Erziehung, Antiautoritäre Erziehung, Anti-Erziehung
Hallo Mus Lim!
Hinter den von dir schön erklärten Mißständen steht wohl eine ganze Reihe von Interessengruppen. Da ist z.B. die Helferindustrie, die möglichst viele Opfer braucht, um ihre Existenzberechtigung nachzuweisen und weiterhin gut von Spenden und Steuergeldern leben zu können. Da sind Anwälte, für die es generell gut ist, Familien möglichst zu destabilisieren. Da sind Hersteller von allen möglichen Produkten, die nur oder in großem Maße von Kindern oder aber für Kinder konsumiert werden, und die einfach hoffen, daß hilflose Eltern versuchen, Wohlverhalten der Kinder durch teure Geschenke zu erkaufen. Da sind nicht zuletzt auch die Spitzenpolitiker, die teilweise genau wissen, daß sie die Gesellschaft geradenwegs in das Chaos führen und deshalb jetzt schon den staatlichen Einfluß auf die Kinder ausweiten wollen, in der Hoffnung, sie so beeinflussen zu können, daß sie später als Erwachsene ihren Frust eben nicht an den richtigen Stellen ablassen.
Aber da ist auch noch die 68er-Generation, die durch ihre breite Zustimmung diese heutigen Zustände maßgeblich ermöglicht hat.
Um das zu verstehen, muß man sich in die Kindheit dieser "68er" hinein versetzen. Ihre ersten bewußten Lebensjahre verbrachten sie in den letzten Kriegsjahren und in der Nachkriegszeit. Auf den ersten Blick betrachtet erscheint das schlimm. Es wurde aber von den Kindern damals gar nicht immer als so schlimm empfunden. Ganz im Gegenteil:
Die Väter waren oft an der Front, tot oder in Gefangenschaft. Die Mütter fühlten sich überfordert und spätestens nach Kriegsende, als die vollen Lebensmittelrationen nur noch an die arbeitende Bevölkerung abgegeben wurden, mußten sie auch tagsüber arbeiten. Das allein ließ den Kindern schon sehr viel Freiheit.
Der überall herrschende Mangel sorgte nun dafür, daß die Kinder diese Freiheit einigermaßen sinnvoll nutzten. Sie suchten überall nach Brauchbarem, sammelten Kohlen an Bahnstrecken, zapften Diesel aus zerschossenen Militärfahrzeugen, stahlen Kartoffeln von Feldern, schmuggelten Kaffee über die Grenze... Die Eltern sahen das oft auch durchaus nicht ungern und fragten nicht lange nach der Herkunft, wenn die Kinder irgendetwas Brauchbares mit nach Hause brachten.
Für viele Kinder war das eigentlich sogar eine gute Zeit. Sie konnten überall spielen und dabei gleichzeitig noch etwas tun, worüber die Eltern froh waren, was ihnen Lob und Anerkennung einbrachte. Und sie konnten selbst entscheiden, was sie taten. Mein Vater erzählte noch Jahrzehnte später oft davon, wie er als Kind zusammen mit anderen Kindern nachts Kartoffeln von Feldern geklaut hat, die für die Rote Armee angelegt worden waren. Wenn ein Wachposten sie dabei bemerkte, flogen ihnen schon mal Kugeln um die Ohren, aber selbst das wurde als Abenteuer empfunden.
Dann normalisierte sich die Gesellschaft aber allmählich wieder. Nach und nach kehrten die Väter zurück, oder die Mütter fanden neue Partner. Die Väter oder die neuen Partner beanspruchten dann die Rollen als Familienoberhäupter. Das war für die Söhne, die sich mittlerweile häufig in dieser Rolle sahen, schon einmal nicht immer einfach. Überhaupt bestanden die Eltern nun plötzlich wieder darauf, daß alles so lief, wie sie selbst es als Kinder in der Kaiserzeit oder in der Weimarer Republik erlebt hatten. Nun sollten die Kinder auf einmal nicht nur wieder regelmäßig zur Schule gehen, sondern es wurden wieder Sonntagsanzüge gekauft, und dann erwarteten die Eltern, daß die Kinder mit ihnen sonntags in die Kirche gingen oder zumindest mit ihnen einen Spaziergang machten, natürlich fein herausgeputzt und ordentlich gekämmt.
Das empfanden viele Kinder als Zumutung, als Einschränkung ihrer Freiheit. Wenn sie dagegen aufbegehrten, gab es Prügel von den Eltern, also mußten sie sich notgedrungen fügen. Das taten sie aber nur sehr widerwillig, und dies prägte sie zum Teil für den Rest ihres Lebens.
Deshalb neigten sie später dazu, jegliche Autorität abzulehnen, und deshalb glauben sie heute noch daran, daß Kinder, wenn man sie sich selbst überläßt, schon von ganz allein wissen, was gut und richtig ist. Und daß eine führende Hand da mehr schadet als nützt.
Was sie dabei übersehen, ist, daß die Kinder heute unter ganz anderen Verhältnissen aufwachsen. In der Nachkriegszeit sorgte der allgegenwärtige Mangel dafür, daß sich der Tatendrang der Kinder einigermaßen sinnvoll kanalisierte. Sie schafften Ressourcen für ihre Familien heran, und dafür erhielten sie Anerkennung.
Heute gibt es aber nichts, was den Tatendrang der Kinder ganz automatisch sinnvoll kanalisieren könnte. Deshalb betätigen sie sich oft sinnlos. Dafür bekommen sie natürlich keine Anerkennung von den Erwachsenen, also schaffen sie sich eigene Parallelwelten, in denen andere Regeln gelten und wo sie sich gegenseitig Anerkennung geben. Allein schon aus Oppositionsdrang heraus werden diese Regeln oftmals ganz bewußt vollkommen entgegengesetzt zu den üblichen Regeln gestaltet. Wer sich also am meisten daneben benimmt, ist der größte Held und bekommt von den anderen in der Clique die meiste Anerkennung.
Es ist auch keineswegs so, daß die Kinder, die sich asozial verhalten, immer nur aus der Unterschicht kommen und immer von ihren Eltern geschlagen werden. Nein, die kommen durchaus auch aus der Mittelschicht und stammen auch aus Elternhäusern, wo Schläge absolut unüblich sind - z.B. weil die Eltern die Auffassungen der 68er-Generation tief verinnerlicht haben.
Wenn im Elternhaus wüste Zustände herrschen, dann wird sich das auf die Kinder natürlich negativ auswirken. Schläge der Eltern können dann aber durchaus auch eine Reaktion auf massives Fehlverhalten der Kinder sein. Es ist also durchaus möglich, daß schon vor den Schlägen etwas schief gelaufen ist. Das sollte man bedenken, bevor man einfach behauptet, daß nur Gewalt der Eltern die Ursache für gewalttätiges Verhalten der Kinder wäre.
Es gibt heute generell die Tendenz, daß viele Eltern sich kaum noch um ihre Kinder kümmern. Das zieht sich quer durch die ganze Gesellschaft, von der Unterschicht über die Mittelschicht bis hin zur Oberschicht. Oft gibt es dafür Gründe wie z.B. Zeitmangel. Aber ich denke, daß viele Eltern auch regelrecht davor zurück scheuen, ihre Kinder konsequent zu erziehen. Nur relativ wenige Eltern haben großes pädagogisches Geschick. Die meisten können sowas wie antiautoritäre Erziehung einfach nicht umsetzen. Manche haben das Glück, daß ihre Kinder von Natur aus nicht stark zu Fehlverhalten neigen. Andere haben dieses Glück aber nicht. Die konnten sich früher auch mal mit einer Ohrfeige behelfen, wenn ihnen nichts Besseres mehr einfiel. Heute geht das nicht mehr, also wissen sie gar nicht mehr, was sie tun sollen und weichen dem Problem einfach aus. Die Kinder lernen dann, daß ihr Fehlverhalten für sie keine negativen Konsequenzen hat und daß es ihnen sogar Vorteile bringt. Die Auswirkungen dieser "Erziehung" sind viel schlimmer als die einer Ohrfeige!
Auch in früheren Zeiten war es so, daß Eltern oft nicht viel Zeit für ihre Kinder hatten. Da wurde ja überall noch 6 Tage pro Woche gearbeitet. Aber dann übernahmen ältere Geschwister die Erziehung, wobei sie selbst auch Verantwortungsbewußtsein lernten. Überhaupt kamen die Kinder ja damals auch früher ins Erwerbsleben und waren dort gezwungen, sich sozial zu verhalten.
Das alles entfällt heute. Die Kinder haben heute zwar viel mehr Freiheit, aber sie können damit nicht umgehen. Man erzählt ihnen überall, welche Rechte sie haben, aber von Pflichten erzählt ihnen niemand mehr etwas.
Schlimm ist auch, daß die Eltern, die noch versuchen, ihre Kinder konsequent zu erziehen, damit zunehmend auf verlorenen Posten stehen. Spätestens nach der Einschulung hat das Kind intensiven Kontakt mit irgendwelchen Chaoten-Kindern, und dann hören die Eltern andauernd "wieso darf ich das nicht - die anderen dürfen das doch auch alle..."
Freundliche Grüße
von Garfield
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Mus Lim,
02.06.2009, 08:53
- Erziehung, Antiautoritäre Erziehung, Anti-Erziehung - Christine, 02.06.2009, 09:31
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Garfield,
02.06.2009, 20:03
- Licht ins Dunkel bringen - Mus Lim, 03.06.2009, 07:18