OT: Verfassungsgericht billigt Lissabon-Vertrag nur unter Auflagen
Eilmeldung:
Verfassungsgericht billigt Lissabon-Vertrag nur unter Auflagen
Ganz Europa schaut auf dieses Urteil: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der EU-Vertrag von Lissabon grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Allerdings muss sich der Bundestag künftig stärker an EU-Entscheidungen beteiligen, die Ratifizierung ist erst einmal gestoppt.
Gruß - Hemsut
So, und nun mal zur Sache...
Die Entscheidung sieht auf den zweiten Blick gar nicht so schlecht aus. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar leise, aber bestimmt darauf hingewiesen, was es als Vorbehaltsbestand ansieht, d.h. in welcher Materien Kernbestände zumindest nicht ohne Zustimmung des Mitgliedsstaates eingegriffen werden darf. Dies betrifft auch die Familien- und Bildungspolitik:
... "Die europäische Vereinigung auf der Grundlage einer Vertragsunion souveräner Staaten darf allerdings nicht so verwirklicht werden, dass in den Mitgliedstaaten kein ausreichender Raum zur politischen Gestaltung der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebensverhältnisse mehr bleibt. Dies gilt insbesondere für Sachbereiche, die die Lebensumstände der Bürger, vor allem ihren von den Grundrechten geschützten privaten Raum der Eigenverantwortung und der persönlichen und sozialen Sicherheit prägen, sowie für solche politische Entscheidungen, die in besonderer Weise auf kulturelle, historische und sprachliche Vorverständnisse angewiesen sind, und die sich im parteipolitisch und parlamentarisch organisierten Raum einer politischen Öffentlichkeit diskursiv entfalten. Zu wesentlichen Bereichen demokratischer Gestaltung gehören unter anderem die Staatsbürgerschaft, das zivile und militärische Gewaltmonopol, Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Kreditaufnahme sowie die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Eingriffstatbestände, vor allem bei intensiven Grundrechtseingriffen wie dem Freiheitsentzug in der Strafrechtspflege oder bei Unterbringungsmaßnahmen. Zu diesen bedeutsamen Sachbereichen gehören auch kulturelle Fragen wie die Verfügung über die Sprache, die Gestaltung der Familien- und Bildungsverhältnisse, die Ordnung der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit oder der Umgang mit dem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis."
... "Demokratische Selbstbestimmung ist schließlich auf die Möglichkeit, sich im eigenen Kulturraum verwirklichen zu können, besonders angewiesen bei Entscheidungen, wie sie insbesondere im Schul- und Bildungssystem, im Familienrecht, bei der Sprache, in Teilbereichen der Medienordnung und zum Status von Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften getroffen werden. Die bereits wahrnehmbaren Aktivitäten der Europäischen Union auf diesen Gebieten greifen auf einer Ebene in die Gesellschaft ein, die in der primären Verantwortung der Mitgliedstaaten und ihrer Gliederungen steht. Die Gestaltung von Lehrplänen und Bildungsinhalten sowie etwa die Struktur eines gegliederten Schulsystems sind politische Grundentscheidungen, die einen starken Bezug zu den kulturellen Wurzeln und Wertvorstellungen eines jeden Staates haben. Die Gestaltung von Schule und Bildung berührt, wie das Recht der familiären Beziehungen und Entscheidungen über Fragen der Sprache und der Einbeziehung des Transzendenten in das öffentliche Leben, in besonderem Maße gewachsene Überzeugungen und Wertvorstellungen, die in spezifischen historischen Traditionen und Erfahrungen verwurzelt sind. Demokratische Selbstbestimmung erfordert hier, dass die jeweilige durch solche Traditionen und Überzeugungen verbundene politische Gemeinschaft das Subjekt demokratischer Legitimation bleibt."
Die vollständige Entscheidung gibt es hier.