Überwindung des Nationalsozialismus eine wichtige Wende geschafft, das stimmt mit positiv. DIE USA haben die Sklaverei abgeschafft und über Martin Luther Kind, Malcom X. Muhammad Ali, Michael Jackson und Barak Obama einen beachtlichen Weg hinter sich gebracht. Südafrika hat die Apartheit überwunden.
Außerdem haben wir mit dem Internet ein nicht zu unterschätzendes Werkzeug in die Hand bekommen.

Aber:
Ich kenne viele Menschen und von den meisten möchte ich nicht regiert werden.
Letztlich habe ich zu Eliten mehr Vertrauen als zu den Stammtischen.

Aber auch:
Macht korrumpiert. Absolute Macht korrumpiert absolut.
Deshalb sollen Eliten auch nicht ohne Kontrolle bleiben.