Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Frauenministerium: Umfrage - 91% begrüßen Internetsperren

Zottel, Wednesday, 24.06.2009, 05:33 (vor 6030 Tagen)

Die Befragung wurde "mündlich-persönlich" durchgeführt. Das lässt viel Spielraum für bewusste oder unbewusste suggestive Beeinflussung der Befragten durch die Interviewer.

Merkwürdigerweise kommt dieselbe Befragung auch zu dem Ergebnis, dass 62% der Bevölkerung nicht glauben, dass die Sperren ernsthaft "die Nutzung von Kinderpornographie im Internet eindämmen kann". Davon wird in der Pressemeldung natürlich nichts erwähnt.

Auch wird in den gestellten Fragen praktisch nicht auf die Befürchtungen bzgl. eines Missbrauchs der Internetsperren eingegangen. Das Wort "Zensur" taucht in der ganzen Untersuchung nicht auf. Dies ist deshalb erstaunlich, da es sich dabei eigentlich um einen Leitbegriff handelt, der die gesamte Debatte von Anbeginn geprägt hat.
Die folgende Frage ist daher irreführend, da sie sich offensichtlich auf den von der Regierung vorgegebenen Zweck der Sperren bezieht, nicht aber auf deren potentiellen Missbrauch.

"Finden Sie, dass die Menschen durch diese Stoppschilder im Internet in ihrem Recht auf Informationsfreiheit zu sehr eingeschränkt werden, oder finden Sie das nicht?"

Geht man davon aus - und das suggeriert die Frage, da sie das missbräuchliche Potential nicht anspricht - dass die Internetsperren nur für das verwendet werden, wofür sie gedacht sind, wird jeder normale Mensch in einer "persönlich-mündlichen" Situation vermutlich mit "Nein" antworten.

Besonders sinnlos (oder dreist?) ist es, den Befragten zu bitten, sich für eine der folgenden Aussagen zu entscheiden:

1) " Ich bin zwar der Meinung, dass
Kinderpornographie bekämpft werden muss,
aber die Blockade von Internetseiten
geht mir zu weit. Es kann nicht sein, dass
der Staat festlegt, was sich der Einzelne im
Internet anschauen darf und was nicht.
Auf diese Weise wird die Freiheit der Bürger
zu sehr eingeschränkt.”

2) “Das sehe ich anders. Die Informationsfreiheit
hat ihre Grenzen, und wenn es
um Kinderpornographie geht, wird diese
Grenze deutlich überschritten. Daher sollte
der Zugang zu Internetseiten mit solchen
Inhalten blockiert werden.”

Die erste Aussage bezieht sich allgemein auf Internetinhalte und könnte auf besagte Zensurängste anspielen. Erst in der zweiten Alternative wird klar, dass speziell kinderpornographische Inhalte gemeint sind. Im Klartext soll der Befragte sich also eher für folgende Alternativen entscheiden - zumindest ist das die Assoziation, die in seinem Kopf entsteht:

1) Es kann nicht sein, dass der Staat festlegt,
ob sich der Einzelne Kinderpornographie im
Internet anschauen darf oder nicht.
Auf diese Weise wird die Freiheit der Bürger
zu sehr eingeschränkt

2) Das sehe ich anders. Die Informations-
freiheit hat ihre Grenzen, und wenn es
um Kinderpornographie geht, wird diese
Grenze deutlich überschritten. Daher sollte
der Zugang zu Internetseiten mit solchen
Inhalten blockiert werden.

Die zweite Alternative hat also Einfluss darauf, wie der Befragte die erste Alternative versteht. So entscheiden sich 90% für die zweite Aussage. Würde man die Reihenfolge der Aussagen vertauschen, wäre gewiss ein anderes Ergebnis zustande gekommen. Die bewusste Positionierung von Fragen an Anfang oder Ende ist ein bekanntes und beliebtes Mittel, um das Antwortverhalten zu beeinflussen. Durch die "persönlich-mündliche" Befragung kann die zweite Aussage durch Tonfall, Mimik und Gestik auch noch besonders betont werden, um den Befragten gezielt auf diese Auswahl zu lenken.


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