Wieviel «Gleichberechtigung» verträgt das Land?

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Überforderte Lehrerinnen

Christine ⌂, Tuesday, 10.03.2009, 20:41 (vor 6133 Tagen)

Durch Recherchen bin ich auf diesen Beitrag in der Taz gestoßen, die sich mal wieder einer Studie von Christian Pfeiffer widmet.

Wesentlich interessanter fand ich allerdings einen Kommentar, den ich hier komplett einstelle.
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11.02.2009 21:01 Uhr:
Von Moritz der Menschliche:

Vor kurzem nahm ich an einer soziologischen Unterrichtshospitation an einer staatlichen Kasseler Grundschule in einem Mittelstands-Quartier mit hübsch restaurierten Fachwerkshäuschen und schmucken Gärten drumherum teil. Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund tendierte in dieser Schule gegen Null.

Ich startete meine Hospitation mit der positiven Erwartungshaltung, daß an den Grundschulen die Welt sicher noch in den Fugen sei und es friedlich und nett zuginge.

Was die Kinder von der 1. bis zur 4. Klasse betrifft, hat sich meine Erwartung voll und ganz bestätigt. Die Kinder, denen ich begegnet bin, waren allesamt auf ihre individuelle Weise wunderbare menschliche Wesen, mit lauter Fragen und klugen Gedanken und Ideen in ihren Köpfen, was sich im Unterricht - in der Zeit zwischen 7:50 und 13:05 Uhr - auf unterschiedliche Weise artikulierte.

Meine positive Erwartung kehrte sich jedoch ins genaue Gegenteil um, als mir etliche Lehrerinnen des 16-köpfigen Kollegiums, das bis auf einen Förderlehrer ausschließlich aus Frauen besteht, ihre Einstellung gegenüber den Kindern und Eltern verrieten.

Aus meinen Interviews, die sich zum Teil im Small-Talk entwickelten, konnte ich entnehmen, daß es für 2/3 der Lehrerinnen, einschließlich der Rektorin und der Konrektorin, vier Erzfeinde gibt:

1. Paradoxerweise die Kinder selbst, wenn diese den Lehrerinnen nicht den Liebes-Input geben, den die Damen für sich beanspruchen;

2. Die betroffenen Eltern, die man gerne für die Lernschwächen ihrer Kinder verantwortlich macht, und die man sich am liebsten vom Leibe hält;

3. Journalistinnen und Journalisten sind nach weitläufiger Auffassung aus dem Lehrkörper Verbreiter von Märchen und Lügengeschichten, wenn es beispielsweise um pädagogische Phänomene wie die intellektuelle Auffassungsgabe von Kleinkindern geht - auch eine Art von Resistenz gegenüber wissenschaftlicher Erkenntnis -

und

4. Leute wie meinereins, die zwar paranoid-mißtrauisch beäugt werden, aber die man gewähren läßt, solange sie sich nicht in Konzeptfragen einmischen.

Das Ganze hat System! Auf diese Weise können die Grundschullehrerinnen die Lehrpläne, die ihnen von der Schulbürokratie vorgegeben sind, knallhart und routiniert durchpeitschen, mit im Schnitt 25 Kindern pro Klasse.
Einige Kinder, die einen unterstützenden Rückhalt aus ihrer Familie haben, schaffen es, aber zu viele bleiben mit Angsttraumata und Lernblockaden selbst im bürgerlichen Spektrum auf der Strecke.

Ich würde nicht sagen, daß die älteren Lehrerinnen um die 60 inkompetenter und ausgebrannter sind als die jüngeren. Ich hatte eher den Eindruck, daß sie eine Gelassenheit an den Tag legen und nicht so schnell aus der Haut fahren, wenn mal nicht alles nach Plan läuft, wie das bei den jüngeren Lehrerinnen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren desöfteren zu beobachten war.

In einer 2. Klasse erlebte ich sogar eine Lehrerin, die die ihr anvertrauten Kinder permanent anschrie und herumkommandierte, auf eine Weise, die mich an die Nazi-Erziehung der 30er Jahre erinnerte.
Ihr Kommandogeschrei drang durch alle Wände bis ins Erdgeschoß, wie ich feststellte, als ich einmal den Klassenraum verließ, um die Toilette aufzusuchen.

Warum weder die Rektorin noch die Konrektorin mit einer Suspendierung dieser psychologisch hörbar gestörten Lehrerin intervenierten, erscheint mir bis dato wie ein Rätsel?

Ich beginne aber zu verstehen, weshalb eine Bekannte von mir, die selber mal Grundschullehrerin in Hessen war und den Versuch unternahm, eine philantrophische und nicht-autoritäre Pädagogik zu praktizieren, ihren Dienst bereits im Alter von 30 Jahren quittierte, weil sie von seiten des Kollegiums und ihrer Rektorin wegen ihres humanistischeren Ansatzes permanent gemobbt wurde.

Die kreative Unruhe, die in der um Gruppentische organisierten Klasse öfter mal entstand, beantwortete die nervlich zerrüttete Lehrerin u. a. mit Sprechverboten und häufigem, lautem Schlagen - ich zuckte dabei jedesmal vor Schreck zusammen - mit einer magnetischen Geometrieform auf die Tafel und einer Handglocke, die sie, statt mit ihr zu läuten, auf die Kreideablage knallte.
Wenn es die Politik und der Gesetzgeber noch zuließen, würde sie vermutlich die Kinder verdreschen, weil sie keinen Respekt vor ihren Eleven zu haben schien, statt dessen mit schwarzen Reiterstiefeln sadistisch vor der Klasse posierte, um Angst in den Seelen der Kinder zu erzeugen.

Es kommen also zwei Faktoren hinzu:

1. Die persönliche Erziehungsphilosophie sowie das eigene Menschenbild

und

2. Der Druck, der durch die System- und Normvorgaben von oben auf die Lehrerinnen entsteht.

Der Lern- und Verständnisprozeß der Kinder ist dabei zweitrangig. In erster Linie geht es um die Erfüllung der Zielvorgaben, damit die Statistik erstellt werden kann. Dafür bekommen die Kinder stets auch einen blauen Stempel unter die grauen Kopiezettel ihrer Mathematikhausaufgaben, die nicht selten unlogisch formuliert und gezeichnet worden sind.
Für das entrichtete Geld zur Ausstattung der bevorstehenden Faschingsfeier gab es der Reihe nach ebenfalls einen Stempel - auf die Hände der Kinder!

Wer im Unterricht nicht spurt - meist sind es die Jungen - wird an einen Straftisch gesetzt oder wird zur Strafe vor den Klassenraum gestellt.
Noten gibt es bereits ab der dritten Klasse, inklusive der 5 und 6 für 'mangelhaft' und 'ungenügend'. Manche Lehrerinnen setzen die Noten auch als Drohmittel ein: "Wenn ihr euch nicht anstrengt..."
Überwiegend eine defizitorientierte, negative Didaktik.

Kommt mal ein Ministerialbeamter mit roter Krawatte vorbei, sind alle plötzlich lieb und nett zueinander und lächeln ihn freundlich an, bis er wieder verschwunden ist. Der Kampf ums Überleben im dreigliedrigen Schulsystem geht in die nächste Runde.

Summa summarum gelangte ich zu dem traurigen Schluß, daß die Pädagogik, die an dieser Grundschule zelebriert wird, insbesondere die Konversations- und Kommunikationskultur, tendenziell aus den 30er Jahren stammte - zugegebenermaßen in farbenfrohes Kreppapier und kunterbunte Unterrichtsmaterialien eingewickelt.

Schwer zu öffnende Brandschutztüren neuester Bauart im Eingangsbereich dieser Grundschule, mit grauen Metallrahmen um das Sichtglas und eiskalten Griffstangen, symbolisieren das Primat des Technokratischen anno 2009.

Nach meiner Überlegung könnte es kurz- und langfristig sechs wirksame Rezepte gegen diese inhumanen Zustände der Schulkulturen in der Bundesrepublik Deutschland geben:

1. Die bundesweite Realisierung und Konkretisierung der Integrativen Primar- und Sekundarschule nach schwedischem, finnischem und britischem Vorbild.

2. Eine inhaltliche Erneuerung und Verhaltensneuorientierung.

3. Die generelle Abschaffung des Beamtenstatus bei Lehrerinnen und Lehrern. Dann würde sich zeigen, wer an der positiven Entwicklung der Persönlichkeit der Heranwachsenden wirklich interessiert ist und wem es trotz allen politischen Zwängen Freude bereitet, bestmöglich und kreativ daran mitzuwirken.

4. Mehr Rechte und mehr demokratische Mitbestimmung für Eltern. Eltern müssen das Recht erhalten, jederzeit und unangemeldet am Unterricht ihrer Kinder teilnehmen zu können!

5. Einen regelmäßigen psychologischen TÜV für Lehrerinnen und Lehrer.

6. Eine Schularchitektur der Transparenz. Eine Abkehr von der Innenraumarchitektur der verschlossenen Lehrerzimmer!

http://www.taz.de/1/zukunft/wissen/artikel/kommentarseite/1/nur-ein-befriedigend-fuer-lehrer/kommentare/1/1/
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Im übrigen sind auch fast alle anderen Kommentare lesenswert.

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Es ist kein Merkmal von Gesundheit, wohlangepasstes Mitglied einer zutiefst kranken Gesellschaft zu sein

Überforderte Lehrerinnen

Mustrum, Tuesday, 10.03.2009, 22:23 (vor 6133 Tagen) @ Christine

Der Lehrerberuf gehört rehabilitiert.

Wer heute Lehrer wird, muss damit rechnen, von irgendeiner Feministin irgendwann (wenn grad wieder Fördergelder gefragt sind) als Pädophiler gebrandmarkt zu werden.

Was anderes können die doch nicht. Lehren? Die begreifen doch noch nicht mal die Hälfte, wie sollen die "lehren"

Solange muss man sich mit Lehrerinnen abfinden, die ihren Keller mit Alu-Folie ausschlagen, damit frau nicht von UFOs entführt wird. Machte meine Musiklehrerin zumindest so.

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