Neue Studie zur Gewalt in Paarbeziehungen
Der Titel ist insofern etwas trügerisch, da die Studie ausschließlich Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen behandelt. Dabei stützt sie sich auf folgende „Fakten“ (Quelle der folgenden Zitate):
„In der Schweiz wurden bisher zwei repräsentative Erhebungen zu Gewalt gegen Frauen durchgeführt. Gillioz, De Puy & Ducret zeigen basierend auf einer Erhebung aus dem Jahr 1993 auf, dass rund jede fünfte der befragten Frauen (20,7 %) im Verlauf ihres Lebens körperliche und/oder sexuelle Gewalt durch einen Partner erfahren hat. Wird psychische Gewalt mitberücksichtigt, haben 40,3 Prozent der Frauen Gewalt erlebt. Killias, Simonin & De Puy berichten basierend auf einer Erhebung aus dem Jahr 2003 davon, dass jede zehnte der befragten Frauen (10,5 %) im Lauf ihres Erwachsenenlebens in einer Paarbeziehung körperliche oder sexuelle Gewalt erfährt. Jede dritte Frau (32 %) wird mindestens einmal im Erwachsenenleben Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt durch Bekannte oder Unbekannte.“ (S. 10)
Darauf aufbauend zeigt die Studie „primär Risikofaktoren bei Gewalt an Frauen in heterosexuellen Beziehungen“. (S.12) Dass Männer in der Studie als Opfer von häuslicher Gewalt nicht miteinbezogen werden, liegt daran, dass es hierzu keine Fakten gibt: „Die im Folgenden aufgrund der Literaturanalyse dargestellten Aspekte beschreiben Risikofaktoren bei Gewalt an Frauen in heterosexuellen Beziehungen. Zu Partnerschaftsgewalt mit männlichen Opfern und weiblichen Täterinnen (deren Existenz unbestritten ist) liegen wenig und für die Schweiz keine Forschungsergebnisse vor.“ (Quelle)
Nachfolgend ein paar Auszüge aus der Studie:
„Gewalt im sozialen Nahraum oder häusliche Gewalt wurde lange Zeit als Privatsache betrachtet und tabuisiert. Seit den 1990er-Jahren hat ein Umdenken auf breiter Ebene stattgefunden. Die Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen allgemein wie auch der häuslichen Gewalt wird auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene zunehmend thematisiert und als Aufgabe der Gemeinschaft anerkannt.“ (S. 6)
„Der Aktionsplan, den die Schweiz 1999 im Anschluss an die UNO-Welfrauenkonferenz erarbeitet hat, sieht verschiedene Massnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vor. Ein Teil davon ist inzwischen realisiert, so etwa die Schaffung einer Koordinationsstelle zu Gewalt an Frauen (Fachstelle gegen Gewalt im EBG, siehe Ziff. 1.4.2), die Einführung spezieller strafrechtlicher Bestimmungen und die Berücksichtigung im Bereich der Opferhilfe.
Das UNO-Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW) nennt häusliche Gewalt zwar nicht ausdrücklich als Diskriminierungsform, zu deren Abschaffung die Vertragsstaaten verpflichtet sind. Der CEDAW-Ausschuss hat sich jedoch in zwei allgemeinen Empfehlungen hierzu geäussert. In Empfehlung 19 definiert er «geschlechtsspezifische Gewalt, die es Frauen erschwert oder unmöglich macht, völkerrechtlich oder in Menschenrechtsabkommen verankerte Menschenrechte und Grundfreiheiten auszuüben>, explizit als Diskriminierung. Empfehlung 12 fordert die Staaten auf, über die Massnahmen, die sie zur Beseitigung der Gewalt ergreifen, zu berichten. Im Rahmen seiner Schlussbemerkungen zum ersten und zweiten Staatenbericht fordert der Ausschuss die Schweiz auf, ihre Bemühungen zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen, namentlich der häuslichen Gewalt, zu verstärken. Er legt der Schweiz nahe, «Gesetze zu erlassen und Massnahmen im Sinne der allgemeinen Empfehlung 19 des Ausschusses zu ergreifen, um der Gewalt vorzubeugen, den Opfern Schutz, Unterstützung und Beratung zukommen zu lassen und die Gewalttäter zu bestrafen und zu resozialisieren.>“ (S. 7)
„Die Europäische Kommission führt seit 1997 das Programm Daphne durch. Es zielt darauf ab, Organisationen zu unterstützen, die sich in der Bekämpfung und Prävention von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen engagieren. Bis 2005 wurden 420 Projekte unterstützt. Zurzeit läuft Daphne III, das für 2007–2013 116 Millionen Euro zur Verfügung stellt.“ (S. 7)
„Zwischen November 2006 und März 2008 führte der Europarat eine Kampagne zur Bekämpfung der Gewalt an Frauen und der häuslichen Gewalt durch. Die Schweiz hat sich an dieser Kampagne beteiligt, indem die Fachstelle gegen Gewalt im EBG zahlreiche Stellen innerhalb und ausserhalb der Bundesverwaltung über die Kampagne informiert und Materialien zur Verfügung gestellt hat. Ende 2008 hat der Europarat einer Gruppe von Expertinnen und Experten den Auftrag erteilt, zwingende rechtliche Instrumente zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt und anderer Formen von Gewalt gegen Frauen auszuarbeiten.“ (S. 8)
„Gewalt gegen Frauen verletzt deren Recht auf körperliche Integrität und Selbstbestimmung. Sie ist strafbar. Zudem ist Gewalt gegen Frauen ein wichtiges Hindernis auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter.“ (S. 24)
Beim Schutz der Betroffenen ist das Augenmerk in Zukunft vor allem auch auf „Migrantinnen und Kinder“ zu richten. (S. 28)
„Die Autorinnen empfehlen, in allen Kantonen ausreichende Angebote, besonders für Frauen und Kinder, bereitzustellen.“ (S. 35)
„Das Gleichstellungsbüro VD hat zusammen mit Bildungsfachleuten der Romandie unter dem Titel «Die Schule der Gleichstellung> Unterrichtsmaterialien zusammengestellt, mit denen die Gleichstellung von Frau und Mann während der ganzen Schulzeit thematisiert werden soll. Unter anderem soll bei den Schülerinnen und Schülern ein respektvollerer Umgang zwischen den Geschlechtern gefördert werden. Die Materialien wurden im Kanton VD an alle Lehrkräfte verteilt und stehen auch in andern Kantonen der Romandie zur Verfügung. Ausserdem wird im Kanton VD das Thema Gewalt auch im Rahmen der Sexualerziehung aufgenommen.“ (S. 37)
Interessant ist auch die „Liste der parlamentarischen Vorstösse zum Thema Gewalt gegen Frauen und Gewalt im sozialen Nahraum 1985–2008.“ Nachfolgend ein paar Müsterchen (S. 39f):
"- Strukturelle Gewalt und direkte Gewalt gegen Frauen (Frösch Therese)
- Häusliche Gewalt gegen Migrantinnen. Im Zweifel gegen die Opfer (Steiert Jean-Francois)
- Kampagne gegen Gewalt an Frauen (Maria Roth-Bernasconi)
- Gewalt ist männlich (Lang Josef)
- Massnahmen gegen Gewalt an Frauen (Hollenstein Pia)
- Unterstützung der Frauenhäuser (Goll Christine)
- Massnahmen gegen die Gewalt gegenüber Frauen (00.016-NR)
- Frauen mutiger machen (Hubmann Vreni)
- Gewalt gegen Frauen als Offizialdelikt. Revision von Artikel 123 StGB (von Felten Margrith)
- Rechte für Migrantinnen (Goll Christine)
- Unterstützung der Frauenhäuser (Goll Christine)
- Selbstverteidigungskurse für Mädchen (Nabholz Lili)"
Der Vorstoss von Herrn Nationalrat Josef Lang (Angehöriger der Grünen Fraktion) zu „Gewalt ist männlich“ sieht dann bspw. so aus: „Gewalt ist meistens männlich. Sei es im häuslichen Bereich, beim Schusswaffengebrauch oder bei der Aggressivität im Verkehr. Welche Möglichkeiten sieht der Bundesrat zur Sensibilisierung der Männer?“ (Quelle).
Gruss, Amplus